Die einen sehen in Waffenlieferungen und Aufrüstung das Gebot der Stunde, die anderen fordern sofortige Verhandlungen mit Russland, um dem Sterben auf beiden Seiten ein Ende zu bereiten. Nach einer Großdemonstration in Berlin mit Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer an der Spitze gab es nun auch in Linz eine erste große Veranstaltung, die sich für Frieden und Verhandlungen unter Mitwirkung eines neutralen Österreich einsetzte. Acht Organisationen, angeführt von der Solidarwerkstatt Österreich, waren mit dabei.
Das neutrale Österreich sei prädestiniert, sich auf diplomatischem Weg für Verhandlungen und eine Friedenslösung stark zu machen. Der – leider wohl sehr treffende – Wortlaut eines Demoschildes: „Die Waffen liefern die Reichen, die Armen liefern die Leichen.“
Sicherheitsinteressen und Urängste Russlands ernst nehmen
Der Friedensforscher Reiner Steinweg verurteilte bei den Stellungnahmen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands und die Drohungen, taktische Atomwaffen einzusetzen. Er plädierte aber auch dafür, russische Sicherheitsinteressen und Urängste vor einer geopolitischen Einkreisung ernst zu nehmen.
„Für den Zeitraum 1900 bis 2006 ist belegt, dass gewaltfreier Widerstand doppelt so oft erfolgreich war als militärischer.“
Friedensforscher Reiner Steinweg
Der Überfall Hitlerdeutschlands und der 2. Weltkrieg, der 24 Millionen Menschen der Sowjetunion das Leben kostete, seien noch sehr lebendig in der russischen Bevölkerung. Steinweg: „Das rechtfertigt selbstverständlich den russischen Angriffskrieg nicht, relativiert aber das oft kolportierte Bild der Russen als absolut böse und kriegslüstern.“ Außerdem wies Steinweg auf eine Studie hin, die für den Zeitraum 1900 bis 2006 belegt, dass gewaltfreier Widerstand doppelt so oft erfolgreich war als militärischer.
Forderung: Neutralität muss bleiben
Auch die Beibehaltung der von manchen in Frage gestellten Neutralität Österreichs sei wichtiger denn je, so die Veranstalter. „Sie ist nicht nur eine Grundlage für internationale Vermittlungsarbeit, sondern schützt auch die Menschen in Österreich davor, wieder in Kriege ziehen zu müssen.“
“Die Zukunft der Ukraine liegt nicht darin, ein Aufmarschgebiet imperialer Kräfte gegen Russland zu sein“
Boris Lechtaler / Solidarwerkstatt
Boris Lechthaler von der Solidarwerkstatt Österreich erinnerte zunächst an die Vielzahl völkerrechtswidriger Angriffskriege westlicher Großmächte im Rahmen des sog. „War on terror“. Lechthaler: „Die Missachtung des Gewaltverbots der Vereinten Nationen ist offenkundig kein Privileg des Westens.“
Seine Schlussfolgerung: „Die russischen Invasionstruppen müssen sich hinter die Linien des 24. Februar 2022 zurückziehen. Auf dieser Grundlage müssen Verhandlungen stattfinden. Freilich müssen russische Sicherheitsinteressen dabei ebenso berücksichtigt werden. Die Zukunft der Ukraine liegt nicht darin, ein Aufmarschgebiet imperialer Kräfte gegen Russland zu sein.“
Lechtalers Conclusio: „Ein gutes Leben für Alle, Solidarität, Anteilnahme, Klimagerechtigkeit können wir nur erreichen, wenn wir die Kriege beenden. Dafür muss sich das immerwährend neutrale Österreich engagieren.“