Sie erinnern an ein kleines Dörfchen aus den 20er-Jahren: die verwaisten, denkmalgeschützten Häuser in der Sintstraße im Hafenviertel. „Dieses Stück Gartenstadt ist zeitlos und muss einfach weitergebaut werden“, fordert Stadtentwickler Lorenz Potocnik.
A chitekt dieser von 1927-1931 errichteten Hafenarbeiter-Siedlung war der legendäre Stadtbaudirektor Curt Kühne. Das „Rote Linz“ verfolgte damals die Idee einer Gartenstadt – eher kleine, schmucklose Wohnhäuser mit viel Grünraum als Treffpunkt und Kommunikationsraum, die sich an englische und Wiener Vorbilder anlehnte. 18 zweigeschoßige, freistehende Häuser auf einem knapp 16.000 Quadratmeter großen Grundstück mit einer parkähnlichen Grünanlage als Zentrum. 144 Wohnungen befanden sich hier, ehe viele davon zu größeren Einheiten zusammengelegt wurden.
Denkmalschutz statt Abrissbirne
Heute sind es nur mehr eine Handvoll Mieter, die eisern die Stellung halten: „Eigentlich wollen wir hier nicht weg“, sagt eine der letzten verbliebenen Bewohnerinnen. Ein anderer Mieter schlurft verloren in der fast endlosen Grünfläche zwischen den Häusern umher. Wir wollen ins Haus kommen und ein paar Fotos machen… er würde uns ja auch gerne hereinbitten – „ich darf aber nicht, der GWG wäre das nicht recht.“ Die große, rot gefärbte Linzer Wohnbaugenossenschaft ist Eigentümerin der Liegenschaft – und scheint heillos überfordert mit der weiteren Verwendung der Arbeitersiedlung, darum hat man dort auch keine große Freude mit allzuviel Presse-Trara. Zudem wurde ein klassischer Abriss samt GWG-üblicher dichter Neuverbauung unmöglich gemacht, weil ein Grüppchen rund um Stadtentwickler und Architekt Lorenz Potocnik etwas dagegen hatten.
Konsequent kämpften sie dafür, das gesamte Ensemble der Sintstraße unter Denkmalschutz zu stellen: „Linz war in den 1920ern dank Curt Kühne in Sachen Wohnbau ganz weit vorne, nahezu Avantgarde. Man wollte den vielen armen Menschen eine gesündere und günstigere Wohnsituation zur Verfügung stellen. Dieses Zusammenspiel von Wohnen, Grünraum, Luft und Licht mitten in der Stadt ist auch international beachtenswert: „Wegreißen wäre das Leichteste. Dagegen wollen wir den Charakter und die Seele erhalten und mit Einbindung der ursprünglichen Idee Curt Kühnes weiterbauen“, sagt Potocnik.
Damals unvorstellbarer Komfort: In jedem der 100 Quadratmeter großen Etagen waren vier Wohnungen untergebracht, in denen jeweils eine Familie wohnte, zwei Parteien teilten sich ein WC am Gang. Die großen Grünflächen entschädigten die aus heutiger Sicht engen Wohnungen mit viel Licht, Luft und natürlichem Freiraum.
Wohnraum für 70 Jungfamilien
Aber nicht nur die GWG, auch die Stadt Linz scheint mit dem Projekt überfordert: Seit Jahren ist der Häuserverbund dem Verfall preisgegeben. Die SPÖ-Idee, eines der Gebäude als Proberäume für junge Bands zu nutzen, kann nur als müder Wahlkampfgag verstanden werden.
Potocnik und viele Mitstreiter haben eine ganz andere Idee: „Mit Gespür ein wenig verdichten, sanieren und so für Jungfamilien öffnen. Man stelle sich vor – 70 Familien weniger, die aus Linz wegziehen und wertvollen Grünraum und Ressourcen am Stadtrand verbauen und in Folge mit je zwei Autos einpendeln müssen.“
Wie es weitergeht? Das Projekt hängt seit vielen Jahren in der Warteschleife, „weil es im normalen Verwaltungsmodus nicht zu lösen ist“, sagt Potocnik. „Schön langsam muss die Stadt erkennen, dass wir eine außerordentliche Vorgehensweise brauchen. Ein Vorschlag wäre, das Areal – zu einem Fixpreis, aber gekoppelt an qualitative Kriterien – an die besten Entwickler, vielleicht eine Baugruppe, zu verkaufen, um so die Idee der Gartenstadt weiterzuentwickeln.
Alarmglocken in Ebelsberg
Auch beim Mega-Wohnbauprojekt Kaserne Ebelsberg schrillen bei Potocnik die Alarmglocken: „Leider wird schon wieder nur von der Anzahl der Wohnungen gesprochen und auf medialen Zuruf über Nutzungen fantasiert, anstatt die enormen Möglichkeiten zu erkennen. Dort entsteht eine City von der Größe Grieskirchens – eine Riesenchance, die am besten Weg ist, vertan zu werden.“
Die Hoffnung hat Potocnik aber nicht aufgegeben: „Man muss sich das mal vorstellen: Was für eine schöne Geschichte wäre das, die Idee Kühnes aus den 1920er-Jahren weiterzuführen und in die heutige Zeit zu transferieren. Dafür braucht es nur den Mut und die Vision für neue Lösungen.“