Der Welser Unternehmer Paul Rübig war von 1996 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. Im Talk wirft Rübig einen Blick zurück auf die Entwicklung auf seine „europäischen“ Jahre.
Mit 23 Jahren Zugehörigkeit zum EU-Parlament trägt Paul Rübig den Titel längst dienender EU-Parlamentarier Österreichs: „In Brüssel fließt die Erfahrung aus 28 Mitgliedsländern zusammen, man schließt weltweite Kontakte und gewinnt Einblicke, die fürs Leben prägen“, sagt Rübig, der 2019 die europäische Bühne verließ. Die besten Jahre seiner Laufbahn widmete der Unternehmer Brüssel – war‘s das wert, Herr Rübig? „Auf jeden Fall. Es ist faszinierend, wenn man auf einer so hohen europäischen Ebene mit eingebunden ist – dort, wo wirklich entschieden wird.“ Eine Entscheidung davon betraf sein Spezialgebiet: „Im Vorjahr gelang es mir, eine Milliarde Euro zugunsten der Forschung, für Erasmus und KMU-Finanzierung umzuschichten.“ Besonders stolz ist Paul Rübig daher auch auf seinen Spitznamen „KMU-Pauli“, weil es ihm immer ein Anliegen war, kleinen Unternehmen, die keine Lobby in Brüssel haben, zu unterstützen.
Als EU-Abgeordneter war Rübig permanent eingespannt, 70 bis 80 Wochenstunden waren Alltag. Als Chefverhandler, wie es Rübig zuletzt war, stieg dieses Pensum nochmals: „Für mich war daher klar, dass mit 65 Schluss ist und ich nicht nochmals antrete“, sagt Rübig über seinen formalen Schlussstrich 2019. Wie war das nach dieser langen Zeit, wenn man die Magnetkarte, Ausweise und Schlüssel abgibt und sich die Türen des EU-Parlaments endgültig schließen? „Das war nicht einfach, aber man bleibt ja Teil der EU, weil die Kontakte nicht abreißen. Ich versuche auch, mein Wissen so gut wie möglich weiter einzusetzen.“ So wurde Rübig von der Regierung in den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss entsandt – das ist die oberste europäische Sozialpartner-Ebene. Zusätzlich ist Rübig kürzlich unter 185 Kandidaten ins (ehrenamtliche) Governing Board des European Institute of Innovation and Technology (EIT) gewählt worden – Rübigs Erfahrung und Verhandlungskompetenz ist in dieser Einrichtung, die sich mit elementaren Zukunftsfragen beschäftigt, hoch begehrt.
Und wie geht ein Mann wie Paul Rübig mit der politischen Kleinkrämerei um, die er nach den vielen Jahren in Brüssel hier in Österreich wieder direkt miterleben muss? „Dieses Regierung-Opposition-Konfrontationssystem gibt es in Brüssel gottseidank in der Form nicht. Man muss aber, egal wo, immer einen gemeinsamen Nenner finden, das gilt auf jeder politischen Ebene. Die Steuerzahler, die Bürger und die Konsumenten erwarten zu Recht Lösungen von uns.“
Als „kleiner“ Wähler hat man oft das Gefühl, in Brüssel gibt es keine Einigkeit, es geht nichts weiter, vieles wird blockiert. Ein Eindruck, den Rübig nicht teilt: „Wo Brüssel vor allem ein Problem hat, ist in der Kommunikation, die großteils national und regional organisiert ist, aber nicht auf EU-Ebene. Diese fehlende Medien-Infrastruktur fällt Brüssel immer wieder auf den Kopf, weil die vielen Erfolge nicht richtig kommuniziert werden.“ Und Erfolge gibt es viele – etwa die Roaming-Regelung (gleicher Tarif, egal von wo aus in Europa man telefoniert), die Paul Rübig mit großem persönlichen Einsatz über zwölf Jahre realisieren konnte. Rübig verstand (und versteht) sich auch als einer der Baumeister des digitalen europäischen Binnenmarkts. Letzter großer Clou Rübigs: Die Rolle als Chefverhandler des europäischen Budgets, bei dem es um 150 Milliarden Euro ging: „Nach einem Jahr Vorbereitung kommt man dann in ein bis zwei Nächten zum Punkt, das sind ganz große Momente.“
In Rübigs Wikipedia-Lebenslauf ist zu lesen, dass er sich in seiner Studienzeit als Segelflug- und Skilehrer betätigte. Gibt‘s da im (Un)Ruhestand ein Comeback? „Ich habe damals damit mein Studium finanziert, fürs Segelfliegen hatte ich sogar einen Lehrauftrag von der Uni Linz. Ich hab‘ sicher über 100 Flugschüler ausgebildet. Diese Hobbys habe ich aber mit dem Einzug ins Parlament für immer eingestellt.“