Obwohl er zweimal im Jahr steigt, wird der bereits seit 207 Jahren bestehende Urfahraner Jahrmarkt immer wieder herbeigesehnt, als ob’s der letzte wäre. Die Geschichte des ältesten Jahrmarkts Österreichs ist durchaus interessant: Vom Kalb mit drei Mäulern, einem Flohzirkus, der Bärenjungfrau, der Dame ohne Unterleib, Goldmenschen, Stabeisenbiegern, Bimbo, Astralweibern oder der „Dicken Mitzi, der Königin aller Kolossaldamen“ sah der im Mai 1817 ins Leben gerufene Markt schon so manche Kuriosität. Ein kurzer Rückblick.
Das Welser Volksfest gibt es „erst“ seit 1878, jenes in Ried seit 1867. Der Urfahraner Jahrmarkt stieg erstmals aber bereits im Mai 1817. Nach hartknäckigen Bitten der Gemeindevertretung bestätigte Kaiser Franz I. am 20. März 1817 der damals noch eigenständigen Gemeinde Urfahr das Privileg, zweimal im Jahr einen zwei Tage dauernden Jahrmarkt abzuhalten (mittlerweile dauert das Fest neun Tage).
Und so mancher trug seinen ersten Rausch vom nördlichen Donauufer mit nach Hause. Apropos Rausch: Erst 88 Jahre später – 1905 – wurde ein „Ansuchen um Aufstellung einer Bierhütte“ gestellt, 1911 war es dann so weit und das erste Bier floss am Urfix.
Zu wenig Bretter für Schaubuden
In den Kriegsjahren um 1916 stand der Markt sogar vor dem Aus: Der damalige Urfahraner Bürgermeister Hinsenkamp konnte nicht genügend Bretter für die Markthütten zur Verfügung stellen, zudem nahm die Prostitution („Dirnenwesen“) in den bereits damals schon sehr sündigen Zeiten überhand – inklusive entsprechender Beschwerden. Man unterstellte dem Traditionsmarkt einen „ungünstigen moralischen Einfluss“ und sorgte sich um die Jugend. Die Eingemeindung Urfahrs in Linz bedeutet dann vorläufig das Ende.
Exotische Darbietungen
Die Tradition erwies sich jedoch stärker und bereits 1923 fand wieder ein Jahrmarkt statt. Es war die große Zeit der Schausteller. Neben seltenen und exotischen Tieren führt man auch Menschen von außergewöhnlicher Gestalt vor: „Zwerge“, „Riesen“ und schwergewichtige „Kolossaldamen“ lockten die Massen in die düster beleuchteten Zelte.
265 Kilo schwere „Kolossaldame“
1940 gastierte „Schäfers Märchenstadt Liliput“, eine aus 50 kleinwüchisgen Menschen bestehende Truppe am Jahrmarkt, bis in die 1980er-Jahre gab es Auftritte des Pausenclowns „Klein Helmut“ sowie von „Bimbo“. Eine „Wucht in jeder Hinsicht war das Gastspiel von Mitzi, der „Königin der Kolossaldamen“, die 265 Kilo auf die Waage brachte und nur gegen Eintritt zu „besichtigen“ war.
Beim Weltmeister im „Lebendig begraben“-sein
Eine Besonderheit für sich waren die Buden mit Jugendverbot. Darin konnte man sich zum Beispiel das „Astralweib mit dem durchsichtig crystallisierten Körper“ ansehen, bei der allerdings lediglich die Kleidung durchsichtig war… bis in die 1970er-Jahre gab es Striptease-Buden, die vor allem die halbstarken Linzer anzog. In einem anderen Zelt konnte man durch ein kleines Fenster einen Blick auf „Ben Amalfo“ werfen – einem Fakir, der den Weltmeistertitel in der Disziplin „Lebendig begraben“ trug.
Mit dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein erneuter Einbruch. Erst gegen Ende der Besatzungszeit kam es mit der Errichtung der Messehalle zu einem neuen, wichtigen Impuls. Heute ist der Urfahraner Markt der größte Jahrmarkt Österreichs – und feiert 207. Jahr seines Bestehens.