Es gibt sie noch zuhauf in Linz: Verkehrshöllen und Raserstrecken, die vor allem den Bewohnern zu schaffen machen. Wir haben die fünf lautesten und abscheulichsten Linzer Straßen ins Visier genommen.
1) Die Rudolfstraße in Urfahr
Wer hier wie Martina P.* wohnt, hat kein angenehmes Leben: „Wir haben fast rund um die Uhr Autolärm, es ist die Hölle“, sagt die Anrainerin. Die Stadteinfahrt aus Richtung Rohrbach ist das Paradebeispiele für eine menschenfeindliche Autostraße. Durch die Rudolfstraße zwängen sich täglich 23.000 Autos in die Stadt, durch die kanalartige Form mit hohen Häusern verstärken sich Lärm und Hitze, Abgase können nicht abfließen, die Hausfassaden sind abstoßend schmutzig . Bei weniger Verkehr wird vor allem stadtauswärts aufs Pedal gedrückt. Enorm auch die Anzahl an LKWs, die aus dem westlichen Mühlviertel mangels Alternativen hier durch müssen. Auch durch die Westringbrücke wird es kaum Entlastung geben, befürchten die lärmgeplagten Anrainer, von denen viele, die es sich leisten können, einfach nur weg wollen.

2) Die Waldeggstraße
Hier sammelt sich der gesamte Verkehr aus dem südlichen Donautal und der City, Ruhephasen gibt‘s nicht. Großteils des Tages staut es – und wenn nicht, wird auch hier auf die Tube gedrückt. Ein abscheulicher Ort für Fußgänger, Radfahrer und Bewohner. Entlastung bringt – wenn überhaupt – der Westringtunnel in zehn Jahren – dafür wird dann allerdings das Bahnhofsviertel das Problem erben.
3) Dinghofer- und Humboldtstraße
Die beiden als Einbahnstraßen in jeweils entgegengesetzte Richtung geführten Verkehrswege in Nord-Süd–Richtung laden aufgrund ihrer teils überbreiten Fahrspuren, wegen des schnurgeraden Verlaufs und auch dank der grünen Welle zum zügigen Fahren auf, die dreckig-grauen, richtiggehend abstoßenden Hausfassaden tun das Ihre, dass man hier schnellstmöglich durch und weg will. „Ich würde hier wieder Richtungsverkehr einführen. Diese Durchzugsstraßen sind ein Konzept der 70er Jahre.“, sagt Stadtentwickler Lorenz Potocnik von LINZplus. Helfen würden auch bauliche Maßnahmen – etwa eine Verschlankung der Fahrstreifen, ohne den Durchfluss zu verringern.
4) Die Salzburger Straße
Ist das noch Straße oder schon Autobahn? Die Salzburger Straße im Linzer Süden ist eine unüberwindbare Barriere und trennt den dortigen Stadtteil, ein Überqueren ist de facto unmöglich. Durch die Überbreite (je zwei Fahrspuren plus Nebenfahrbahnen) wird angegast, als gäb‘s kein Morgen. Ein paar Radarkastln mehr würden helfen, es braucht aber auch ein Tempolimit und bauliche Maßnahmen (Verengung), um den Wahnsinn auf der Salzburger Straße auf ein menschenfreundliches Maß zu senken – entsprechende Vorschläge gibt‘s von der Städtebaulichen Kommission bereits.
5) Wiener Straße
Auch so ein Sorgenkind: die Wiener Straße. Zwischen Unionkreuzung und Musiktheater eine viel zu breite Poser- und Raserstrecke für Mitbürger aus dem türkischen und dem Balkan-Raum, ist auch der südliche Verlauf bis nach Ebelsberg ein Raserparadies, daran ändert auch die kurze Unterbrechung zwischen Unionkreuzung und Herz-Jesu-Kirche, wo sich die Stadt nach der Eintunnelung der Straßenbahn in einer leider völlig misslungenen Oberflächengestaltung versuchte, nichts.
