Der Linzer Manfred Rauchensteiner ist Glücksforscher, Emotionen und Gefühle sind sein Tagesgeschäft. Tenor: Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein, denn das meiste spielt sich im Kopf ab.
Manfred Rauchensteiner, wie kommt man eigentlich zum Beruf eines ‚Glücksforschers‘?
Mich hat immer fasziniert, dass die Menschen, was Glück betrifft, so unterschiedlich gepolt sind. Ich habe 23 Jahre lang im Casino gearbeitet, in all den Jahren wurde das Interesse am Thema Glück immer größer. Irgendwann bin ich auf den renommierten deutschen Glückstrainer Bodo Deletz gestoßen, mit dem sich eine Zusammenarbeit ergeben hat. In weiterer Folge habe ich bei ihm eine dreijährige Ausbildung zum Glückstrainer gemacht.
Welche Menschen kommen zu Ihnen – und warum?
Das ist ganz unterschiedlich. Menschen mit einem Beziehungsthema, in Lebenskrisen oder mit gesundheitlichen Problemen. Ich mache aber auch sehr oft Seminare mit Führungskräften, da geht es dann um eine gute, glückliche Beziehung zu den Mitarbeitern.
Und was tun Sie da genau?
Ich erkläre den Menschen, wie sie ticken – und das möglichst wertfrei. Jeder soll so leben, wie er will und es soll ihm gut gehen dabei. Ich führe Verhaltensweisen vor Augen, die zum Unglücklichsein führen. Wenn man das versteht, wird vieles leichter. Denn der Grundzustand des Menschen ist eigentlich, dass es ihm gut geht.
Ziehen manche Menschen Glück oder Unglück an?
Je mehr man sich mit seinen Ängsten beschäftigt, umso mehr Möglichkeiten bekommt man, Angst zu erleben. Wenn man etwa ständig mit der Vorstellung lebt, dass es nur Idioten auf der Welt gibt, dann schickt dir das Universum auch nur Idioten. Jeder Gedanke ist eine Energieform.
Es gibt viele Menschen, die in ihrem Grant auch eine Form von Glücklichsein erleben. Ist das keine praktikable Lösung?
Das ‚Armsein‘ und Dauerjammern mancher hat einen sekundären Nutzen: Dadurch bedauert sie auch das gesamte Umfeld und man fühlt sich dadurch auf gewisse Weise gut. Lösung ist das keine, weil man aus dem Leid nicht herauskommt. Jeder hat es selbst in der Hand: Wenn man immer dieselben Dinge tut, denkt und das gleiche Muster lebt, ändert sich nichts.
Viele Menschen können aber nicht aus ihrer Haut heraus.
‚Ich muss heute dieses oder jenes machen‘ oder ‚Ich muss jetzt dorthin‘ – solche Sätze fallen bei jedem sicher 10-mal pro Tag, sie erzeugen Stress bei uns. Meistens stimmt dieses ‚Muss‘ gar nicht, sondern es ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Es gibt aber dennoch viele Dinge, die wir tun ‚müssen‘.
Wirklich? Müssen tun wir fast gar nichts, aber der Gedanke ans Müssen erzeugt bereits Stress. Dieses Verhalten lässt sich sehr leicht abtrainieren. Bewusstes Leben heißt, dass ich in jeder Situation eine Wahl habe. Es macht einen Riesenunterschied wenn ich statt ‚Ich muss in die Arbeit fahren‘ sage: ‚Ich fahre heute ins Büro.‘
Woher kommt das Unglücklichsein, das so viele empfinden?
Negative Gedanken erzeugen Druck im Körper, das macht unglücklich. Das kann man durchbrechen, indem man über Situationen oder Dinge anders denkt, als man es bisher gemacht hat. Wenn ich über den Arbeitskollegen X jedesmal sage, er ist ein Ungustl, gebe ich mir keine Chance, dass es mir im Umgang mit ihm besser geht. Denselben Fehler machen wir auch beim Kennenlernen. Da reicht schon das falsche Sternzeichen. Oder das gegenüber hat einen Vornamen, der an eine in die Brüche gegangene Beziehung erinnert: Für viele ist es da schon vorbei. Ich könnte auch sagen ‚Eigentlich ist sie ziemlich nett‘, sie in eine andere Schublade stecken und es ginge mir besser.
