Mehr Austropop-Urgestein geht nicht: STS-Gründungsmitglied Gert Steinbäcker wurde im letzten November 70. Jetzt war der Grazer bei Klassik am Dom zu Gast. Wilhelm Holzleitner im Gespräch mit der Austropop-Legende.
Gert Steinbäcker , im Vorjahr wurde Sie 70. Sind runde Zahlen etwas besonderes für Sie?
Nein, eigentlich nicht. Beeindruckt haben mich nur der 35. und jetzt der 70. Geburtstag. Mit 35 Jahren hat man die letzte Chance, noch mal den Jugendlichen vor dem Erwachsensein raushängen zu lassen. Und mit 70 ist es dann der Sprung vom Erwachsenen zum alten Mann (lacht).
Rund um den 70er im Vorjahr sprachen Sie von der „Abschiedstournee“.
Falsch: Es war keine „Abschiedstournee“, im Sinne von Bühnenabschied! Das Einzige, was ich mir nicht mehr antun will, ist das monatelange Herumtouren, das ich eigentlich seit 45 Jahren mache. Mit 70 darf man es schon ein bisschen ruhiger angehen. Weitere Auftritte und interessante Geschichten wird es mit mir aber sicher auch in Zukunft weiter geben. Und dass es die letzte Tournee ausgerechnet rund um den 70er gab, liegt an den vielen Pandemieverschiebungen, aber nicht am runden Geburtstag.
„Musik war und ist einer der wichtigsten Daseinsgründe für mich.“
Welche Rolle spielt die Musik heute in Ihrem Leben: schon mehr Neben- statt Hauptrolle?
Musik war und ist einer der wichtigsten Daseinsgründe für mich. Ich habe
mir damit auch ein sehr gutes Leben ermöglichen können.
Die Geschichte von STS war duchaus sehr wechselhaft. Mal zusammen, dann gab es wieder Soloprojekte, ehe man wieder zusammenfand. Jetzt ruht das Projekt STS schon länger.
Der Hauptgrund ist: Wir sind alle älter geworden, der eine oder andere hat ge- sundheitliche Probleme, da muss man leisertreten. Ich bin mit 70 der Jüngs- te von uns dreien, mit geht’s Gott sei Dank ganz gut. Der Timi zu Beispiel (Günter Timischl, Anm.) wollte mich auf der derzeitigen Tour sogar begleiten. Er hat aber Lungenprobleme und wollte wegen der ganzen Corona- Geschichte kein Risiko eingehen.
„Ich hatte ein hervorragendes Leben und hoffe, dass das noch viele Jahre so funktioniert.“
Mit 70 darf man schon mal einen Blick zurück auf sein Leben wagen. Wie geht’s Ihnen dabei?
Ich habe weder was versäumt, noch bin ich mit irgendetwas unzufrieden. Ich hatte ein hervorragendes Leben und hoffe, dass das noch viele Jahre so funktioniert.
Sie leben jetzt schon geraume Zeit in Griechenland, kommen aber immer wieder für längere Abschnitte zurück. Weihen Sie uns doch mal ein in Ihren Alltag.
Der Alltag in Griechenland ist derselbe wie hier – außer dass ich dort aufs Meer schauen kann, ein kleines Boot habe und ich die mediterrane Umgebung über alles liebe. Ich bin vier bis sechs Monate in Griechenland – und das im Frühjahr und im Herbst. Der Hochsommer geht für mich wegen der vielen Touristen nicht und der Winter ist unten fad, da bin ich lieber in Österreich.
Also findet die Liedtextzeile „Und irgendwaun bleib i daun durt“ niemals eine Erfüllung?
Songtexte sind Ideen, die oft zur Lüge abgleiten (lacht). Aber es stimmt: Ich habe nicht vor, diesen seit 36 Jahren beibehaltenen Rhythmus zu ändern. Ich habe da wie dort Freunde. Und über die Entfernung zwischen Österreich und der Insel Patmos würde wohl jeder Amerikaner lachen, manche fliegen so eine Strecke täglich zur Arbeit.
Und wie schaut’s mit der griechischen Sprache aus? Xereis na milas ellinika?
Griechisch ist eine sehr schwere Sprache, es geht sehr viel mit Englisch, der Mensch wählt halt sehr gerne den einfacheren Weg. Aber ich kann mich behelfsmäßig auch auf Griechisch verständigen.
„Ich war auch nie in meinem Leben ein klassischer Musikant, ich habe viel lieber geschrieben.“
Ich stelle mir gerade vor, dass Sie am Abend, dort in der urigen Taverne sitzend, gerne auch mal die Gitarre auspacken und ein paar Lieder zum Besten geben.
