AMPELMÄNNCHEN & Co.
In Wien, genau genommen im ersten Bezirk, dort wo die Touristen sind – und nur dort! – , gibt es seit neuestem gleichgeschlechtliche Ampelmännchen. Die Stadt will sich damit gegenüber „Andersliebenden“ als tolerant erweisen und wie man hört hat man es mit dieser Idee sogar bis in die New York Times geschafft.
Das ist das Positive daran. Endlich wieder angenehme Schlagzeilen! Die letzten kriegte Conchita Wurst für ihren Sieg beim Song Contest 2014. Danach war leider nichts mehr. Das Negative ist, dass das alles eigentlich schon wieder überholt ist. Während die Politik um die Wahrheit ringt, dass es in der Gesellschaft nicht nur heterosexuelle, sondern auch homosexuelle Menschen gibt (und damit immer noch nicht gut zurecht kommt, was durch den Umstand eindrucksvoll bewiesen wird, dass die Gleichstellung homo- und heterosexueller Lebenspartnerschaften erst unter dem Druck des Europäischen Gerichtshofes zustande kam), gibt es in der Sexualmedizin bereits sehr viel bessere Ansätze: den des Individualismus.
Die Praxis zeigt, dass man mit (nur) zwei Geschlechtern niemals auskommen wird. In Wirklichkeit gibt es so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt. Jeder, aber auch wirklich jeder definiert sein Geschlecht auf seine ganz persönliche Weise. Die Diskussion was „männlich“ und was „weiblich“ ist, zieht sich durch jede Paarberatung und führt zu immer neuen Ergebnissen. Mit Stereotypen ist es unmöglich, Sexualtherapie zu machen. Oder wollen Sie den Menschen erklären, wie sie ihre Beziehung zu gestalten haben oder welche Sexualität die richtige ist?
Nein, jeder Mensch hat sein eigenes Geschlecht und seine eigene Sexualität, er führt mit seinem Partner die ihm eigene Form der Partnerschaft. Das Ziel jeder medizinischen Behandlung muss die Förderung des Lebensglücks sein – und nicht die Bevormundung zu Gunsten fiktiver Normativität. Lassen wir also jedem Menschen „sein ganz persönliches Geschlecht“ und jedem Paar „seine ganz individuelle Beziehung und Sexualität.“
So sehr die Ampelmännchen in einem konservativen Staat wie Österreich ihre Berechtigung haben mögen: Als Sinnbild von Toleranz (von Akzeptanz kann ja noch lange nicht die Rede sein), so sehr gehen sie an den Bedürfnissen der Menschen bereits wieder vorbei. Das Ziel kann nicht die Erweiterung des Normalen von einer auf zwei Kategorien sein, das Ziel muss sein, den Menschen individualistisch wahr zu nehmen. Der Mensch als Individuum muss im Vordergrund stehen und nicht die Zuordnung zu Geschlecht und sexueller Orientierung.
Der Arzt und Sexualmediziner Georg Pfau exklusiv im l)inzider über Sex- und Beziehungsprobleme. www.sexualmedizin-linz.at I georg.pfau@me.com