2020 gab’s Corona-bedingt keinen, 2021 kam er aus Neumarkt im Mühlkreis, wurde gefladert und danach nicht vom Bürgermeister ausgelöst. Heuer kommt das Fichterl aus Altenberg. Man darf gespannt sein, ob in der relativ komplizierten Linzer Maibaumhistorie ein weiterer amüsanter Akt dazukommt. Für alle potenziellen Langfinger: Wir haben die Regeln zum ordnungsgemäßen Stehlen.
Beim Stehlen gilt grundsätzlich: „Der Maibaum muss ohne technische Hilfe, also händisch aufgestellt werden. An den ersten und letzten drei Tagen darf der Maibaum gestohlen werden. Der Maibaum darf nicht umgesägt werden, sondern muss in seiner ganzen Länge entfernt werden.“ Aber dazu später mehr.
Maibäume sind bereits seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt: Man verband ihn mit der Vertreibung böser Geister, Lob und Rüge für die Mädchen im Dorfe und Ehrenbezeigung für verdiente regionale Persönlichkeiten. Doch eigentlich war der Maibaum einst ein Hexenbaum. Bei den Hexenverfolgern des 17. Jahrhunderts, die besonders in der Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai die Umtriebe der bösen Geister vermuteten, war der Maibaum ein starkes Symbol. Der Stamm des Baumes musste dabei sorgfältig abgeschält sein, damit die „Hexen sich nicht unter der Rinde festsetzen“ können. Das war auch der Hauptgrund, weshalb das Maibaumsetzen von den Aufklärern des 18. Jahrhunderts oftmals verboten wurde. Auch in Linz war das Maibaumaufstellen seit 1733 untersagt.
Erst rund um die 1848er Revolution wurden in Österreich wieder Maibäume aufgestellt, man nannte sie „Freiheitsbäume“. Sie wurden zum Symbol demokratischer Kräfte, nachdem die feudale Grundherrschaft mehr und mehr überwunden wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte sich der Maibaum-Kult immer mehr zum Zeichen von deutschnationalem Volkstum und nordischen Heidentum. Da war der Sprung nicht weit, dass sich die Nationalsozialisten diesen Brauch und seine Geschichte aneigneten.
So kam es, dass 1938 auch am Linzer Hauptplatz ein geschmückter Maibaum aufgestellt wurde. Das war auch der Grund, warum selbst lange nach der Kriegszeit im Maibaum-Brauchtum ein antiquiertes, „rechtes“ Gedankengut gesehen wurde. Erst 1976 überwand man dieses Denken und der Hauptplatz wurde wieder von einem Maibaum geschmückt.
Die OÖ Landjugend hat die jeweiligen Regeln aufgelistet. In Linz ist das regelkonforme Maibaumfladern übrigens (fast) unmöglich, weil vor einigen Jahren extra eine Art Schutzmechanismus rund um den Maibaum gebaut wurde. Grundsätzlich gelten folgende Vorschriften beim Baumfladern:
1. Es gilt der Vertrauensgrundsatz: Die Gruppe, die einen Maibaum aufstellt, kann davon ausgehen, dass sich Maibaumdiebe an den jeweiligen Lokalbrauch halten. Diese lokalen Regeln sind mündlich überliefert und unter www.ooelandjugend.at (Schwerpunkte, Kultur- und Brauchtum, Maibaumlandkarte) zu den einzelnen Gemeinden oder Städten abrufbar.
2. Sorgfalt beim Stehlen: Beschädigungen von Tafeln, Kränzen oder anderem Zubehör sind zu vermeiden. Sollte dies doch der Fall sein, ist Ersatz zu leisten.
Gestohlen werden darf nur der Maibaum und kein Zubehör. Auch das Zerstören des Baumes, etwa durch Zersägen des Stammes für den leichteren Abtransport, ist verboten. Dies fällt nicht unter Brauchtum und kann zu einer Anzeige wegen Sachbeschädigung führen.
3. Keine Polizei: Auf keinen Fall wird die Polizei eingeschaltet, Maibaumdiebstahl ist Brauchtum und unterliegt den jeweiligen Brauchtumsregeln. Kommt es aber zu Gewaltaktionen oder erheblichen Sachbeschädigungen, sollte die Polizei eingeschaltet werden, denn dann handelt es sich nicht mehr um Brauchtum.
4. Auslösen des Maibaums bei erfolgreichem Diebstahl: Entsprechend der Tradition wird der Baum mit Getränken und/oder einer Jause für die erfolgreichen Diebe ausgelöst, wobei letztlich das Verhandlungsgeschick beider Parteien entscheidet. Auch hier gilt aber der jeweilige Lokalbrauch.
5. Meinungsverschiedenheiten gütlich austragen: Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, sind diese entsprechend den Möglichkeiten rund um das Maibaum-Brauchtum auszutragen: etwa in einem spaßhaften Schauprozess, einem gemeinsamen Versöhnungsessen oder gegenseitigen Besuchen von Abordnungen der jeweiligen Gemeinden. Der Phantasie und dem guten Willen sind hier keine Grenzen gesetzt, wobei immer das Brauchtum und die Geselligkeit im Vordergrund stehen sollte.