Wir Linzer schielen gerne nach Wien, Salzburg oder München, aber die uns am nächsten gelegene Großstadt kommt uns kaum in den Sinn: Dabei machte das nur 94 Kilometer nördlich von Linz gelegene Budweis in Tschechien in den letzten 20 Jahren eine enorme Entwicklung durch. 2028 wird die südböhmische Metropole europäische Kulturhauptstadt. Rege Bautätigkeit, Aufbruchstimmung und viele zukunftsweisende Projekte, die Budweis mehr ans Wasser seiner beiden Flüsse rücken, prägen die Stadt. Eine Delegation von Gemeinderäten und Pressevertretern, angeführt vom für Städtepartnerschaften zuständigen Stadtrat Michael Raml, machte sich letzte Woche ein Bild vor Ort. Auch ein Austausch mit der Oberbürgermeisterin der Stadt České Budějovice, Dagmar Škodová Parmová, die ihre Studienzeit in Linz absolvierte und perfekt Deutsch spricht, stand auf dem Programm.
Es ist in der Tat seltsam: Budweis in Südböhmen liegt uns so nah – und doch so fern. So gab es bislang nur wenig Zusammenarbeit, Kooperationen oder Gemeinsamkeiten, der im Dezember 1989 gefallene „Eiserne Vorhang“ ist selbst bei vielen jungen Linzern und Oberösterreicher zumindest im Kopf immer noch vorhanden. Dabei ist es verblüffend, wie ähnlich sich Budweis und Städte in Oberösterreich doch sind: Der Hauptplatz von Budweis gleicht jenem in Freistadt oder in Linz etwa nahezu aufs Haar, die Innenstädte sind ebenfalls kaum zu unterscheiden.
Was auffällt: Budweis legt in Sachen Erhalt alter, historischer Bausubstanz weit mehr Gefühl und Gespür an den Tag als Linz, wo lieber abgerissen als erhalten wird. Die gesamte Innenstadt wirkt gepflegt, sauber und bis in den letzten Winkel restauriert und herzeigbar – ein wohltuender Unterschied zu Linz, das teilweise in weggeworfenem Müll und Zigarettenstummeln zu ersticken droht.
Auch der Weihnachtsmarkt am Budweiser Hauptplatz wirkt authentischer und weniger überladen bis hin zu einer sachten, aber nicht minder schönen Weihnachtsbeleuchtung. Die Preise sind nach wie vor sehr attraktiv, ein Glas Punsch kostet hier mit EUR 2,30 exakt halb so viel wie auf den Linzer Weihnachtsmärkten, das Bier in den angrenzenden Lokalen selten mehr als 3 Euro. Im Zentrum des Weihnachtsmarktes in Budweis kann man auf einem Eisweg und einer größeren Freifläche rund um den Brunnen Eislaufen – auch das fehlt in Linz schmerzlich.
Neue Ballsporthalle um 60 Millionen Euro
In Budweis wird aber nicht nur Historisches bewahrt, sondern auch offensiv nach vorne geblickt: Bürgermeisterin Škodová Parmová gab in perfektem Deutsch einen Ausblick über die vielen laufenden und geplanten Bauprojekte der 100.000 Einwohner-Metropole. So wird bis 2028 eine Ballsporthalle mit 5.000 Sitzplätzen errichtet – Kostenpunkt: 60 Millionen Euro. An der Moldau wurden bzw. werden mehrere Freizeitbereiche und Strände direkt am Wasser errichtet, eines der Projekte heißt „Sunny Island“ und entsteht um 2 Millionen Euro auf einer Insel der Moldau, die mit einer Brücke verbunden ist. 2025 startet das Freizeit- und Strandprojekt „Vltava“, in das 900.000 Euro investiert werden. Auch die Ufer der Maltsch (dem zweiten Fluss in Budweis) sollen mit ökologischen Maßnahmen, Cafés und Lokalen belebt werden, dafür sind 8 Millionen Euro aus dem Kulturhauptstadt-Budget vorgesehen.
Autobahn Budweis-Linz auf tschechischer Seite bis 2028 fertig
Enorm was weiter geht auch in Sachen Straßenbau: So ist die D3-Autobahnverbindung von Budweis bis zur Staatsgrenze nach Österreich mittlerweile durchgehend in Bau, die 44 km lange Verbindung wird spätestens 2028 komplett befahrbar sein. Die Fahrzeit von Linz nach Beweis wird dann von 1:15h auf 45 Minuten sinken. Der weitere Verlauf der D3 von Budweis nach Prag (hier fehlt aktuell noch ein Teilstück von etwa 60km) soll bis 2033 fertiggestellt werden. „Auch an der Verbesserung der Bahnverbindungen nach Pilsen, Prag und Linz arbeiten wir intensiv“, so die Bürgermeisterin. Zudem wird ein Bypass, der die beiden großen Autobahnen um Budweis verbindet, in den nächsten drei Jahren um 80 Millionen Euro errichtet und das Stadtzentrum so entlastet.
Was auffiel: Worte wie „Klima“ oder „Klimaschutzmaßnahmen“ und damit verbundene Millioneninvestitionen plus Greenwashing-Aktionen wie Baumpflanzungen in der Innenstadt fielen im Rahmen der Budweis-Gespräche und in den diversen Projekten kein einziges Mal – auch das ein fast schon wohltuender Unterschied zur oft überbordend-hysterisch „grünen“ Investitionspolitik in Linz.
In Linz studiert
Mit Linz verbindet Škodová Parmová ihre Studienzeit, die sie hier verbrachte: „Linz war meine Studentenstadt, mit der Verbindung aus Industrie und Kultur hat man viele Möglichkeiten für den Tourismus umgesetzt. Linz ist eine Stadt von der römischen bis zur modernen Kunst, eine Arbeitsstadt mit vielen Naherholungsgebieten und schöner Lage an der Donau“, so die Bürgermeisterin, die so wie Michael Raml die Zusammenarbeit der beiden Städte künftig forcieren will.
Infrastruktur- statt Kulturprojekte
2028 wird Budweis Kulturhauptstadt, Michael Raml hat mit dem Know How von Linz09 wertvolle Unterstützung für die erfolgreiche Bewerbung geleistet, sagt Parmová: „Wir haben immer ehrfürchtig nach Linz und auf seine Entwicklung geblickt. 2009 war Linz Kulturhauptstadt, dank der Unterstützung aus Linz haben wir die Bewerbung gewonnen. Wir wollen 2028 etwas kreieren, das für Generationen bleibt, Schwerpunkt sind daher Infrastrukturprojekte.“ Ein Gegenbesuch in Linz wurde vereinbart.