Ja, auch Balkone können ‚belastet‘ sein – etwa durch ihre Vergangenheit. Zumindest der Linzer Rathausbalkon gilt für manche als solcher, weil im Jahr 1938 einmal kurz der unsägliche Massenmörder Adolf Hitler darauf stand. Seitdem darf er nicht mehr betreten werden. Geht’s nach NEOS Linz, soll der Balkon jetzt ein ‚Balkon des Friedens‘ werden – mit aufgebogenen Gitterstäben und Stacheldraht.
„Stadtrat Dietmar Prammer wird ersucht, in Zusammenarbeit mit Frau Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer, dem Balkon des alten Rathauses als „Balkon des Friedens“, eine neue Bedeutung zu geben. Symbolisiert werden kann dies zB. mit einer künstlerischen Adaptierung des Schmiedeeisen Gitters… In weiterer Folge sollen die Geschichte und die neue, starke visualisierte Mahnung und Hoffnung auf Frieden den Linzerinnen und Linzern und den entsprechenden touristischen Kanälen kommuniziert werden“ – so lautet der Antragstext von NEOS Linz, der diesen Donnerstag zur Abstimmung gelangt.
Laut Georg Redlhammer von NEOS Linz werde durch den nicht betretbaren Balkon „ein Mythos geschaffen, der keiner sein darf“. Jeder Tourist, der nach Linz kommt, besuche das alte Rathaus und gehe unter dem Balkon ins Rathaus: „Und es wird geschwiegen über das, was damals war. Dieses Schweigen soll gebrochen werden. Wir möchte dem Balkon den unausgesprochenen Mythos nehmen… Er soll als ‚Balkon des Friedens‘ seine neue Kraft gewinnen… am besten durch Bearbeitung des Gitters, zu einem Symbol des Friedens umgedeutet werden. Mit Adaptierungen des Schmiedeeisens… Friedenszeichen, Widerstand, niemals wieder Schriftzug in kunstvoller Adaption (Stacheldraht geht über in das Peacezeichen) – kann so als ein prominentes sichtbares Zeichen gesetzt werden“, glaubt Redlhammer.
„Selbstbewusst und sichtbar“ stelle sich Linz mit dem neu adaptierten Balkon gegen die, die keinen Frieden wollen. „Schweigen war gestern“, so der NEOS-Mann weiter. Studenten der Kunstuniversität sollen das Projekt gestalten. Die Angst, dass der Ort am alten Rathaus zu einem Wallfahrtsort ewig gestriger wird, bestehe laut Redlhammer nicht. Es bleibt aber ein Ort, der nicht betreten werden soll.
Kommentar
Was hat sich der Linzer NEOS-Boss Redlhammer bei diesem seltsamen Antrag gedacht? So gut wie niemand in Linz, aber auch kein Tourist assoziiert den Rathausbalkon mit Adolf Hitler, oder nennt ihn gar ‚Hitler-Balkon.‘ Redlhammer will ein Zeichen setzen gegen alle, ‚die keinen Frieden wollen‘. Mit dieser Pseudo-Aktion (die noch dazu massiv in den Denkmalschutz eingreift), schafft man eher einen Anziehungspunkt für Ewiggestrige und ‚Hitler-Fans‘. Erst durch diese sinnbefreite Idee macht man den Balkon zum ‚Hitler-Balkon‘. In Wien gibt es einen ähnlichen Rathausbalkon, dort hat man das Ansinnen nach Erinnerungstafeln, baulichen Maßnahmen oder gar einem Abriss aus guten Gründen bereits 2020 abgelehnt. Linz sollte Wien werden.