Ausgerechnet die Verkehrshölle Salzburger Straße als zukunftsträchtiges Stadtentwicklungsprojekt? Eine “Sehnsucht nach öffentlichem Raum” ortet Architekt Andreas Kleboth, der die Neupositionierung der vielbefahrenen Einzugsstraße maßgeblich vorantreibt und aus ihr ein “Tor nach Linz” machen will. Gemeinsam mit der Stadt Linz strebt das Mitglied der städtebaulichen Kommission eine visionäre Aufwertung des Linzer Südens an – inklusive eines spektakulären Twin Towers und einer unterirdischen „Stadtverbindung“:
Mit 36.000 Autos pro Tag ist die wenig einladende Salzburger Straße eine der Hauptverkehrsachsen im Linzer Süden. Sie ist aber auch Heimat von über 10.000 Menschen, die dort wohnen. Jetzt könnte die Salzburger Straße eine Aufwertung erfahren – zumindest, wenn es nach den Visionen von Architekt Andreas Kleboth geht, der gleichzeitig Mitglied der städtebaulichen Kommission ist. Der LINZA plauderte nach einem breit aufgesetzten kooperativen Verfahren mit dem Stadtentwickler.
Andreas Kleboth – ausgerechnet die Salzburger Straße mit 36.000 durchfahrenden Autos täglich soll das Zeug zum „Tor nach Linz“ haben. Wie kommt man nur auf so eine Idee?
Es ist schon interessant, dass wir beim Verkehr immer so tun, als wäre dieser ein Fixum und unveränderbar. Aber es ist irgendwie auch nachvollziehbar: Wir verbinden den Verkehr meist nur mit etwas Negativem und zeigen keinerlei Bestreben, das Thema richtig einzuordnen, um so zu erkennen, dass man auch in eine Straße eine gewisse Eleganz und Lebensqualität hineinbringen kann.
„Die Vision sollte sein, dass der Salzburger Straße in absehbarer Zeit ein hoher Grad an Aufenthalts-, aber auch repräsentativer Qualitäten zugeschrieben wird.“
Eleganz und Lebensqualität – wie soll das in der autobahnartigen Salzburger Straße zusammengehen?
Ein Beispiel: Die Salzburger Straße ist in etwa so breit wie der Champs Elysee. Letzterer ist eine Prachtstraße. Niemand, der schon einmal in Paris war, erinnert sich an den enormen Verkehr, sondern an die Sehenswürdigkeiten, an die Geschäfte, an die Urbanität und an den Flair dieses Ortes. Der Straßenraum in der Salzburger muss – wie er sich jetzt darstellt – nicht so bleiben. Trotz hoher Verkehrsfrequenz kann er an Qualität gewinnen und eine begehrte Adresse werden. Die Vision sollte sein, dass der Salzburger Straße in absehbarer Zeit ein hoher Grad an Aufenthalts-, aber auch repräsentativer Qualitäten zugeschrieben wird. Das hinzubekommen, ist eine sehr spannende, aber lösbare Aufgabe.
Dennoch: Beim Begriff „Tor nach Linz“ denkt man eher an die Wiener Straße oder an die Hauptstraße in Urfahr, aber nicht an die autobahnartige Salzburger Straße.
Es leben dort auch mehr als 10.000 Menschen, für die es eine Qualität braucht – ebenso für die vielen tausend Autofahrer, für die das Ziel sein muss, dass sie nicht durchfahren, sondern auch ganz bewusst hierherkommen.
Im Rahmen eines kooperativen Verfahrens wurde die künftige Gestaltung der Salzburger Straße vorangetrieben. Welche konkreten Eckpunkte wurden denn erarbeitet, was kann oder soll baulich an der Salzburger Straße passieren?
Die große Aufgabe ist, den Straßenraum als Ganzes attraktiver zu machen. So könnten Teile der Nebenfahrbahnen aufgelassen und mit Bäumen begrünt werden. Gleichzeitig könnte die Durchfahrgeschwindigkeit von 70 auf 50km/h reduziert werden. Entlang der Straße sind höhere Gebäude denkbar, die auch eine gewisse städtische Eleganz und Ausstrahlung haben. Zusätzliches Wohnen soll es an der Salzburger Straße nicht geben, denn dann würde sich wegen des Lärmschutzes wieder eine gewisse Abkehr von der Straße ergeben.