Es gibt sicher Menschen, die das gerne tun. Ich zähle mich nicht dazu. Ich war auch nie in meinem Leben ein klassischer Musikant, ich habe viel lieber geschrieben.
Der Schreibende ist doch eher der Ruhige, Introvertierte. Wie passt das mit den Soloauftritten auf so großen Bühnen wie etwa auf Burg Clam zusammen?
Das hat schon auch alles seinen Reiz, aber ich habe kein Problem damit, ein halbes Jahr oder länger auf keiner Bühne zu stehen.
STS, Wilfried, Opus, EAV, jetzt Pizzera & Jaus oder Andreas Gabalier: Die Steiermark ist eine der Wiegen des Austropop. Wie gefällt Ihnen denn die Entwicklung des Austropop seit den damaligen Anfängen?
Das sind alles würdige Nachfolger, wobei Seiler & Speer und Pizzera & Jaus für mich die Linie der Alten weiterführen. Auf der anderen Seite gibt es diese Schiene mit Wanda und Bilderbuch, die eher in die Richtung tendieren, die damals der Hansi Hölzl eingeschlagen hat. Beide Stile sind auf enem sehr guten Weg, das passt.
„Es gibt natürlich auch viel Mist, aber gute Lieder haben einfach eine Urkraft, die Generationen überstehen.“
Österreich ist ein kleines Land mit einer sehr großen Musikerfamilie, die sich kennt. Was auffällt: Total viele Junge springen auf die alten Hadern an und verehren ihre Vertreter.
Es gibt natürlich auch viel Mist, aber gute Lieder haben einfach eine Urkraft, die Generationen überstehen. Die Vertreter spielen dabei eine Nebenrolle.
Die aktuelle Krise, die jeder von uns spürt: Wie geht’s Ihnen damit?
Die Grundstimmung ist derzeit fürchterlich. Wir hatten davor echtes Glück und die beste Zeit, die es gab – mit über 50 Jahren ohne Krieg in Europa. Wenn sich nach der Ukraine-Krise die Klimakrise fortsetzt, nimmt das kein Ende. Mit dieser drückenden Gesamtstimmung, bei der keine Ende abzusehen ist, habe ich ein echtes Problem.
„Jetzt kommen viele Leute ans Ruder, die der Sache einfach nicht gewachsen sind.“
Auch aufgrund der politischen Situation und vieler Fehlentscheidungen ist die Stimmung am Boden.
EZB-Chefin Christine Lagarde hat kürzlich in einem Interview gesagt: „Ein intelligenter Mensch würde heute nicht mehr in die Politik gehen.“ Jetzt kommen viele Leute ans Ruder, die der Sache einfach nicht gewachsen sind. Es liegt tatsächlich an den ausführenden Personen. Ich wurde unter Bruno Kreisky sozialisiert und hatte davon her auch immer eine Tendenz zur Sozialdemokratie. Aber wenn ich mir die heutigen Hauptdarsteller anschaue, hat das nichts mehr mit der damaligen Generation zu tun. Früher dachte man noch an die Leute und vielleicht erst in zweiter Linie an den eigenen Vorteil, heute ist es umgekehrt. Und das ist leider in allen anderen Ländern auch so.
Juckt es Sie nicht, ein paar neue politische Nummern zu schreiben und dagegenzuhalten?
Das Mittel des Liedes greift da nicht mehr. Man konnte immer Stimmungen und Strömungen verstärken, aber noch nie in der Geschichte hat ein Song eine Entwicklung umdrehen können.
„Wählen ist die einzige Möglichkeit – auf jeden Fall die bessere als Singen.“
Okay: Wählen hilft nix, Singen offensichtlich auch nichts. Was sonst?
Wählen würde schon helfen, wenn man jemanden hätte, der das Richtige zu- sammenbringt. Wählen ist die einzige Möglichkeit – auf jeden Fall die bessere als Singen.
Gibt es trotzdem etwas, das uns positiv in die Zukunft schauen lassen sollte?
Die Zeichen der Zeit weisen nicht darauf hin, aber das kann sich auch wieder ganz schnell ändern. Ich persönlich bin aber trotzdem ein grundsätzlich positiver Mensch.
„Stundenlang auf Twitter oder Facebook: Mir persönlich wäre das zu blöd.“
Wie gehen Sie persönlich mit sozialen Medien um?
Gar nicht. Was sich manche durch stundenlanges Twittern oder auf Facebook an Zeit nehmen: Mir persönlich wäre das zu blöd.
Foto: Manfred Werner (Tsui) • CC BY-SA 3.0