1978 wurde das neu erbaute AKW Zwentendorf zu Grabe getragen. Was heute keiner mehr weiß: Auch nahe Linz waren zwei AKW-Standorte im Gespräch. Das Nein zum AKW Zwentendorf und zwei weiteren möglichen Austro-Atomkraftwerken vor 46 Jahren rettete weder unser Klima noch war es ein brauchbarer Beitrag zum Umweltschutz. Vier Jahrzehnte lang bliesen als Zwentendorf-Ersatz neu errichtete Kohle- und Gaskraftwerke Millionen Tonnen von CO2 in die Luft, wertvolle Auenlandschaften an Flüssen wurden Wasserkraftwerken geopfert.
Nur knapp 30.000 Stimmen (oder 50,47 zu 49,53 Prozent) zogen dem fixfertigen AKW Zwentendorf bei der Volksabstimmung im Herbst 1978 den Stecker. Das nach heutiger Kaufkraft 1,6 Milliarden Euro teure Kraftwerk hätte bei einer Nettoleistung von 692 Megawatt den Strom von zwei bis drei Donaukraftwerken produziert. „Umgerechnet“ auf Windkraft müsste man als Ersatz etwa 200 Windräder bauen.
Der Vorteil eines Kernkraftwerks wie Zwentendorf: Es produziert eineinhalb Jahre lang unter Volllast Strom – egal, wieviel Gas oder Kohle es gibt oder wie stark der Wind weht. Und danach benötigt es lediglich eine zweiwöchige Revisionsphase, ehe wieder weiter nahezu emissionsfrei produziert werden kann.
Drei rot-weiß-rote AKWs mit sechs Reaktoren
Geplant waren österreichweit sogar drei Kernkraftwerke mit in Summe sechs Reaktoren. Damit hätte man Anfang der 1980er-Jahre etwa 50 Prozent des gesamten heimischen Strombedarfs decken können. Da viel Wasser zur Kühlung benötigt würde, lagen Standorte an der Donau nahe. Einer davon befand sich in St. Pantaleon-Erla an der Grenze von Ober- zu Niederösterreich. Hier wurden damals bereits ganz konkret die dazu nötigen Flächen angekauft. Auch im Eferdinger Becken hätte Atomstrom produziert werden sollen, ein genauer Standort wurde aber nicht festgelegt. Als weiterer potenzieller Standort war St. Andrä an der Drau (Kärnten) im Gespräch.
Kreisky nicht der AKW-Ziehvater
„Heute noch gilt der damalige SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky als Vater des AKW Zwentendorf, aber das ist falsch“, sagt Pressesprecher Stefan Zach von der EVN, die das AKW-Denkmal heute besitzt. Erste Überlegungen, ins Atomzeitalter einzusteigen, gab es nämlich bereits in den 1950er-Jahren. Und der Bau von Zwentendorf wurde 1969 von der damaligen ÖVP-Bundesregierung unter Josef Klaus beschlossen, Bruno Kreisky kam erst im April 1970 an die Macht.
Kreisky hat dann nach Fertistellung des AKWs in einer einsamen Stunde entschieden, die Inbetriebnahme von einer Volksabstimmung abhängig zu machen, obwohl er das gar nicht hätte müssen. Er tat es aber, weil er sich seiner zu hundert Prozent sicher war. Eine gleichzeitig ausgesprochene Rücktrittsdrohung für den Fall eines mehrheitlichen „Neins“ sollte seine Zuversicht unterstreichen. Kreisky trat trotz des unerwarteten Ausgangs bekanntlich nicht zurück – im Gegenteil: Durch den Beschluss des Atomsperrgesetzes 1978 ging er sogar gestärkt aus der Abstimmung hervor und holte bei der Nationalratswahl 1979 mit 51 Prozent die Absolute für die SPÖ.
Brennstäbe aus Linz-Hörsching
Aber zurück zu 1978: Sogar die Brennstäbe waren bereits angeliefert, aufgrund der Proteste wurden diese aber via Hubschrauber vom Flughafen Linz-Hörsching aus eingeflogen (erst sieben Jahre nach der Abstimmung, 1985, wurden die Brennstäbe an baugleiche deutsche Kraftwerke weiterverkauft).
Naturschützer ursprünglich Pro Zwentendorf
Pikant: „Kaum jemand weiß, dass viele Umweltschützer anfangs sogar für den Bau von Zwentendorf waren, weil damit das Versprechen einher ging, dass dadurch weniger Wasserkraftwerke gebaut und die dortigen Naturräume geschützt bleiben sollten“, so Stefan Zach.
Naturschutz als Verlierer
Apropos Naturschutz: Der Erfolg der Kernkraftgegner war zumindest für die Natur und das Klima ein klassischer Pyrrhussieg. Statt der AKWs wurden als unmittelbare Folge neue fossile Kraftwerke gebaut und in Betrieb genommen, die 40 Jahre lang enorme Mengen an CO2 und Schadstoffen in die Atmosphäre bliesen. In Summe wurden seit 1978 sogar zehn fossil-thermische Kraftwerk errichtet.
Auch Flora & Fauna wurden arg in Mitleidenschaft gezogen: Der Bau der großen Donau-Laufkraftwerke Melk (1982), Greifenstein (1985) und Freudenau (1998) etwa zerstörte Millionen Quadratmeter wertvollsten Auengebiets, die dananch renaturierten Staubereiche gleichen selbst heute noch künstlich errichteten, eher sterilen Stauseen.