„Es braucht ein Ausrufezeichen, um zu sehen, hier tut sich was. Wir können uns durchaus einen Hochpunkt vorstellen – und zwar einen ganz speziellen: einen Twin Tower in einer H-Form, um auch eine Sichtbarkeit und einen Anziehungspunkt zu erschaffen.“
Mehrmals war davon die Rede, dass die Durchschneidung des Stadtteils durch die bestehende vierspurige Straße überwunden werden soll. Können Stadtteile nicht einfach getrennt bleiben?
Nein, hier braucht es eine attraktive Verbindung, die aber nicht auf der Straße stattfinden kann, auch Brücken sind wegen des Niveau-Unterschiedes keine Lösung. Ich denke da eher an eine breite, sanfte Absenkung des Laskahofparks, das ist keine herkömmliche Unterführung sondern eine „Stadtverbindung“. Man geht kaum spürbar mit einem Gefälle von vier Prozent unter der Straße durch. Auf der anderen Seite – dort wo sich jetzt der riesige Interspar-Parkplatz befindet – gelangt man fast ebenerdig auf einen platzartigen Raum, der mit Lokalen, Geschäften und einem Café bespielt ist. Gleichzeitig wird auch der Laskahofpark atmosphärisch aufgewertet und durch den Wegfall der Nebenfahrbahn vergrößert.
Wird es auch ein bauliches Zentrum, eine Landmark in Form eines oder mehrerer markanter Gebäude geben?
Es braucht natürlich ein Ausrufezeichen, um zu sehen, hier tut sich was. Wir können uns direkt an der Kreuzung Salzburger Straße/Landwiedstraße durchaus einen Hochpunkt (Hochhaus, Anm.) vorstellen – und zwar einen ganz speziellen: einen Twin Tower in H-Form, um auch eine Sichtbarkeit und einen Anziehungspunkt zu erschaffen.
Im Rahmen des kooperativen Verfahren waren Bewohner, Grundeigentümer und ansässige Unternehmen beteiligt. Wie hoch war der Begeisterungsgrad, das Gebiet so massiv zu verändern?
Die Vorgehensweise, die dortige Perspektive nicht nur vom Rathaus aus, sondern direkt vorort einzunehmen, ist Teil der politischen Stadtstrategie. Und das ist gut so, denn jahrzehntelang hat man sich um diese Stadtteile wenig bis gar nicht gekümmert. Auch die Bewohner hier benötigen eine entsprechende Zuwendung und Aufmerksamenkeit, diesen Räumen muss man sich in Zukunft verstärkt zuwenden.
„Die Stadtpolitik muss zeigen, dass sie an das Projekt glaubt. Mit dem Workshop wurde bereits ein erstes Bekenntnis dazu abgelegt.“
Wann kann oder soll die Transformation der Salzburger Straße beginnen?
Morgen – oder besser gesagt heuer, zumindest mit der Umsetzung kleinerer Maßnahmen. Das wäre wichtig, um den Menschen zu zeigen, dass sich was tut und dass man es ernst meint.
Welche „kleineren Maßnahmen“ könnten das sein?
Von der Bevölkerung gibt es zum Beispiel das Bedürfnis, den Laskahofpark besser zu beleuchten. Das könnte man relativ schnell umsetzen. So zeigt man den Menschen, dass man es ernst meint mit den Verbesserungen.
Und die „Stadtverbindung“ unter der Salzburger Straße, oder die angesprochenen Hochpunkte? Ist das nicht alles Illusion in einer Stadt, die nicht mal acht Millionen Euro für das Projekt Donauinsel hat? In der Salzburger Straße sprechen wir wahrscheinlich von 100 Millionen Euro Investitionskosten – mindestens.
