Die Bürgermeisterwahl ist so gut wie geschlagen. Alles andere als ein Prammer-Sieg bei der Stichwahl am 26. Jänner wäre eine Riesenüberraschung – angesichts eines Vorsprungs von 20 Prozent im ersten Wahldurchgang. In unserer Manöverkritik beleuchten wir die Sieger und die Besiegten – und wie es in Richtung der nächsten Wahl, die bereits 2027 steigt, weitergeht.
Dietmar Prammer (SPÖ): der uneingeschränkte Sieger
Dem SPÖ-Kandidaten den klaren Sieg im ersten Durchgang abzusprechen oder diesen zu relativieren, fällt angesichts des enormen Vorsprungs (Prammer holte mehr Stimmen als seine beiden Herausforderer Raml und Hajart zusammen) schwer. Erwartet hat dieses Ergebnis wohl nicht mal Prammer selbst. Er hat zwar nicht alles richtig gemacht, aber nichts falsch, indem er sich eher zurücknahm, als offensiv zu agieren. Die weiteren Gründe liegen wohl einerseits in der perfekten Mobilisierung der (vielen) SPÖ-Organisationen, andererseits auch an der unaufgeregten – manche sagen langweiligen – Art Prammers.
„Die geringe Wahlbeteiligung von 42,2 Prozent als „Zufriedenheit der Bevölkerung“ auszulegen, wie es Prammer getan hat, ist völlig daneben.“
Einmal mehr zeigt sich: Viele wünschen sich keinen vor Kreativität sprühenden Zauberer oder Suppenkaspar als Stadtoberhaupt, sondern den unauffälligen Anzugträger. Es zeigt aber auch: Die SPÖ kann in Linz schalten und walten wie sie will – und sich auch so manchen Skandal erlauben, braucht danach nur den Kopf auszutauschen und alles läuft weiter. Jucken tut’s zumindest die Kritiker nicht, weil die offensichtlich gar nicht wählen gehen.
Die geringe Wahlbeteiligung von 42,2 Prozent aber als „Zufriedenheit der Bevölkerung“ auszulegen, wie es Prammer getan hat, ist jedoch völlig daneben. Genausogut könnte man sagen: 58 Prozent sind ang’fressen und deshalb zuhause geblieben. Mit dem Ergebnis kann die Linzer SPÖ jedenfalls mit ruhigem Gewissen, aber auch Selbstvertrauen in die nächsten zwei Jahre bis zur Wahl gehen, Sieger brauchen keine Argumente – und müssen auch nix ändern.
Michael Raml (FPÖ): Wahlziel erreicht, aber…
Mit dem Einzug in die Stichwahl hat Raml das erste große Wahlziel erreicht. Der FPÖ-Mann war auch der einzige, der im Vergleich zur Wahl 2021 ein Stimmenplus holen konnte. Aber 20 Prozent Rückstand auf Prammer und die SP sind ein ordentliches Magenstamperl, da geht auch bei der Stichwahl kaum noch was. Was Raml fehlt: echte Themen neben der Sicherheit. Da kam bislang viel zu wenig, um als Bürgermeister durchzugehen. Ein wenig mehr Angriffslust würde Raml ebenfalls nicht schaden – das gehört bei einem blauen Kandidaten eigentlich zur DNA.
Aber mit dem ordentlichen Plus im Rücken und der Aussicht, dass bei der Gemeinderatswahl 2027 auch die Wahlbeteiligung eine ganz andere sein wird, ist mit den Blauen unter Raml sicher zu rechnen, ein Ergebnis klar über den 20 Prozent und Platz 2 ist möglich. Viel wird hier auch von der weiteren Entwicklung der FPÖ im Bund abhängen. Selbst wenn man eine blaue Brille trägt, scheint klar: Der Bürgermeister-Posten wird wohl auch 2027 eine Mission Impossible – außer Prammer begeht eine ebenso große Unverfrorenheit wie sein Vorgänger Luger.
