Sie ist die erste und bislang einzige gebürtige Afrikanerin, die es an die Spitze einer SPÖ-Organisation schaffte: Beverley Allen-Stingeder, Mühlviertlerin aus Sierra Leone, die als zehnjähriges Mädchen nach Oberösterreich kam und heuer für den Landtag kandidiert. Im breiten OÖ-Dialekt plauderte sie im landeshauptblatt.at-Talk über ihr Leben und ihre politische Motivation.
Beverley Allen-Stingeder – Sie sind mit zehn Jahren von Sierra Leone nach Oberösterreich gekommen. Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke?
Ja – meine erste Erinnerung war seltsamerweise, dass es hier so große Äpfel gab. Wir sind damals in ein Geschäft gegangen und haben uns gewundert, wie riesig und schön rund hier die Äpfel sind. In Sierra Leone schauen die Äpfel eher birnenförmig aus (lacht).
Und unser grausliches, kaltes Wetter war kein Problem?
Ich bin zum Glück im Sommer, am 07. Juli 1978, nach Österreich gekommen und nicht im Winter. Der erste Schnee im folgenden Winter war natürlich ein besonderes Erlebnis. Mein Stiefvater stellte mich in dieser Zeit gleich auf die Schi, sozusagen eine Art Schockprogramm.
Und wie kamen Ihnen wir Linzer damals vor: freundlich-nett oder eher grimmig und verschlossen?
Als Kind war ich damals logischerweise fast immer nur unter anderen Kindern, die sehr neugierig und offen waren. Die Erwachsenen waren schon eher reserviert, ich aber auch. Ich kann mich noch erinnern, dass mein Stiefvater in den zwei Monaten bis zum Herbst mit mir ständig Deutsch lernte, damit ich im September mit der Schule beginnen konnte. Dort war ich anerkannt, ich war sogar sehr oft Klassensprecherin.
„Von Afrika können wir
Österreicher vor allem eines
lernen: mehr Gelassenheit“
War Rassismus damals schon Thema?
Nachdem es damals noch nicht so viele Leute mit meiner Hautfarbe gab, war es schwierig, einen Job zu finden. „Sie sind zu schwarz“ hörte ich nicht nur einmal bei Vorstellungsgesprächen. Meine Mutter empfahl mir die Tourismussparte, dort wären die Menschen offener. So war es dann auch, innerhalb von einer Woche bekam ich auch schnell eine Lehrstelle.
1997 gingen Sie in die Politik – und das, obwohl das Image dieser Branche alles andere als gut ist. Mit Verlaub: Was hat Sie da geritten?
Mein Stief-Großvater hat damals die SPÖ-Sektion Langholzfeld mitbegründet. Auch ich hatte immer schon sozialdemokratische Denkansätze und Ideen in mir – so wie meine ganze Familie. Nur wenn man aktiv mitmacht, hat man auch die Möglichkeit, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Die Leute haben über Politik an sich kein schlechtes Bild, sondern nur über manche dort tätige Menschen.
Eine andere Partei als die SPÖ stand für Sie nie zur Debatte?
Nein, die SPÖ ist für mich die Partei mit dem meisten Hausverstand und entspricht am ehesten dem Wesen des Menschen – so wie ich es empfinde zumindest. Chancengleichheit und Solidarität sind für mich unverzichtbar, das gibt‘s in dieser Form auch in keiner anderen Partei.
Aufgrund Ihrer Herkunft ließe sich Ihre Rolle auf Integrationsfragen zuspitzen. Ist das innerhalb der SPÖ ein Thema?
Mich auf das Thema Integration festzunageln, läge zu sehr auf der Hand. Ich will mich aber nicht darauf fixieren, sondern für alle Bürger da sein. Ich bin in Gramastetten zuhause, daher sind zum Beispiel die Mühlkreisbahn und die Pendlerprobleme ein großes Thema. Auch Bildung ist mir ganz wichtig – denn das ist das einzige, was man einem nicht wegnehmen kann.
Erst Pasching, dann Gramastetten und jetzt Puchenau: Sie haben nie in der Stadt, sondern immer am Land gelebt. Keine Lust auf die City?
Naja, leben will ich in der Stadt nicht. Ich brauche das persönliche Umfeld, wo noch jeder jeden grüßt, ohne zu erschrecken. Außerdem bin ich Mitglied bei den Goldhaubenfrauen, ich könnte also gar nicht weg (lacht).
Die ganz große Politiker-Karriere – etwa erste Landeshauptfrau OÖs zu werden: Wäre das was für Sie?
Um Gottes willen, solche Gedanken wären sehr vermessen. Sowas kann man sowieso nicht planen. Ich habe familienintern jedenfalls die ‚Freigabe‘, mich mehr zu engagieren, darum auch die Kandidatur für den oö. Landtag. Über alles andere mache ich mir jetzt keine Gedanken.
Gibt es etwas, was wir Österreicher von den Menschen in Sierra Leone lernen können?
Ja: die Gelassenheit. Dass man einfach mal sagt, ‚Es wird alles wieder gut‘, anstatt nur zu hadern und zu schimpfen.
Ein Riesenthema ist derzeit die Asylantenfrage. Läuft da alles richtig?
Ich habe das selber miterlebt, als meine Tante vor ein paar Jahren aus Sierra Leone geflüchtet ist. Wir haben ein paar Wochen nichts von ihr gehört, oder gewusst, wo sie gerade ist. Bis heute spricht sie nicht über diese schlimme Zeit und was ihr da alles passiert ist. Was ich damit sagen will: Es gibt sehr viele arge Schicksale und fürchterliche Erlebnisse. Das sollte man nie vergessen, bevor man urteilt und pauschaliert.
Interview + Fotos: wilson holz