Der Linzer Alexander Sperr ist jener Mann, der Ende der 1980er-Jahre fast der erste österreichische England-Legionär geworden wäre. Der 8-Millionen-Schilling-Transfer zu Aston Villa scheiterte an einer lächerlichen Klausel. Allerhöchste Zeit für eine Plauderei über Fußball, LASK, SK VOEST, Gott und die Welt:
Mit 17 Jahren debütiert das als „Eisenfuß“ gefürchtete Ausnahmetalent in der Bundesliga beim SK VOEST, zusätzlich stand er als Kapitän des U21-Teams seinen Mann. Den Sprung nach England zum Top-Klub Aston Villa verhinderte damals die britische Spielergewerkschaft. Heute betreut Alexander Sperr als Spielerberater circa 15 Fußballer, darunter einige Top-Kicker – allen voran Raphael Holzhauser (Austria Wien) und Philipp Schobesberger (Rapid Wien).
Alex oder Axel – in vielen alten Zeitungsausschnitten kommen beide Schreibweisen vor. Was hat’s damit auf sich?
Der damalige Keine-Sportredakteur Gerhard Allerstorfer hat bei den Spielberichten immer wieder ‚Axel‘ statt Alex geschrieben, das ist dann natürlich bei den Leuten in den Köpfen hängengeblieben. Mir taugt beides.
Spielervermittler – eigentlich ein Job, der nicht den allerbesten Ruf hat. Viele sagen, dabei gehts nur ums Geld, schon bei den ganz jungen Spielern.
Das kommt hauptsächlich von den Eltern, die sind alle vom Fernsehen und den dort genannten Summen geblendet. Noch lange vor dem Sportlichen fragen Väter bereits nach dem Geld. Heute will jeder schon mit 16 ins Ausland, nach England, Deutschland, zu Schalke, Bayern oder Dortmund.90 Prozent davon kommen aber sehr schnell wieder zurück, weil 16 einfach zu früh ist. Die Jungen sollten sich erst mal bei unseren Top-Klubs durchsetzen, bevor ihre Väter vom großen Geld träumen. Richtig gute Kicker haben so etwas auch gar nicht nötig. Die Väter von Philipp Schobesberger oder Raphael Holzhauser kenne ich zum Beispiel nicht mal.
Machen wir einen Zeitsprung. Wie war das damals mit Deinem verhinderten England-Transfer?
Ich war 1989 wie gewohnt beim Training in der VOEST am dortigen legendären Schlacke-Trainingsplatz. Danach holte mich mein Trainer Ferdinand Milanovich ins Büro: ,Langer, kannst dir vorstellen, dass’d ins Ausland gehst?‘, hat er mich gefragt. Ich hab gesagt, ‚Sag’ns mir, wo ich hin soll, ich steig‘ sofort in den Flieger.‘
Und wie ging das weiter?
,Aston Villa will dich‘ hat der Milo gesagt. Der britische Verein war damals einer der renommiertesten Klubs in England. Acht Millionen Schilling wollen sie für mich zahlen, hat’s geheißen. Das hat mich fast umgehaut, weil das war damals eine enorme Summe.
Dann bist Du zum Probetraining auf die Insel geflogen.
Ja, von Managern oder Spielervermittlern keine Spur. Ganz alleine bin ich in England am Tisch gesessen und habe mit Graham Taylor, der später englischer Teamchef wurde, über den Vertrag gesprochen. Berater und Manager gab es damals noch kaum, der Profi-Fußball war eine richtig wilde Zunft. Da wurde verhandelt, als ob man ein neues Auto kauft. Wir waren uns ziemlich schnell einig, mir wurde ein Vertrag für fünf Jahre vorgelegt. Mein Probetraining sprach sich schnell herum, am nächsten Tag stieg das Heimspiel gegen Wimbledon. Ich ging unterhalb des Fanblocks vorbei und ein paar tausend Leute riefen zu mir runter ‚Sign up, sign up!‘, das war Gänsehaut pur.

