Mit 4,9 Prozent zog NEOS letztes Jahr in den Linzer Gemeinderat ein. Nach 400 Tagen ist es Zeit für eine erste Bilanz. Fraktionsobmann und Stadtentwickler Lorenz Potocnik spricht von „40 Ideen für Linz. Viele davon schafften es dank uns in den Gemeinderat oder wurden bereits umgesetzt.“ Für die Zukunft will Potocnik „offensiver Innovationstreiber und Changemaker“ sein.
Lorenz Potocnik, vor 400 Tagen zogen Sie mit 4,9 Prozent in den Linzer Gemeinderat ein. Was haben Sie daraus gemacht?
Ich bin mal alle unseren internen Protokolle und Gemeinderatssitzungen durchgegangen. Wir haben rund 40 Ideen für Linz auf die Welt gebracht, einige davon sind bereits auf Schiene oder umgesetzt. Eine spannende Zeit mit vielen Volltreffern!
Ihre persönlichen Höhepunkte?
Zum Beispiel das Projekt Ebelsberg. Hier dienten unsere beiden Anträge als Basis für ein städtebauliches Planungsverfahren für ein ganzes Stadtviertel. Durch das beschlossene kooperative Verfahren sitzen dort jetzt alle Player an einem Tisch. Das ist bahnbrechend und hochinnovativ für Linz und Oberösterreich, weil es hier zum ersten Mal passiert. Oder das Projekt „Road Diet“ Dinghoferstraße – hier geht’s um eine Verschlankung überdimensionierter innerstädtischer Durchzugsstraßen. Da haben schon erste Treffen mit den Anrainern, der Politik und dem Magistrat stattgefunden.

Hochhäuser und der Gestaltungsbeirat gehören auch zu Ihren Lieblingsthemen.
Ja, weil das eine der größten Baustellen in der Stadt ist. Ich bin bei jeder Sitzung anwesend und rede dem Gestaltungsbeirat ins Gewissen, die städtischen Interessen zu wahren. Der Beirat ist beim derzeitigen Hochhausboom verrückterweise die einzige fachliche und somit wichtigste Instanz. Bei den geplanten, fast 100 Meter hohen Brucknertürmen etwa konnte so noch im letzten Augenblick die Reißleine gezogen und ein offener Architekturwettbewerb verwirklicht werden. Auch beim Dauerbrenner Hessenplatz haben wir im Hintergrund diskret mitgeholfen. Ich will auch weiter ganz stark verschiedene Anrainer-Initiativen wie aktuell etwa jene gegen den geplanten Tiefgaragenbau am Andreas-Hofer-Platz beraten.
Wie lässt sich die Zukunft für Linz am besten planen?
Ich fordere eine Zukunftswerkstatt. Auch Markus Hein von der FPÖ will sie unbedingt, der Ball liegt jetzt vor allem bei Bürgermeister Klaus Luger. Ich bin da aber zuversichtlich. Die Zukunftswerkstatt ist ein Jahrhundertprojekt. 2017 könnte es schon realisiert werden, davon bin ich überzeugt. Und auch unser Innovationspreis mit 12.500 Euro Dotierung und einer Top-Jury wie Bruno Buchberger hat für Wellen gesorgt. Wir haben damit gezeigt, wie man solche Wettbewerbe innovativ und kreativ anlegt – anders als die Pseudo-Geschichte „Ideen für Linz“ der SPÖ, wo man an eine wirkliche Umsetzung der Ideen gar nie ernstlich denkt.
Wie misst sich Ihr Erfolg?
Vor allem die überdurchschnittliche Medienresonanz, die mittlerweile einen dicken Ordner füllt. Nicht schlecht für eine 4,9 Prozent-Geschichte. Und auch auf Facebook erreiche ich mittlerweile mehr Menschen als viele Politiker, die schon seit vielen Jahren online sind. Mir scheint, wir beeinflussen auch die Sprache. Wer hat in Linz vor drei Jahren von Stadtentwicklung gesprochen. Oder kürzlich hat Bürgermeister Klaus Luger sogar den Begriff „enkelfit“ benutzt.
Aber Sie sind ja gar kein NEOS-Mitglied mehr, sondern „nur noch“ aus der Partei ausgetretener Fraktionsobmann. Was tun mit einem Abtrünnigen?
Ich vertrete die Werte von NEOS weiter. Bis zur OÖ-Wahl 2021 fließt noch viel Wasser die Donau hinunter. Ich gehe meinen Weg weiter vom Architekten zum Stadtentwickler und politischem Akteur – oder vom Einmischer aus der Zivilgesellschaft zum Kommunalpolitiker, der weit über die üblichen Schritte der Kommunalpolitik hinausgeht. Ich werde weiter der einzige Changemaker und offensiver Innovationstreiber im Linzer Gemeinderat sein. Meine Mission ist Linz innovativer zu machen, Potentiale zu heben, die Stadtentwicklung auf bessere Beine zu stellen. Und ich melde mich nur, wenn ich etwas zu sagen habe. Nein zu Lärm und Geräuschen, dem üblichen Politikspiel. Ja zu klaren Ansagen.
Sie haben viel von der Welt gesehen, sind aber in Linz gelandet. Wie das?
Stimmt, ich habe in einigen Metropolen gelebt und bin über Umwege in Linz gelandet. Das war 2003 und ich habe mich in die Stadt verliebt. Ich sehe Linz so ein bisschen als das Rotterdam oder das Genua von Österreich. Salzburg, Graz oder Wien sind mir zu spießig und bürgerlich, in Linz wird produziert und die Fast Forward-Taste gedrückt. Linz ist eine „Mittelstadt“ mit einem Rundum-Angebot und unschlagbarer Lebensqualität. Gefällt mir!