Martin Hajart (ÖVP): Wahlverlierer mit (kurierbaren) Blessuren
ÖVP-Kandidat Martin Hajart war mit so viel Optimismus in diese Wahl gestartet – und steht am Ende mit leeren Händen da, selbst die Stichwahl ging sich (knapp aber doch) nicht aus. Sicher mitgespielt hat auch der aktuell horrible Bundestrend der ÖVP – und natürlich das „Stadtproblem“, mit dem die ÖVP fast schon traditionell zu kämpfen hat. Hajart selbst muss sich vorwerfen lassen, im Wahlkampf zu viel gewollt, zu intensiv und zu bemüht agiert zu haben. Eine Presseaussendung jagte die nächste, ein Thema das andere. Den Presseleuten schlackerten teils die Ohren.
„Wer keine Autos mag, wählt den Schmid (= die Grünen) und nicht den Schmidl.“
Der Wahlkampf-Auftakt, bei dem sich Hajart als Saubermann, der in Linz eine „Saubere Politik“ will, positionierte, war sehr stimmig. Diese Linie verschwand aber völlig, es folgten seltsame Vornamen-Plakate, das ständige Lila auf allen Werbemitteln (Warum? Wozu?), Ein-Euro-Döneraktionen (die völlig an der Zielgruppe vorbeiging – tausenden TikTok-Likes zum trotz) und allerlei anderes Gesimse, das keiner so richtig verstand. Vielleicht wäre eine Ein-Euro-Leberkässemmel- oder Burenhäutl-Aktion glaubhafter und treffender gewesen.
Hajart wollte alles, überall sein, jedes Thema besetzen und stand am Ende für nichts, so der allgemeine Eindruck. Auch das Argument, dass sein (grüner) „Autos-und-Parkplätze-raus“- und „Fahrrad-rein“-Kurs ebenso wenig wie das Rumgehüpfe auf Regenbogen-Zebrastreifen gerade im bürgerlichen Milieu nicht so prickelnd ankommen würde, wischte Hajart vom Tisch. Wer keine Autos mag und auf 72 Geschlechter steht, wählt den Schmid (= die Grünen) und nicht den Schmidl.
Wie Hajart das Steuer in Richtung 2027 (er wird wohl weiter die Nummer 1 bei der Linzer ÖVP bleiben) herumreißen kann? Weniger versuchen, der bunte urbane Bürgermeister für alle sein, sondern ein bisschen mehr positive Tiefe in die Themen reinbringen und klare Schwerpunkte (und da ist explizit NICHT das Radfahren gemeint) setzen. Das Thema Saubere Stadtpolitik wäre so etwas, nur muss man das dauerhaft und glaubhaft besetzen – und nicht mit einem Wahlplakat abarbeiten. Und warum ist eigentlich das Thema Stadtfinanzen (Stichwort eine Milliarde Euro Schulden) aus dem ÖVP-Portfolio verschwunden? Die Chancen für 2027 stünden dann gar nicht so schlecht, vorausgesetzt, der Bundestrend ist nicht so gegen ihn wie diesmal.
Eva Schobesberger (Grüne): Verpufft
Am Tag nach der Wahl waren sowohl die Stadt- als auch die Landes-Grünen bemüht, das Wahlergebnis von Eva Schobesberger als Glanzleistung hinzustellen. Unter dem Strich gab es magere 13 Prozent und ein Minus von 1,6 Prozent oder 4.071 Stimmen weniger – das sind ein Drittel aller Stimmen, die Schobesberger noch 2021 bekam. Das mehrheitlich links wählende Linz hat offensichtlich wenig Lust auf Schobesberger, die in den letzten Monaten auch optisch einen eher skurrilen Wandel mit extrem grellen, dick aufgetragenem Lippenstift und seltsamer, für das zierliche Gesicht viel zu großer Quadratbrille vollzog. Too much. Ging da eine Typenberatung daneben?