Es gibt aber auch Lärm-Hotspots, die von Öffis verursacht werden. In der Ferihumerstraße etwa kommt die Straßenbahn, die hier aufgrund des geraden Verlaufs richtig Vollgas geben kann (während für PKWs aus Lärmschutzgründen ein 30er-Limit gilt), auf eine extrem hohe Lärmfrequenz, auf Balkonen werden bis zu 89 Dezibel (!) gemessen – auch, weil jede bauliche Maßnahmen oder Böschungen beim Gleiskörper fehlen. Anrainer-Kritik stößt bei der Stadt jedoch auf taube Ohren, weil Straßenbahn-Radau als „guter“ Lärm gilt. Beim Verkehr gilt laut Klima-Ministerium für den Tag-Abend-Lärmpegel ein Wert von 60 dB und für den Nacht-Lärmpegel ein Wert von 50 dB, die dunklen Bereich auf der Karte oben liegen durchwegs über 70db (alle Werte unter maps.laerminfo.at).
„Das Um und Auf ist die Geschwindigkeit, denn mit der steigen auch Lärm und Schadstoffbelastung. Der Durchzugsverkehr gehört dort, wo es möglich ist, ausgesperrt. Zudem wäre Tempo 30 in der gesamten City unerlässlich, ohne wird‘s nicht gehen“, sagt Lorenz Potocnik. Möglich wäre das ohne allzuviel Bürokratie: Am 1. Juli trat die 35. StVO-Novelle in Kraft. Damit wird es Städten wie Linz erleichtert, Tempo 30 umzusetzen. 30 statt 50 km/h – 20 Kilometer pro Stunde klingen wenig, machen aber in der Verkehrssicherheit einen großen Unterschied. „Während bei Tempo 30 ein PKW nach elf Metern steht, hat dieser mit Tempo 50 nach elf Metern immer och eine Geschwindigkeit von über 40 km/h“, sagt Katharina Jaschinsky von der Mobilitätsorganisation VCÖ. Tempo 30 statt 50 wirkt für das menschliche Ohr wie eine Halbierung der Verkehrsmenge. „Mehr Tempo 30 statt 50 erhöht die Verkehrssicherheit, erleichtert Alltagswege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, verringert Verkehrslärm und Abgasbelastung und erhöht die Lebensqualität“, so Jaschinsky.
Kommentar
Pssssss!
Linz ist und bleibt eine Autostadt – auch wegen der vielen Einpendler. Auf Null reduzieren lassen sich die Auswirkungen des Verkehrs nicht. Das muss ja auch nicht sein, denn wir Städter empfinden Lärm mittlerweile als völlig normal. Richtig bewusst wird einem das erst, wenn man einen Blick auf die „Lärmkarte“ des Bundesministeriums für Klimaschutz und Umwelt wirft. 70 und mehr Dezibel sind bei den meisten Durchzugsstraßen völlig normal – und das hört oft auch abends oder in der Nacht nicht auf. Als Grenzwerte für einen erholsamen Nachtschlaf empfiehlt die WHO 30 Dezibel, das geht sich für viele nicht aus – besonders, wenn sie an der Straßenbahn wohnen, die am Wochenende bekanntlich die ganze Nacht durchfährt und teils bis auf 90 dB kommt.
Nur weil Lärm nicht direkt weh tut oder schmerzt (das tut er erst ab 120 dB), heißt das nicht, das er im Körper nix kaputtmacht. Bereits ab 40 dB Beschallung beginnt‘s tagsüber mit möglichen Lern- und Konzentrationsstörungen. 55 dB beträgt die Obergrenze für konzentriertes Arbeiten, ab 60 dB sind bei längerem Einwirken Hörschäden möglich – und ab 65 dB besteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das sind alles Werte, die weit unter der Belastung an vielen Durchzugsstraßen liegen. Bereits eine Zunahme von 10 dB führt zu einer Verdoppelung der empfundenen Lautstärke. 60 dB werden deshalb als ungefähr doppelt so laut wie 50 dB wahrgenommen. Wir müssen alle sensibler werden in Sachen Lärm – und nicht sofort aufschreien, wenn von Tempo 30 im Stadtgebiet die Rede ist. Denn der gefühlte Zeitverlust stimmt mit dem tatsächlichen nicht mal ansatzweise überein. Auch im Büro oder im Wirtshaus lässt sich der Lärmpegel leicht steuern: Jeder sollte öfters überlegen, ob das jeweils Gesprochene die Stille tatsächlich verbessert…
* Name geändert