Die großteils als AKW-Ersatz gebauten Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke wie Dürnrohr verfeuerten Unmengen an fossilen Brennstoffen. 1999 etwa lag der Brennstoffverbrauch aller heimischer Großfeueranlagen bei 470.000 Terajoule. Das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Zwentendorf gebaute Kohlekraftwerk Dürnrohr verheizte etwa 65 Prozent der gesamten in Kraftwerken einegsetzte Steinkohle, wobei der Brennstoff Gas die Stein- und Braunkohle immer weiter vedrängte – zwischen 1990 und 1999 sank der Kohlenanteil um 40 Prozent.
Dreckschleudern statt CO2- freier Stromproduktion
Der vermeintliche Sieg der Kernkraftgegner wird beim Blick auf den CO2-Emissionsvergleich noch pyrrhusartiger: Braunkohlekraftwerke stoßen je Kilowattstunde 1.153 Gramm CO2 aus, bei Steinkohle sind es 949 Gramm. Kein Vergleich zu Windkraft (24g CO2/KWh), Kernkraft (32g CO2/KWh) und Wasserkraft (40 g CO2/KWh). Das war auch der Hauptgrund, dass in den vergangenen 18 Jahren alle Kohlekraftwerke wie etwa Dürnrohr, Voitsberg, Zeltweg und St. Andrä stillgelegt wurden.
Streitfall Müllverbrennung
Auch das Thema Müllverbennung (in Wien, Linz und St. Pölten wird dadurch ein hoher Anteil der Fernwärme generiert) wird derzeit gerne als „klimaneutral“ abgefeiert: Es wird sehr häufig davon gesprochen, dass die Verbrennung von Müll eine saubere Technologie sei und am Ende kein Abfall entsteht – schon gar kein gefährlicher wie bei der Atomkraft. Das ist leider falsch. Durch die Verbrennung werden krebserregende Stoffe wie Dioxine und Furane freigesetzt, auch belastete Stäube und Aschen fallen an, die allesamt als Sondermüll untertage endgelagert werden müssen.
Es wird sehr häufig davon gesprochen, dass die Verbrennung von Müll eine saubere Technologie sei und am Ende gar kein Abfall entsteht. Das ist leider falsch.
Außerhalb Wiens gibt es in Österreich sieben Müllverbrennungsanlagen. Zurück bleiben enorme Mengen an hochtoxischen Stoffen, Österreich bedient sich bei der Endlagerung der anfallenden Giftstoffe laut Lebensministerium u.a. einer Endlagerstätte in Salzstöcken in Baden-Würtemberg.
Wiewohl: Eine andere Lösung als Verbrennen gibt es angesichts der enormen (Plastik) Müllmengen derzeit nicht. Eine Idee wäre die drastische Reduktion des anfallenden Mülls – das EU-Verbot von Plastikstrohhalmen ist da zwar nett, aber nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Verbrennen ist verbrennen – und wird auch mit netten Koseworten wie ‚Naturwärme’ für das Abfackeln von Holz nicht besser.
Holz macht die Sache nicht viel besser
Ebenfalls pikant: Das Verheizen von Holz und Pellets, das von Unternehmen wie der LINZ AG sehr blumig als ‚Naturwärme‘ bezeichnet wird – und die so gewonnene Fernwärme als ‚CO2-neutral‘. In Wirklichkeit wird damit die Bilanz der Fernwärme massiv verschlechtert und bilanziell noch weniger umweltfreundlich. Verbrennen ist verbrennen – und wird auch mit netten Koseworten wie ‚Naturwärme’ nicht besser.
750 Kg gebundenes CO2 in einem Festmeter Fichtenholz
Warum das Verheizen von Holz dem Klima nichts bringt? In einem Festmeter Fichtenholz stecken 750 kg CO2, die jahrzehntelang gebunden waren und beim Verbrennen sofort und direkt 1:1 freigesetzt werden. Auch wenn man danach wieder Bäume pflanzt, bringt das dem Klima lange nichts, werden diese Bäume doch erst frühestens in drei oder vier Jahrzehnten wirklich klimawirksam.
Klimaneutral als Etikettenschwindel
„Klimaneutral“ klingt gut, heißt aber eben auch, dass dabei keinerlei zusätzliches CO2 gebunden wird (was aber dringend nötig wäre), sondern nur ein 1:1 Austausch erfolgt. Mit dem gleichen Argument könnte man auch das Verheizen von Erdgas, Kohle oder Öl als “klimaneutral” bezeichnen, weil auch diese Stoffe aus der Natur stammen und sich wieder nachbilden – wenn auch in einem viel längeren Zeitraum…
Comeback der Kernkraft?
Da und dort werden in Österreich Stimmen laut, Atomkraft wieder salonfähig zu machen – und Zwentendorf möglicherweise bald 50 Jahre später zu aktivieren. Uff: Schwierig. Denn dazu bräuchte es zuallererst eine (wohl undenkbare) Zweidrittelmehrheit im Parlament, um das im Verfassungsrang befindliche Atomsperrgesetz zu kippen.
„Dieser Reaktor kann nicht mehr in Betrieb genommen werden. Zu alt, zu verrostet, zu viele Teile weg.“
Stefan Zach / EVN
Und auch die Sache mit einer Inbetriebnahme ist de facto unmöglich: „Dieser Reaktor kann nicht mehr in Betrieb genommen werden. Zu alt, zu verrostet, zu viele Teile weg. Der Generator wurde verkauft, ebenso eine der drei Turbinen. Viele Pumpen sind auch wie die Regeltechnik kaputt, es ist kein einziger Computer vorhanden“, so EVN-Mann Stefan Zach: „Es ist ein Kraftwerksbau aus einer anderen Welt.“ Bliebe nur ein Neubau. Bei konservativ geschätzten Kosten von sieben Milliarden Euro ziemlich viel Kohle – und damit nicht mehr als eine Illusion.