2020 war ein ganz besonderes Jahr für den ewig jungen Waterloo: Heuer feierte das Austropo-Urgestein sein 50-jähriges Bühnenjubiläum, Ende November folgte der 75. Geburtstag. Im Talk mit Wilhelm Holzleitner gibt Hans Kreuzmayr Einblicke in ein ganz besonderes Leben. Er spricht aber auch über die Corona-Zeit – und was wir daraus lernen können.
Heja Waterloo! Welche Anrede ist Dir eigentlich lieber: Hans, Hansi, Herr Kreuzmayr oder Waterloo?
Ich bin seit 70 Jahren für alle meine Freunde, also für praktisch jeden, einfach nur der Hansi!
Wie kam’s überhaupt zum Namen Waterloo? Der Begriff erinnerte ja bekanntlich an eine große Schlacht.
Es war eine Eingebung über Nacht. Mein musikalischer Partner Sepp Krassnitzer hat mir damals wenige Tage zuvor mitgeteilt, er würde sich gerne Robinson nennen, weil er sich fühle wie ein verwegener Abenteurer. Bis Ende der 60er-Jahre, also bis kurz vor unserem Durchbruch, nannten wir uns “The Edward Brothers“. Wir fühlten jedoch beide, das passte nicht zu uns. Der Name war ein Provisorium. So lag ich, wie gesagt, eines Nachts wach im Bett, und wie aus heiteren Himmel fiel er mir “Waterloo“ ein – ja, genau, dachte ich, so möchte ich heißen!
Seit den frühen 1970er-Jahren wird Dein Leben von der Musik bestimmt. Was bedeutet Dir Musik?
Musik ist mein Leben! Seit ich denken kann, singe ich, schon als Kind sang ich – für meine Familie, für Freunde, einfach überall. Ich habe zwar das bodenständige Handwerk Tischler gelernt, war aber immer mehr der singende Paradiesvogel als der brave Handwerker. Nimmt man mir die Musik, nimmt man mir alles. Wenn möglich, nehme ich die Musik irgendwann einmal mit auf die andere Seite. Ich bin mir sicher, auch dort wird viel gesungen und gelacht, vielleicht sogar mehr als hier!
Deine Anfänge in der Musik hattest Du im Duo mit Sepp „Robinson“ Krassnitzer. Eure Wege haben sich in all den Jahren mehrfach gekreuzt. Bitte um eine Retrospektive dieser langjährigen, nicht immer einfachen Beziehung.
Der Sepp und ich sind wie zwei ungleiche Brüder. Nahezu alles, was ich heute bin, also der Sänger Waterloo, den ihr alle kennt, entsprang dieser Bruderschaft. Ich habe den absoluten Höhepunkt unserer musikalischen Karriere mit ihm erlebt. Wir haben das gemeinsam durchgestanden, gemeinsam gefeiert, gemeinsam erlebt. Das verbindet uns für immer! Aber wie das so ist in einer Familie, unter Brüdern, gibt es Höhen und Tiefen. Mal verträgt man sich, mal streitet man sich, mal ist man derselben, mal total gegenteiliger Meinung. Und so ist es auch beim Sepperl Robinson und mir. Mal gehen wir zusammen, mal getrennte Wege, aber egal wie wir es gerade halten, im Herzen bleiben wir diese zwei Jungs, diese zwei Brüder, Waterloo & Robinson eben.
Auf Deiner Homepage gibt’s unter dem Menüpunkt „Musik“ drei Unterpunkte Einmal nur „Waterloo“, einmal „Waterloo & Robinson“ und einmal Waterloo mit Robinson in Klammern gesetzt. Irgendwie scheint die Geschichte noch nicht ganz zu Ende zu sein.
Die Geschichte ist dann zu Ende, wenn ich mich von dieser Welt verabschiede und das habe ich noch lange nicht vor! Ich bin immer offen für alles! Es muss Spaß machen, ehrlich und aufrichtig sein – alles andere macht keinen Sinn. Wenn es eine gute Idee gibt, bin ich dafür zu haben! Das war ich immer.
Du hast bei den Karl May-Festspielen sehr oft die Rolle des Winnetou gegeben. Auch sonst bist Du sehr mit der Kultur der Indianer affin. Wie kam’s zu dieser ungewöhnlichen Liebelei?
