Seit gut 20 Jahren weiß Linz, dass die Eisenbahnbrücke auf kurz oder lang nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Jetzt wird – zum letztmöglichen Zeitpunkt – doch noch gebaut. Zeitgleich mit der Eisenbahnbrücke wird auch die Steyregger und die VOEST-Brücke saniert. Der Baustart der Westring-Brücke erfolgt ebenfalls im Frühjahr 2016. Die zweite Schienenachse – gut gemeint, aber eine Fehlplanung. Nicht viel besser ist das Land OÖ bei der Mühlkreisbahn unterwegs: Dort weiß man bis heute nicht, wie es weitergeht. Willkommen im ganz normalen Linzer Verkehrswahnsinn. Eine Bestandsaufnahme.
Egal, ob Sanierung oder Neubau: Eine vorausschauende Verkehrsplanung hätte bereits vor 20 Jahren einsetzen müssen – mit dem Ziel, eine neue Brücke zu bauen, BEVOR die alte Eisenbahnbrücke am Ende ihrer Lebensdauer angelangt ist. Völlig sinnbefreit hat man aber fast bis zum letztmöglichen Tag gewartet, ehe man sich zu einem Neubau durchringen konnte. Als ob das alles nicht genug wäre, vertändelte die Stadt Linz noch über ein weiteres Jahr, indem man sich unnötig gegen eine Volksbefragung wehrte.
Anscheinend völlig überrascht war man bei der Stadt auch, dass zeitgleich mit dem Neubau der Eisenbahnbrücke auch die Steyregger und die VOEST-Brücke saniert werden. Ach ja: Der Baustart der Westring-Brücke erfolgt ebenfalls im Frühjahr 2016. Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Von fünf Donaubrücken (die allesamt an wichtigen Einpendler-Routen liegen) sind ab 2016 vier eine Mega-Baustelle. Sowas kann man nicht planen. Linz verändert – am besten alles auf einmal…
Jetzt wird also doch gebaut, wobei die begleitenden Planungen wenig Tiefgang beweisen. Die hochgejubelte zweite Straßenbahnachse durch Linz: Wer soll diese – von Norden oder von Süden kommend – ernstlich nutzen? Fast jeder, der aus Richtung Urfahr kommt, will Richtung Zentrum, aber sicher nicht in die Gruberstraße oder ins Franckviertel. Dasselbe gilt für die Pendler aus dem Süden. Auch die oft zitierten Bewohner der Grünen Mitte werden mehrheitlich kaum mit der Kirche ums Kreuz fahren, wenn sie in die City wollen. Die großen Industrie- und Wirtschaftsstandorte wie voestalpine, Industriezeile oder der boomende Hafen werden gar nicht erst angefahren.
Der größte Irrsinn dieser absoluten Fehlplanung: Die neue Straßenbahnlinie 4 mündet nicht etwa in den Verkehrsknotenpunkt Hauptbahnhof, sondern in den Bulgariplatz. Warum? Keine Ahnung. Jeder, der vom oder zum Hauptbahnhof will, muss jetzt nach zwei Stationen nochmals umsteigen.
Die ganze zweite Schienenachse hätte man sich sparen können, wenn man die bestehende Bim in der Innenstadt unterirdisch führen würde. Man könnte die Kapazität auf einen Schlag verdoppeln – und auch die Mühlkreisbahn könnte bequem bis zum Hauptpbahnhof zischen. Keine Stadt der Welt käme heute zudem noch auf die Idee, eine Straßenbahn durch die wichtigste Einkaufsstraße der City oberirdisch zu führen – außer Gmunden vielleicht.
Apropos Mühlkreisbahn: Auch ihre Zukunft hängt eng mit der neuen (Eisenbahn)Brücke zusammen. Obwohl in wenigen Monaten zu bauen begonnen werden soll, weiß bis heute keiner, ob und wie diese wichtige Pendlerbahn in den Donauübergang eingebunden wird. Ganz nebenbei fährt die Mühlkreisbahn im Jahr 2015 immer noch mit Dieselloks bis nach Aigen/Schlägl. Baustellen über Baustellen.
Vielleicht greift diese Kritik zu kurz – und der Linzer Zentralraum denkt den Verkehr einfach anders? Darum kommt man wohl auch komplett ohne Park-and-Ride-Anlagen und einem S-Bahn-System aus. Die erste ernstzunehmende derartige Einrichtung enststeht derzeit an der Trauner Kreuzung. In Summe ging aber bis heute – außer ein paar Ankündigungen – wenig bis nichts weiter.
Ein gutes Beispiel für die Schwerpunkte und die Wertigkeit des Verkehrs in Linz: 2009 investierte man ohne mit der Wimper zu zucken 40 Millionen Euro in die Verlängerung der Pöstlingbergbahn auf den Hauptplatz, um die endlosen Touristenströme (hinauf) und die Heerscharen von Pöstlingberg-Einpendlern (herunter) bewältigen zu können. Genauso viel kostet übrigens ein neuer Donauübergang, über dessen Kosten heute noch gestritten wird.
Man dachte wahrscheinlich, dass nach der Wahl eh einmal sechs Jahre Ruhe ist und die Leute ein bissl Chaos schon aushalten. Natürlich halten sie es aus. Aber um welchen Preis? „Die Verkehrsteilnehmer werden sich auf die neuen Verhältnisse einstellen“ heißt es. Ja, das mag wohl stimmen. „Einstellen“ heißt aber nichts anderes wie ändern oder umstellen. Viele fahren mit dem Auto halt dann eine halbe Stunde früher weg oder steigen auf Öffis um, was den Weg in die Arbeit teilweise extrem verlängert – (Frei-)Zeit, die jedem fehlt, aber von niemanden abgegolten wird.
Klar: Es gibt auch positive Beispiele, wie die Straßenbahn-Verlängerung nach Traun, die Autobahn-Untertunnelung am Bindermichl oder die Einführung der Nacht-Bim. In Summe ist das alles aber Stückwerk. Stadt und Land OÖ widmeten sich in den letzten 20 Jahren viel lieber um die Kultur und die Bildung. Sensationell, wie einträchtig und mühelos selbst kostenintensive Projekte wie Musiktheater, AEC, Lentos, Bruckneruni oder die neue Medizin-Uni beschlossen und finanziert wurden. Im Verkehr gibt es bestenfalls halbfertige Projekte. Davon aber jede Menge.