In Österreich werden jährlich rund zehn Personen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Derzeit verbüßen ca. 150 Gefangene eine solche Strafe. Aber wie lange ist „Lebenslang“ tatsächlich? Die JKU beantwortet in einer Studie diese Frage: Nur 56% aller „Lebenslangen“ sitzen nach 20 Jahren tatsächlich noch ein, bis zum 30. Strafjahr sind es gar nur mehr 17 Prozent. Im Schnitt sitzt man bei „Lebenslang“ in Österreich 21 Jahre im Gefängnis.
Zwei Forscher der Johannes Kepler Universität Linz sind der Frage nachgegangen, wie lange lebenslang verurteilte Straftäter tatsächlich sitzen müssen. „Von Gesetzes wegen bedeutet eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht zwingend, bis zum Tode inhaftiert zu sein. Ab einer Verbüßungsdauer von 15 Jahren ist eine bedingte Entlassung möglich“, verweist Univ.-Prof. Alois Birklbauer (JKU Institut für Strafrechtswissenschaften) auf das Strafgesetzbuch. Zu diesem Zeitpunkt muss die Behörde prüfen, ob Gefängnisinsassen entlassen werden können. Später kann auch der oder die Gefangene Anträge auf bedingte Entlassung stellen.
Lebenslang dauert in Österreich im Schnitt 21 Jahre
Dazu haben die beiden Wissenschaftler 140 Akten analysiert. Von diesen zu lebenslanger Freiheitsstrafen verurteilten Personen waren 96 % Männer; Mord machte 99 % der Verurteilungen aus. Im Schnitt kamen auf eine Person fünf Entlassungsverfahren, sodass insgesamt rund 700 gerichtliche Entscheidungen untersucht wurden. Das Ergebnis: „Lebenslang“ bedeutet in Österreich kaum „bis zum Tod“. Die durchschnittliche Haftdauer liegt bei 21 Jahren. „20 Jahre nach Strafantritt befinden sich noch 56 % der zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Personen in Haft. Der Anteil der Häftlinge sinkt bis zum 25. Strafjahr auf 27 %, bis zum 30. Strafjahr auf 17 %. 33 Jahre nach Strafbeginn befinden sich noch 10 % der ,Lebenslangen‘ in Haft“, so Birklbauer.
Schnell geht es aber selten: Weniger als 5 Prozent der „Lebenslangen“ werden gleich nach den 15 Jahren Mindestverbüßungsdauer entlassen. Die Aussichten auf eine bedingte Entlassung sind ungleich verteilt. Die geringsten Entlassungschancen finden Häftlinge vor, deren Verurteilung auf einem Sexualmord gründet. Gefangene, die vor der gegenwärtigen Haft schon andere (zeitlich begrenzte) Freiheitsstrafen verbüßt haben, werden ebenfalls seltener bzw. später entlassen.
„Bis zum Tode“ in den USA
19 Jahre in Deutschland In den USA dauert die lebenslange Freiheitsstrafe auf Bundesebene generell bis zum Tod des Verurteilten an. Wird der Täter von einem Bundesgericht verurteilt, so hat er keinerlei rechtlichen Anspruch auf eine Freilassung, allein der Präsident kann ihn begnadigen. In Deutschland dauert eine lebenslange Freiheitsstrafe im Schnitt 19 Jahre, in Dänemark hingegen „nur“ 15 Jahre. Interessant auch der Vergleich der lebenslang inhaftierten Menschen: In den USA gibt es 50,3 „Lebenslange“ je 100.000 Einwohner, während es in Europa nur 3,3 je 100.000 Einwohner sind (laut Zahlen von 2015).
Österreichische Regelung menschenrechtskonform
Lebenslange Freiheitsstrafen entsprechen nur dann den Grund- und Menschenrechten, wenn für die Inhaftierten eine realistische Chance besteht, bei vertretbarer Gefährlichkeitsprognose zu Lebzeiten die Freiheit wiederzuerlangen. Die österreichische Rechtslage, die „Lebenslangen“ ab 15 Jahren Verbüßung eine Chance auf eine Entlassung einräumt, entspricht diesen Vorgaben. Der Umstand, dass in der Mehrheit der Fälle eine bedingte Entlassung auch tatsächlich erfolgt, dokumentiert die Kompatibilität der Praxis mit diesen Rechten.