Der Anblick eines Indianers war für mich immer schon etwas ganz Besonderes. Dieses Edle, Aufrichtige, dieser unwahrscheinliche Bezug zur Natur, zu Mutter Erde. Die langen Haar, der Schmuck, die tiefsinnige Bedeutung von alldem… das hat mich schon als Kind tief berührt. In meiner Kindheit kannten wir Indianer natürlich nur aus Büchern. Und damals gab es für uns nur eine Buchreihe, die das Leben dieses wunderbaren Volkes schilderte wie keine andere: die Geschichten von Karl May. Natürlich habe ich mich schon damals besonders in der Rolle von Winnetou, des schillerndsten aller Indianer, wiedergefunden.
Du hast Anfang der 1990er-Jahre sogar einige Zeit in einem Indianerreservat verbracht. Was können wir von den Indianern lernen?
Die Verbindung zu Mutter Erde, zur allgegenwärtigen Natur um uns. Leider haben wir diesen Bezug schon lange verloren. Wir wissen, draußen zwitschern die Vögel, wir wissen, wenn der Wind durch die Blätter eines Baumes bläst, dann raschelt es sanft, wir wissen es, aber wir hören es nicht. Es ist viel zu laut geworden und zu hektisch. Wir müssen es wieder lernen, das bewusste Hinhören, das Wahrnehmen, das Spüren der Natur um uns. Alles andere ist nicht wichtig! Erst dann lernen wir auch, uns wieder selbst zu hören, zu lieben. Das können wir von den Indianern lernen, zumindest aus ihrer Mythologie, aus ihren Traditionen.
Auch Afrika hast Du ins Herz geschlossen. Was steckt da dahinter?
Das kann man kaum in Worte fassen! Afrika ist die Wiege der Menschheit. Kaum sonst wo auf der Welt gibt es noch eine derart unberührte Natur, wie in der Serengeti. Dieses Land und seine Menschen strahlen eine Ur-Kraft aus, ein Ur-Gefühl, das kann man niemanden beschreiben, der nicht selbst dort gewesen ist. Man spürt förmlich, hier ist alles entstanden. Und dieses Land ist so laut, extrem laut, aber es ist nicht der Lärm wie wir ihn kennen, kein unangenehmer Lärm. Es ist ein Ur-Schrei, ein Schrei aus Löwengebrüll, Elefanten, Nashörnern, gigantischen Grillen, Wildvögeln, ungehemmt und laut. Wer das einmal hört, hört unsere Erde, Mutter Erde. Das ist sie, wie sie leibt und lebt. Das geht durch und durch und berührt dich in den Tiefen deines Seins.
Die Gagen in den 1970er- und 80er-Jahren sind mit den heutigen nicht zu vergleichen. Hast Du es dennoch geschafft, in diesen Jahren „auszusorgen“?
Ich bin und war immer der kreative Künstler. Was so viel bedeutet wie: Als erstes kommt die Lust am Leben, das Vergnügen und der Genuss, dann kommt lange nichts, und erst dann die Mathematik und das Erbsenzählen. Ich hatte Gott sei Dank das Glück, dass ich Menschen um mich hatte, die dafür gesorgt haben, dass ich im Alter so viel Reserven habe, um in der Not darauf zurückgreifen zu können. In unserer Blütezeit auf mich allein gestellt, wäre es mir wahrscheinlich so gegangen wie vielen anderen prominenten Beispielen, die zuerst alles und dann nichts mehr hatten.
Apropos Gagen: Wie war das damals beim Songcontest 1976 mit dem sensationellen fünften Platz: Kannst Du Dich da noch an die Prämie erinnern?
Wie gesagt, ich war in erster Linie der Kreative, der Künstler. Für mich war es wichtig, auf die Bühne zu gehen, dort Musik und Freude zu verbreiten. Das finanzielle hat damals meine Ex-Frau erledigt. Ich weiß nur, dass es uns an nichts gefehlt hat in dieser Zeit.
Die Corona-Krise trifft besonders Künstler hart. Wie gehst Du mit dieser besonderen Situation um?
Nochmal! Mein oberstes Credo: Genießen, genießen, genießen! Alles andere macht keinen Sinn. Ich halte es da mit einer alten Weisheit: Kannst du es ändern? Nein? Warum machst du dir dann Sorgen? Kannst du es ändern? Ja! Warum machst du dir dann Sorgen? Ich kann es nicht ändern, also mache ich das Beste daraus. Ich arbeite viel im Garten, genieße die Sonne, genieße das gute Essen, das mir meine Frau bereitet, singe, lese ein gutes Buch, schaue Abends gemeinsam mit meiner Frau einen schönen Film, überlege mir neue musikalische Ideen für die Zukunft, denn ich habe noch viel vor. Vor allem weiß ich, dass das nicht ewig so bleibt. Es gibt auch eine Zeit nach Corona, und ich freue mich darauf!