„Die Eva geht auf ihrem gutbezahlten Stadtratsposten in Pension, von selber zieht die sich nicht zurück.“
Ebenfalls unverständlich, dass die Linzer Grünen die Klima-Wahlplakate von der Nationalratswahl (wo die Grünen und das Klima-Thema bekanntlich komplett floppten) nahezu deckungsgleich übernahmen. Schobesberger bleibt aber dennoch eine fixe, allerdings konstant überschaubare Größe in Linz, daran wird sich auch 2027 nix ändern. Sie wird brav ihre grünen Themen weiter bespielen, das wars dann aber auch. Nach oben hin wird 2027 nix gehen, weil: „Die Eva geht auf ihrem gutbezahlten Stadtratsposten in Pension, von selber zieht die sich nicht zurück“, zwitscherte uns ein grüner Insider.
Lorenz Potocnik (Linz+): Bemüht, aber Bobo
Es war ein engagierter Auftritt von Lorenz Potocnik, der so ziemlich als Einziger im Linzer Gemeinderat eine Vision von zukunftsfähiger Stadtplanung hat. Auch sonst brachte er viele gute Ideen in den Wahlkampf (mehr Straßenkehrer, mehr Sauberkeit), gedankt wurde es ihm nicht. Potocnik verlor zwar knapp 750 Stimmen, aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung blieb aber das Ergebnis bei 3,6 Prozent picken. Das Minimalziel, Bester unter den die „Kleinen“ zu sein, gelang ihm aber klar.
Potocniks eigentliches Problem: oft Themen, die die Lebensrealitäten vieler Linzer nicht berühren und ein teils zu boboeskes Auftreten (Stichwort bunte Socken, pinkes Klapprad). Otto Normallinzer kann damit wenig anfangen. Weniger Auto-Kritik (Das ist leider Dauerthema) und mehr Lebensrealität, dann klappt’s vielleicht 2027 mit einem 5%+ Ergebnis.
Gerlinde Grünn (KPÖ): Linz ist doch nicht Graz
Zu Graz, das Linz laut KPÖ werden solle, hat es dann doch nicht ganz gereicht. 2,4 Prozent sind es für Gerlinde Grünn am Ende geworden. Auch wenn die Linzer „Kummerln“, wo das Kollektiv alles, der Einzelne aber nichts zählt, es nicht hören wollen: An der Spitze braucht es jemanden, der sich dort auch wohlfühlt, so etwas wie Führung ausstrahlt und auch das entsprechende Auftreten samt Rhetorik hat. All das erfüllt Gerlinde Grünn (die als Gemeinderätin sehr gute Arbeit leistet) – sagen wir nur in eine überschaubaren Ausmaß. Irgendwann wird man sich die Frage stellen müssen, ob es nicht besser wäre, in Richtung 2027 mal was anderes an der Spitze auszuprobieren – die Nummer 2, Michael Schmida, wäre da ein wohl nicht ganz falscher Vorschlag. Dann könnte man auch wieder von Graz als Vorbild träumen.
Georg Redlhammer (NEOS): Randnotiz
Bislang ein unscheinbares Beiwagerl der SPÖ (deren Anträge er immer eifrig unterstützt hat), wollte sich NEOS-Mann Georg Redlhammer (der 2021 als Notnagel nominiert wurde) in den Monaten vor der Wahl als Aufdecker positionieren. Ein kurzes Aufflackern als Kontrollausschussvorsitzender rund um die LIVA-Affäre ist allerdings zu wenig für vier Jahre Gemeinderat, der letzte Platz bei der Bürgermeisterwahl (2,3 Prozent) ist der Beleg dafür. Sollte er 2027 nochmals als NEOS-Frontmann kandidieren statt einem Jungen die Chance zu geben, wäre das ein pinker Schuss ins eigene Knie.
Kommentar
die Linzer Bürgermeisterwahl war vor allem von den vier großen Parteien eine absolute (finanzielle) Materialschlacht, bei der die Kleinen nicht mitkonnten – aber nicht nur das, sie wurden auch zerrieben in der Pendelbewegung: Nach dem Rechtsruck in Wien Wollten viele Blau und Schwarz in Linz verhindern und wählten anders. So fokussierten sich viele Stimmen auf die SPÖ. Diesen Effekt wird es 2027 möglicherweise nicht mehr geben. Neues Spiel, neues Glück.