Und trotzdem wurde es nix mit dem Transfer nach England.
Der Wechsel zerschlug sich, obwohl sie mich unbedingt wollten: Ausländer waren nur erwünscht, wenn sie zumindest ein Länderspiel für ihr Land absolviert haben. Ich war zwar dreimal im Teamkader auf Abruf dabei und spielte oft als U21-Teamkapitän, das war aber zu wenig. Eine Minute Teameinsatz hätte gereicht. Teamchef Hickersberger hat damals aber immer den Schöttel vorgezogen und mir keine Chance gegeben.
Gab es andere Anfragen auch?
Was keiner weiß: Im Sommer darauf wurde ich von Borussia Dortmund zu einem Probetraining eingeladen. Mill, Zorc, Rummenigge, das war eine Riesentruppe. Wir österreichischen Kicker haben die Deutschen damals aber richtiggehend gehasst. Ich hab unter Coach Horst Köppl ein Probetraining gemacht, er war begeistert, meinte aber, ich soll noch weitere drei Tage zum Training dableiben. Ich hab‘ selbstbewusst gesagt ‚Nein, ich bin U-21-Teamkapitän von Österreich‘ und bin abgereist. Auch damals war kein Berater mit dabei, sonst wäre das wohl anders ausgegangen.
Dann bist Du doch in Österreich geblieben.
Ja, die Wiener Austria wollte mich. Vereins-Boss Joschi Walter hat in der Halbzeitpause am Stehtisch auf einer Papierserviette einen möglichen Vertrag zusammengeschrieben, das fand ich respektlos. 12.000 Schilling netto, 3.000 Schilling pro Punkt. Ich habe die Serviette zusammengefaltet und gesagt, ich meld‘ mich. Ich bin dann aber bei der Admira statt der Austria gelandet.
Warum gerade die „graue Maus“ Admira?
Der Klub war damals gar nicht so grau und hat sich extrem um mich bemüht, Admira zu der Zeit eine richtig große Nummer, hat immer um den Titel mitgespielt und startete jedes Jahr in einem internationalen Bewerb. Das Fixum betrug dort zudem das Dreifache: 35.000 statt 12.000 Schilling, eine Million netto pro Jahr, eine unglaubliche Summe. Und die Mannschaft mit Rodax, Knaller, Kern war eine richtig geile Truppe.

1991 dann der schlimme Unfall. Weißt Du alles noch genau, wie das ablief?
Zuvor hatte ich schon mehrere Verletzungen und Kreuzbandrisse, ich wusste: Lange geht das mit dem Knie sowieso nicht mehr gut. Nach einer dieser Verletzungen war ich wieder mal mit Reha-Übungen in Wels beschäftigt. Dabei bin ich mit einer 100-Kilo-Hantel im Genick so unglücklich über eine Langbank gestürzt, dass das Gewicht der Hantel den elften und zwölften Brustwirbel zertrümmerte. Ich bin am Boden gelegen, habe aus Panik geschrien und sofort bemerkt, dass ich meine Beine nicht mehr spüre. Drei Stunden hab‘ ich wegen des dichten Verkehrs auf eine Rettung warten müssen, weil der einzige Hubschrauber bei einem Verkehrsunfall war, das waren endlose Stunden.
Und stellst Du dir heute noch öfters die Frage ‚Was, wenn das alles nicht passiert wäre‘ – oder machst Du dir Vorwürfe?
Nein. Das hätte nichts gebracht, man muss nach vorne schauen. In den ersten Tagen war ich noch mit Medikamenten vollgepumpt und habe alles noch nicht so richtig realisiert. Ich dachte, okay, kicken geht nicht mehr, aber Schifahren und solche Sachen werden kein Problem sein. Es dauerte nur eine Woche, bis ich meine Verletzung dann akzeptierte und mein neues Leben annahm. Was mich am meisten erschreckt hat, war der schnelle Muskelabbau in den Beinen, nach drei Tagen war fast alles weg.