Ich glaube, die Umsetzung ist trotzdem durchaus realistisch. Man muss aber Glaubwürdigkeit bei allen Beteiligten schaffen – der Bevölkerung, den Grundeigentümern und den Investoren. Gleichzeitig muss die Stadtpolitik zeigen, dass sie an das Projekt glaubt. Mit dem Workshop wurde bereits ein erstes Bekenntnis dazu abgelegt. Ich glaube jedenfalls fest an das Projekt.
Warum?
Mit jedem dort eingesetzten Euro kann man um ein Vielfaches mehr bewegen als bei jedem Standort in der Innenstadt. Es besteht auch kommerziell ein Riesenpotenzial, weil hier viele Menschen leben, die Frequenz bereits jetzt sehr hoch ist. Nur fahren die meisten Autofahrer jetzt durch, weil noch die Attraktivität fehlt. Ich glaube, dass solche Standorte nicht nur in Linz, sondern generell überall an Bedeutung gewinnen, weil sie zu erobernde Art „Lost Areas“ sind.
„Die Politik muss sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, für wen man Stadtplanung macht – für ein paar Menschen im Stadtzentrum, für Tourismusprospekte oder für die Bevölkerung“
Apropos Lost Areas: Ist das ein Linz-spezifisches Problem, dass sich das Hauptaugenmerk bisher auf die Innenstadt fokussierte und nur ein paar hundert Meter entfernte Bereiche wie die Hauptstraße Urfahr, die südliche Landstraße oder die Wiener Straße kaum Beachtung finden und ‚vergessen‘ werden?
Es gab in den letzten Jahrzehnten überall eine generelle Tendenz, sich auf die Zentren zu fokussieren, weil diese vermeintlich besonders identitätsstiftend sind. In Linz erkennt man ganz gut, dass man dieses Denken immer weiter überwinden muss – das passiert auch, siehe die Tabakfabrik, die Bereiche rund um die Universität oder die Überlegungen am Kasernenareal Ebelsberg. Ich nenne solche neuen Zentren gerne „Stadtplaneten“. Auch die Salzburger Straße kann so ein Stadtplanet werden.
Die Politik muss sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, für wen sie Stadtplanung macht – für ein paar Menschen im Stadtzentrum, für schöne Tourismusprospekte oder für die Bevölkerung. Die Chance ist riesig, Linz kann so eine völlig neue Qualität erhalten.
Fehlt es nicht auch ein wenig an Nähe? Linz ist nicht konzentrisch gewachsen mit kurzen Wegen, ist kein klassischer „Ball“ungsraum, sondern eher eine langer Strudelteig. Die Reise vom südlichen Ende der Stadt ins Zentrum gleicht einer kleinen Weltreise. Ein Beispiel: Ein Bekannter von mir wohnt in der Solar City. Er sagt, dass er nur alle paar Monate mal in die Innenstadt kommt, umgekehrt ist es genauso: Ich als Zentrumsbewohner bin so gut wie nie im Linzer Süden. Das steckt vermutlich auch in den Köpfen mancher Politiker und Stadtplaner.
Für die Menschen ganz im Süden spielt es teilweise keine Rolle, ob sie geographisch in Linz wohnen oder anderswo. Wichtig ist die Frage: Wohin orientieren sie sich? Die Menschen fahren ja auch nicht in die Plus City, weil diese in Pasching ist, sondern weil man dort etwas erleben kann. Wenn man auch in der Salzburger Straße ein ähnlich attraktives Angebot hat, fährt man vielleicht dorthin oder bleibt als Bewohner hier, statt ins Auto zu steigen.
Wenn Sie schon die Plus City erwähnen: Was macht man denn dort besser als Linz?
Ganz einfach: In der PlusCity gibt es jemanden, der macht sich Tag und Nacht Gedanken, was man tun muss, damit möglichst viele Menschen kommen und sich dort wohlfühlen. Wie kommen die Leute am bequemsten mit den Öffis her? Mit einer überdachten Straßenbahn-Station. Wie parken sie bequem? Mit extrabreiten Parkhäusern. Gibt es konsumfreie Sitzgelegenheiten und angenehme WCs? Genau die gleiche Liebe und Sorgfalt müssen wir auch für Linz an den Tag legen. Wir müssen es schaffen, wieder eine „placeful City“ zu werden.
Interview: Wilhelm Holzeitner