Man gibt auch gern dem anderen die Schuld am Unglück.
Ja, das sind ganz banale Dinge. Etwa: ‚Wenn meine Frau anders wäre, ginge es mir nicht so schlecht.‘ Oder: ‚Der Autofahrer vor mir fährt beschissen.‘ Jeder Gedanke, dass eine Sache eigentlich ganz anders sein sollte, bereitet Leid. Wenn man gewisse Dinge akzeptiert, durchbricht man diesen Kreis und hat die Chance, glücklich zu werden.
Österreich ist das siebentreichste Land der Welt, trotzdem wird enorm viel gesudert und gejammert. Ist uns Österreichern das Unglücklichsein angeboren?
Es ist eine Angewohnheit, wir unterscheiden uns da aber nicht groß vom restlichen Europa. Das, was wir vorgelebt bekommen, leben wir dann selber auch.
Sie sagen, Glück kann man lernen – oder es sich einreden.
Wenn ich bewusst entscheide: Wer will ich heute sein, wie will ich mich fühlen – dann macht das etwas mit meinem Körper. Ich habe die Chance, glücklich zu sein. Der Grund, warum es uns zum Beispiel im Urlaub so gut geht: Wir gehen mit ganz anderen Augen durch die Stadt. Wir schauen uns die Häuser an, die Dächer, die Fassaden, die Läden. Das machen wir zuhause in Linz nicht.
Sie haben lange im Casino gearbeitet: Das ganz ‚banale‘ Glück – am Roulette-Tisch oder beim Automaten: Lässt sich das auch erlernen oder erzwingen?
Ich mache sehr viel aus dem Wunsch heraus, dass es mir nachher besser geht. Auch ins Casino geht man mit der Vorstellung, dass man Geld gewinnt. Schon das Gefühl daran fühlt sich vorher gut an, obwohl man noch gar nicht dort ist. Man geht ins Casino, um ein Glücksgefühl abzuholen.
Und dann kommt die Enttäuschung.
Eine Lösung wäre, sich bereits vor dem Betreten des Casinos von den 100 Euro, die man verspielen will, zu verabschieden – und zusätzlich festlegen, dass man ab einem Gewinn von 100 Euro aufhört.
Gibt es Leute, die immer Pech haben?
Ein Mensch, der von sich selber glaubt, er ist ein Pechvogel, läuft komplett anders durchs Leben. Er schaut nur aufs Pech und wartet richtiggehend darauf: ‚Wieder ist die Straßenbahn davongefahren, ich hab’s gewusst!‘, sagt der Pechvogel. ‚Cool, die nächste Straßenbahn is sicher nicht so voll‘ sagt der Optimist. Das fühlt sich gleich ganz anders an.
Man könnte jetzt einwerfen: Wer unkritisch durchs Leben geht und alles perfekt findet, ist doch ein Realitätsverweigerer.
Na und? Es kommt immer darauf, wie ich den Begriff ‚Realitätsverweigerer‘ bewerte. Ich kann auch sagen ‚Ja ich bin ein Realitätsverweigerer, weil es mir dadurch viel besser geht.‘ Ein anderer nennt dich vielleicht einen Egoisten. Wenn man für sich selber sagt ‚Ja, dazu stehe ich und das ist gut so‘, kommt man ganz anders aus der Situation heraus. Wichtig ist: Wie denke ich selber über gewisse Begriffe? Das beeinflusst sehr viel.
Gibt es auch das perfekte Glück – ohne jede weitere Steigerungsform?
Jene Menschen, die nach Erleuchtung suchen, klassifizieren ständig und machen sich einen irren Stress, weil sie sich nie komplett erleuchtet fühlen. Damit sind sie in einem Mangel – und genau in jenem Gefühl des Unglücks, von dem wir reden. Ich will nicht vom perfekten Glück sprechen – der ideale Gedanke ist: ‚Ich bin gut genug, so wie ich bin.‘