Linz verleiht sich selbst gerne viele Titel: Kulturhauptstadt, Friedensstadt, Klimastadt, Digitalisierungshauptstadt… ein längst fälliger Titel fehlt allerdings: Müllhauptstadt. Dass Linz im Dreck und in Tschickstummeln erstickt, sieht jeder, der mit offenen Augen durch die Gegend spaziert. Ähnlich atemberaubend wie die Vermüllung unserer Stadt ist die Anzahl der Mülleimer und Mistkübel in Linz. Doch noch mehr der hässlichen orangen oder grünen Plastikbehälter lösen das Problem nicht. Es braucht stattdessen ein radikales Umdenken: Die Mistkübel müssen weg. So könnte Linz sich anschicken, zur saubersten Stadt Europas zu werden.
Es ist ein absoluter Overkill: Auf der Landstraße finden sich alle paar Meter Mülleimer, ebenso im Donaupark, in anderen Grünanlagen oder auf der Promenade. Selbst auf der Pöstlingberg-Aussichtsplattform stehen in einem Umkreis von zehn Metern sechs Mülleimer, am gesamten, nur ein paar hundert Meter langen Rundweg um die Wallfahrtsbasilika sind es über 25… und dennoch ist das Rondeau einer der schmutzigsten Flecken der Stadt mit hunderten Tschickstummeln und sogar McDonalds-Verpackungen, obwohl sich die nächstgelegene Filiale unten in der Stadt im Lentia befindet.
Oft schon haben wir im LINZA stadtmagazin auf die dramatische Vermüllung von Linz hingewiesen – und genauso oft waren in den Kommentaren darunter Sätze wie „Eh klar, es fehlen die Mülleimer!“ zu lesen. Doch das ist ein absoluter Trugschluss, denn mehr Mülleimer lösen genau gar kein Problem. Im Umkehrschluss hieße das ja, dass auch bei Bergwanderungen oder irgendwo im Grünen – wo an Wochenenden ebenfalls unzählige Zeitgenossen unterwegs sind, auch dutzende Mülleimer angebracht werden müssten, damit die Natur nicht im Dreck erstickt.
Es ist genau umgekehrt: Linz ist nicht wegen zu weniger Mistkübel so schmutzig, sondern wegen (viel) zu vieler. Mülleimer sind eine offensive Einladung, seinen Dreck immer und überall wegschmeissen zu können. Die Stadt erledigt den Rest – zu ungeheuren Kosten übrigens.
Ich habe vor vielen Jahren mal in Puchenau gewohnt, am Ausgang der Bewohner-Tiefgarage hing ein großer, klobiger Mülleimer, der einmal die Woche entleert wurde. Der Behälter war aber bereits nach drei Tagen voll, weil jeder seinen Dreck aus dem Auto – Coladosen, Essensverpackungen, sogar Aschenbecher-Inhalte usw. – dort entsorgte. Nach vier Tagen wuchs auf dem knallvollen orangen Plastikbehälter bereits eine „Müllpyramide“, weil die Bewohner lieber den Müll dort auftürmten, als ihn daheim zu entsorgen. Auch rund um den Mistkübel sah es entsprechend aus, im Sommer war der Ort ein beliebter Wespentreffpunkt, den man beim Verlassen der Tiefgarage passieren musste – eine echte Challenge. Eines Tages entfernte die Genossenschaft wegen dieser Probleme den Mülleimer – und siehe da, der Schandfleck war keiner mehr, auch das Müllproblem war wundersamer Weise verschwunden.
Zeigt: Mülleimer ziehen den Dreck an und tragen nix bei zum Thema Umweltbewusstsein oder Müllvermeidung. Zur Bewusstseinsbildung oder Verschönerung des Ortsbildes tragen die ekelhaften orangen Behälter obendrein wenig bei. Im Gegenteil: Gerade Orte mit viel Mülleimern sind oft die am meisten verschmutzten – siehe Donaulände oder Donaupark, wo es weltweit die wohl intensivste Mülleimerdichte gibt, trotzdem liegen auf den zehn Metern zwischen den Abfallbehältern Dosen, Zigarettenstummel, Scherben und und und.
Was es brauchen würde? Einen radikal anderen Ansatz. Wie der aussehen könnte? 50 Prozent der öffentlichen Mülleimer demontieren und die daraus freiwerdenden Mittel in eine Bewusstseinskampagne investieren, die sich aber nicht wie zuletzt in seichten Sprüche-Aufklebern erschöpfen darf. Es muss an die Eigenverantwortung appelliert werden, die Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt müssen in den Fokus rücken. Und: Es braucht Kontrollen und Strafen, die auch sichtbar angekündigt und vor allem exekutiert werden müssen.
Wie das funktionieren könnte? Nun, statt der großteils wirkungs- und leider auch sinnlosen Einsatzbereiche des Ordnungsdienstes, der pro Tag fast 6.000 Euro an Steuergeld „verspaziert“, könnte dieser zumindest zum Teil in eine Wastewatcher-Truppe umfunktioniert werden. Aufgabengebiet: Müllsünder überführen. Ein weggeschnippter Tschickstummel 50 Euro, eine Bierdose oder anderer Verpackungsmüll 100 Euro. Dazu begleitend über mehrere Monate die entsprechend mediale Verwertung der jeweils verhängten Strafgelder. Erst wenn die Open Air-Müllmessies spüren, dass eine weggeworfene Zigarette richtig teuer wird, wächst auch das Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung. Die Zeit der lustigen Sprüche auf Mistkübeln sollte endgültig vorbei sein.
Wer schon mal in Metropolen wie Singapur, Seoul oder Tokio war, weiß, dass die Sache mit den wenigen Mistkübeln funktioniert. Dort gibt es so gut wie keine Mülleimer im öffentlichen Raum, obwohl an fast jeder Ecke zwei, drei Automaten mit Getränkedosen, Snacks, Spielzeug und ähnlichem stehen. Wie das geht? Nun: Die Leute nehmen den von ihnen gekauften Dreck mit und entsorgen ihn an den wenigen zentralen Stellen, die Städte sind sauber, dass man als Europäer aus dem Staunen nicht herauskommt. Tschickstummel sind dort ausgestorben, das wurde auch durch öffentliche Rauchverbote an Haltestellen, in Parks usw. und der Androhung von hohen Strafen (und den entsprechenden Kontrollen) möglich.
Bei einer Reise nach Tokio sprach ich mit mehreren Einheimischen über dieses Thema – und auch, warum absolut kein Müll auf den Straßen der japanischen Hauptstadt zu finden sei: „Unsere Stadt ist unser Zuhause, unser Wohnzimmer. Würden Sie in ihrem Wohnzimmer Zigarettenstummel oder schmutzige Plastikverpackung werfen?“, war eine der meistgehörten Antworten. Genau da muss Linz auch hin, man muss nur wollen. Die Gefahr, dass die Wähler das nicht goutieren, besteht nicht: Müll stinkt absolut jedem.