Bei allen negativen Begleiterscheinungen: Steckt hinter der Corona-Krise auch ein tieferer Sinn, der etwas zum Besseren verändern könnte?
Natürlich! Sorry für den Ausdruck, aber das ist eine ordentliche Watschn für uns alle. Eine Watschn die uns aufwachen lassen soll, ja muss! Eine quasi Zwangsbremsung. Wir können und dürfen nicht so weitermachen wie bisher! Immer schneller, weiter, höher, ohne Rücksicht auf Verluste. Ausbeutung und Zerstörung wohin das Auge blickt. Jetzt ist die Zeit, nachzudenken, sich zu besinnen, einmal herunterzukommen, von der Hektik und vom Stress, vielleicht um sich und die Liebe zu sich selbst wieder zu finden. Nicht das hirnlose Eindecken mit Klumpert, das eh keiner braucht, nicht das stupide Schauen und Abstumpfen durch volksverblödende Reality-TV-Shows, nicht das rastlose Lechzen nach irgendwelchen Karrieren, Positionen und Titeln auf Kosten von Freunden und Familie. Es wäre wirklich schön, wenn wir die Zeit jetzt dazu nutzen, um uns zu überlegen, wie wir die Welt nach Corona, besser machen können.
Was kann Musik erreichen oder verändern – und was nicht?
Musik kann Freude bereiten und wer Freude in sich spürt, hat wenig Platz, um Unheil in der Welt zu verbreiten. Musik kann heilen, Musik kann durch und durch erfüllen… Musik kann durchaus auch Rechnungen bezahlen, jetzt gerade weniger, leider.
Der eine oder andere Künstler äußert sich auch immer wieder politisch. Wie haltest Du es diesbezüglich?
Meine Politik ist und bleibt die Liebe! Ich habe ein paar Mal versucht, mich politisch zu äußern und habe mir dafür meine Watschen abgeholt. Jetzt schaut meine Frau immer sehr genau darauf, dass ich mich diesbezüglich zurückhalte. Ist auch gut so, Musik ist unpolitisch, Musik ist international und wenn ich es mir so recht überlege, ist Musik auch, neben der Liebe, meine Politik, meine Art zu denken: groß, grenzenlos, völkerverbindend und international! Damit ist alles gesagt.
Manche sagen auch: Musiker sollen uns unterhalten, aber nicht belehren.
Ja manche sagen das und manche sage etwas anderes… und weiter? Es gibt so viele Arten von Musik. Die eine ist unterhaltsam, die andere sozialkritisch. Da findet jeder die für sich Passende. Man darf bei uns ja frei wählen – Gott sei Dank!
Wer Dich von Deinen Auftritten, aber auch aus persönlichen Gesprächen kennt, hat den Eindruck: Der Hansi Kreuzmayr ist immer gut drauf. Täuschst dieser Eindruck?
Nein!
Und bei welchen Dingen wird auch ein Waterloo mal „giftig“?
Wenn meine Frau zu mir sagt, dass ich schon schlecht höre (lacht). Das stimmt einfach nicht! Wenn sie mich immer genau dann irgendetwas fragt, wenn ich gerade Rasen mähe oder Staubsauge, kann ich ja nichts dafür, wenn ich es akustisch nicht verstehe!
2018 hast Du auch die Kulturmedaille des Landes Oberösterreich bekommen, im selben Jahr bist Du ins Burgenland gezogen. Bleibst Du dennoch ein Oberösterreicher?
Ich war immer ein Weltbürger, daher bin ich weder das eine noch das andere. Das Land Oberösterreich hat mein kreatives Lebenswerk gewürdigt, dafür bin ich sehr dankbar. Das hat aber nichts damit zu tun, wer oder was ich bin und bleibe. Weltbürger bin ich, das schließt Oberösterreich und Burgenland mit ein.
50-jähriges Bühnenjubiläum, dazu der 75. Geburtstag: Was steht demnächst alles am Plan?
Eines kann ich aber jetzt schon fix sagen: Pension kommt auch in diesem Jahr nicht in Frage für mich! Ihr werdet mich noch lange nicht los, ich habe noch viel vor! Aber jetzt bringen wir mal dieses Corona-Ding hinter uns, dann reden wir weiter.