Dass für einen Bürgermeister der Hauptplatz das liebste Fleckchen der Stadt ist, überrascht nicht. Noch dazu, wo es hier viele lauschige Gastgärten hat und der Stadtcapo sich gerne dem Kaffeegenuss hingibt. Auch wir landeten hier – nach einem ausgedehnten Stadtspaziergang mit dem ‚Ober-Linzer‘ Klaus Luger.
„Bevor ich im Wald im Mühlviertel herumwandere, bummle ich hundertmal lieber durch die Stadt“, sagt Bürgermeister Klaus Luger auf meine Frage, wohin unser Spaziergang führen soll. „Ich bin ein absolutes Stadtkind und bleibe das auch mein ganzes Leben lang.“ Sein Wunsch sei mir Befehl: Wir treffen uns in Lugers Büro. Der Stadtchef verabschiedet noch schnell seinen Besuch – OMV-Boss Gerhard Roiss – und wir brechen auf. Luger ist ganz in Schwarz gekleidet, wirkt fit, drahtig und ja, fast ein wenig staatsmännisch.
Unser Weg startet am Hauptplatz – ein Ort, den Luger ganz besonders mag: „Nicht nur weil das Rathaus hier steht.“ Es ist die Form, das historische Ambiente. Gerade im Sommer tauscht Luger das Büro gern für eine Viertelstunde gegen einen Platz im Gastgarten, um hier einen Outdoor-Kaffee zu nehmen. Dazu ist es heute leider zu frisch. Wir schlendern Richtung Altstadt, die Klaus Luger zu Unrecht in der Kritik sieht: „Vor 20, 30 Jahren war der Stadtteil hier verwaist und noch nicht im Blickpunkt, darum fällt es heute viel mehr auf, wenn mal etwas passiert.“
Aber auch der Donaupark zwischen Brucknerhaus und Lentos gehört zu Lugers Lieblingsplätzen in der Stadt. Und weiter unten – die Eisenbahnbrücke, die er abreißen lassen will? Wäre das ein Problem, wenn unser Spaziergang dort hinüberführt – womöglich gar noch mit einem Fototermin vor der ‚Alten Dame‘? „Nein überhaupt nicht, ich benutze die Brücke selber sehr oft, etwa beim Joggen.“ Luger sagt, er versteht auch das Anliegen der ‚Brückenretter“. „Aber wenn einer dafür ist und einer dagegen, muss einmal eine Entscheidung fallen – und das hat der Gemeinderat getan.“
Weiter geht‘s Richtung ÖVP-dominiertes Landhaus. Ein vorbeihuschender Weinhändler verwickelt Luger in ein kurzes Gespräch, das er mit einem knappen „Bis bald“ beendet. Wir stehen im Arkadenhof des Landhauses. Ob das Gebäude besondere Gefühle auslöst? „Ja aber keine negativen. Das Verhältnis zwischen Stadt und Land hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Wir ziehen in wesentlichen Fragen an einem Strang.“ Auf Stadtebene gibt‘s hingegen ein erstes raues Lüfterl zu spüren: „Völlig klar, dass in einem Wahljahr der Ton etwas schroffer wird“, bleibt Luger auch bei diesem Thema sehr staatsmännisch. Aber wer Klaus Luger kennt, weiß: Der Mann streitet nicht gerne. „Inhaltlich kann ich sehr wohl meine Krallen ausfahren, aber auf die persönliche Ebene lass‘ ich mich nicht ein. Nur weil jemand eine andere Meinung hat, ist der eine nicht blöder und der andere nicht schlauer.“
Wir passieren die Alte Metzgerei in der Herrenstraße, für Luger ein Heimspiel: Durch die großen Schaufenster grüßen ihn die Lokalgäste mit offener Herzlichkeit. Die Einladung auf ein Glaserl schlagen wir aus. Da denkt man natürlich gleich an Privilegien, die ein Bürgermeister ja zuhauf haben müsste, oder? „Es gibt schon Situationen, wo mir der Bürgermeister-Bonus bewusst ist. Vermutlich warte ich auf einen Arzttermin weniger lang als andere, obwohl ich das gar nicht will.“ Für Luger ist das aber weniger ein Privileg, sondern vielmehr der Wertschätzung dem Bürgermeister-Amt gegenüber geschuldet: „Diese politische Funktion ist eine der wenigen, die noch wirkliches Ansehen und Respekt genießt.“ Fast als Bestätigung dieser Aussage muss Luger auf der Landstraße, in die wir gerade eingebogen sind, im Fünfsekunden-Takt zurückgrüßen. Privilegien im klassischen Sinn ortet Luger aber keine: „Es wäre auch völlig unangebracht. Wir verdienen genug, um wie jeder andere auch alles ganz normal zu bezahlen.“
Viele Bauten wie das Musiktheater, Lentos oder AEC prägen die Gegend rund um die Landstraße. Fußspuren von Lugers Vorgänger Franz Dobusch. Und was von soll Ihnen mal bleiben, Herr Luger? „Ich denke gar nicht so sehr an Bauten und Fußspuren. Ich bin schon sehr zufrieden, wenn ich am Ende eine gute Nachred‘ habe.“ Stimmt, die hat Dobusch trotz allem nicht. Stichwort Swap.
Apropos Dobusch: Obwohl ich es mir vorgenommen haben, kommen wir auch über ein Jahr nach seiner Abdankung nicht an ihm vorbei. Wie ist das denn nun mit dem angeblich so ‚eisigen‘ Verhältnis zum Ex? „Ich muss immer schmunzeln, wenn ich das lese. Wir gehen ganz normal miteinander um. Was ich Dobusch sehr hoch anrechne: dass er seine Aussage einhält, sich nicht mehr in die Tagespolitik einzumischen. Daraus abzuleiten, wir hätten uns nichts zu sagen, ist Blödsinn.“
Als Bürgermeister ist man es gewohnt, aber mir als „Normalsterblichem“ wird die Grüßerei schön langsam unangenehm. Keine Gefahr, abzuheben, wenn man ständig von allen Seiten hofiert wird? „Ich habe ein relativ gutes, ehrliches Beziehungsgeflecht um mich – beruflich wie privat. Meine Frau etwa ist meine größte Kritikerin.“ Auch auf die Meinung seiner direkten Mitarbeiter legt Luger höchsten Wert: „Ja-Sager halte ich überhaupt nicht aus, das weiß jeder, der mich besser kennt.“
Finale. Wir nähern uns wieder dem Hauptplatz – und man könnte fast meinen, Lugers Schritt wird flotter, je näher es an sein Linzer Lieblingsplatzerl zurückgeht. Erleichtert, dass es vorbei ist? „Keineswegs. Richtig erleichtert, dass ich etwas hinter mir habe, war ich heuer nur einmal: nach meiner Swap-Aussage beim Handelsgericht Wien. Das war der schwierigste berufliche Termin meines Lebens, weil ich gewusst habe, was auf dem Spiel steht: 420 Millionen Euro. Da ist die Anspannung enorm.“ Der abschließende Kaffee am Hauptplatz schaffte Gott sei Dank Abhilfe.