Dann bist Du aber doch beim Fußball hängengeblieben. Wie kam das?
Irgendwann kam eine Anfrage von Life Radio, ob ich mit Ernst Hausleitner bei OÖ Vision eine Sportsendung moderieren möchte. Das war damals eine Riesengaude. Irgendwann hat mich der Jürgen Werner angeredet, ob ich beim SK VOEST den Jugendleiter machen will, das habe ich dann auch ein paar Monate gemacht. Als sich der Jürgen dann als Spielervermittler selbstständig gemacht hat, hat er mich gefragt, ob mich das auch interessiert, das war mein Einstieg in die Branche. Ich hab mich dann abgekapselt und selbstständig gemacht.
Apropos Jürgen Werner – er ist ja auch beim LASK angestückelt. Wie gefällt Dir das Projekt dort?
Sie machen beim LASK vieles richtig und ziemlich gut. Was mir fehlt, sind die Investitionen in die Akademie. Dort werden fast nur Spieler für die Regionalliga produziert. Unser Einzugsgebiet ist riesig und es kommt fast nichts heraus. Leider dürften da zu viele Interessen von Einzelpersonen, Politik und Jobs wichtiger sein. Wenn man zurückschaut, was für einen Mörder-Nachwuchs die VOEST damals gehabt hat, ist das kein Vergleich. Die SK VOEST U21 und das Leistungszentrum haben über Jahre alles in Österreich niedergebügelt.
Warum schaffen es heute so wenige Kicker ganz nach oben?
Die Realität ist: Vielen ist alles andere wichtiger als der Fußball. Jeder hat schöne dicke Kopfhörer, ist tätowiert, hat Instagram und Snapchat. Manchen Spielern gefällt es mehr, wenn sie 40.000 Instagram-Follower haben, als dass 5.000 Zuschauer im Stadion sind und ihren Namen schreien. Viele vergessen, dass aber zuerst das harte Training kommt. Viele junge Kicker glauben, dass einer wie Ronaldo nur schön ist und dadurch alles von selber kommt. Die hunderten Stunden Training und die vielen Extra-Einheiten sieht aber keiner. Ronaldo kommt zwei Stunden vor allen anderen zum Training kommt und geht erst zwei Stunden nach dem Letzten heim. Heute wollen alle schon mit 16 so wie Ronaldo aussehen und spielen, aber nichts dafür tun. Es reicht nicht, modisch top zu sein und ein paar tausend Likes oder Follower zu haben.
Themenwechsel: Die Linzer Fußballfusion zwischen LASK und SK VOEST jährt sich 2022 zum 25. Mal. Wie siehst Du diese Geschichte im Rückblick?
Die Fusion war der größte Schwachsinn, den man hat machen können. Die Region verträgt zwei Vereine, wie man jetzt auch sieht. Als alter VOESTler würde ich mir wünschen, dass wir einen zweiten starken Klub in Linz haben, gerne auch so wie jetzt eine Klasse tiefer.
Wird sich der LASK jemals mit Rapid, Austria oder Red Bull Salzburg nicht nur sportlich, sondern auch vom Umfeld je messen können?
Hut ab vor dem LASK, auch wenn ich mich als alter VOESTler nie richtig für die Schwarz-Weißen habe begeistern können. Das neue Stadion wird einen Riesenschub bringen, denn der LASK hat erkannt, dass man nicht nur in Beine, sondern auch in Steine, also Infrastruktur, investieren muss. Im neuen Stadion wird’s mit Sicherheit eine Schnitt von 12.000-13.000 Zuschauern geben.
Trotz Deines internationalen Jobs bist Du in Linz hängengeblieben. Warum?
Linz ist von seiner Größe und Lage eine perfekte, sichere Stadt, man ist in zehn Minuten überall. Und die paar Probleme, die es da und dort gibt, hat jede andere Stadt auch, allerdings viel ärger als bei uns.