Radwege, immer mehr E-Bikes… das Radfahren in der Stadt wird zunehmend attraktiver – aber auf eines hat man vergessen: Die meisten Mehrparteienwohnhäuser platzen aus allen Nähten, was die Anzahl der Fahrräder betrifft, weil sichere, ebenerdige Abstellplätze fehlen und die meist viel zu kleinen Radkeller übergehen. Andere Städte haben das Problem erkannt, in Linz reden wir aktuell aber immer noch nur davon, noch mehr Radwegen zu bauen, ohne die wichtige Infrastruktur der Abstellplätze in/bei Wohnhäusern im Auge zu haben.
Viele städtische Wohnhäuser verfügen über keine oder nur im Keller liegende Fahrradräume. In jedem Neubau sind ebenerdigen Radgaragen (Abstellräume) mittlerweile Pflicht. Ganz anders schaut es aber in der Innenstadt und in bestehenden Wohnhäusern aus, die den Großteil des Bestandes ausmachen. Dort mangelt es an sicheren Abstellmöglichkeiten, oft wurden einfach irgendwelche vorhandene Räume, die nur durch einen engen Zugang erreichbar sind, als Radkeller genutzt. Und es ist auch nicht jedermanns Sache, den ungemütlichen Keller aufsuchen zu müssen und sein Radl hochzuschleppen – vielleicht auch noch spätabends. Gerade sperrige E-Bikes lassen sich nur sehr mühsam in den engen, verwinkelten und meist übervollen Radkellern abstellen.
Andere Städte sind weiter
Sichere Radabstellboxen oder Häuschen direkt an der Straße sind eine praktikable Lösung und würden den Anreiz erhöhen, nicht nur teurere Räder oder E-Bikes auch täglich zu nutzen und so den Radfahranteil zu heben. Dank dieser Boxen oder Häuschen können Räder über Nacht draußen bleiben, das Ankommen und Wegfahren wird damit enorm erleichtert. In Düsseldorf hat man ein ähnliches Konzept bereits umgesetzt. Fahrradhäuschen werden dort sogar von der Stadt gefördert. Auf einem einzigen Autoparkplatz können in einer Radbox zehn absperrbare, sichere und komfortable Radplätze untergebracht werden. Der große zusätzliche Vorteil: Das Verhältnis 1:10 bedeutet, dass die Mobilität im innerörtlichen Stadtverkehr gesteigert und der Straßenverkehr wirksam entlastet wird. Auch in Hamburg läuft derzeit ein Pilotprojekt mit Radboxen.
Trauner Bim hat bereits ähnliche Lösung
Auch im Linzer Zentralraum gibt es bereits ein erstes ähnliches Konzept: die Fahrradboxen an den Straßenbahnstationen nach Traun, die sehr gut angenommen werden. Bezüglich Standorte, Herstellung, Anschaffung, Unterhaltung und Betrieb wäre ein für Linz praktikables Konzept zu erstellen – aber das fehlt nach wie vor. Wir reden nur von noch mehr Radwegen und Radspuren, vergessen aber auf das Elementarste: wetterfeste, leicht zugängliche und sichere Abstellflächen bei den Wohnungen und Häusern.
Optische Hingucker
Ausgeführt werden könnten die Radhäuschen als einfaches, stabiles, selbsttragendes Tragwerk, das als fertiges Element angeliefert wird. Fundamente sind keine erforderlich. Auch eine Ausstattung mit Solarelementen zu Stromversorgung von E-Bikes wäre möglich. Optisch würden sich die Radhäuschen ebenfalls sehr angenehm in die Umgebung einfügen – auf jeden Fall um vieles besser als die unzähligen Autos, die derzeit den gesamten öffentlichen Raum in Anspruch nehmen. Auch eine kleine Sitzbank wäre integrierbar, das Radhäuschen wäre damit auch ein niederschwelliger nachbarschaftlicher Treff. Auch Metallhäuschen wie jene vom österr. Unternehmen ZAUNER wären eine leicht umsetzbare Lösung.
Die großen Wohnbaugenossenschaften haben das Problem nur sehr begrenzt am Radar bzw. dieses noch gar nicht richtig erkannt: „Die GWG ist stets bemüht ihre Mieter bedarfsgerecht zu versorgen. Daher werden in jenen Wohnanlagen wo der Wunsch von den Bewohnern nach mehr Radabstellanlagen gegeben ist, in Abstimmung mit diesen Radabstellmöglichkeiten errichtet. Da die Kosten auf die Mieten umzulegen sind und die GWG als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft den Grundsätzen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit unterliegt, wird unter Rücksicht auf die ohnehin oft angespannte finanzielle Situation behutsam vorgegangen“, heißt es seitens der größten oö. gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft GWG.
Kommentar
Das gibts ja nicht: Täglich wird uns Städtern eingetrichtert, das Rad wäre DIE Zukunftslösung im urbanen Verkehr – und wir sollten besser heute als morgen umsteigen. Und viele tun das ja auch, die oft übervollen Radkeller in Wohnhäusern belegen das. Die Politik bemüht sich zugegebenermaßen und treibt viele Radwegprojekte voran – aktuell etwa auf der Nibelungenbrücke, wo ab Herbst eine Fahrspur pro Richtung zum Radweg wird. Aber was hilft das alles, wenn man zuhause keinen halbwegs praktikablen Platz hat, sein zwei- bis dreitausend Euro teure E-Bike auch sicher und benutzerfreundlich abzustellen – benutzerfreundlich heißt in dem Fall, dass man sein E-Bike oder Tret-Rad nicht über eine enge, steile Treppe in einen viel zu kleinen Radraum im Untergeschoß verfrachten muss. Dasselbe gilt oft auch für den Arbeitsplatz, wo man sein Bike ebenfalls oft nicht sicher unterbringen kann.
Was von manchen Politikkern gerne vergessen wird: Radfahren lebt vom Einfachen, Unkomplizierten – wer in der Früh eine Extra-Runde Morgensport einlegen muss, um sein Rad überhaupt vom engen Keller raus auf die Straße zu bekommen und danach im Büro Angst haben muss, dass ein Rad am Abend überhaupt noch da ist, steigt weiter lieber ins Auto, so einfach ist das.