Die Linzer KPÖ ist mit einem Mandat die kleinste im Linzer Gemeinderat vertretene Partei. Michael Schmida ist Landessprecher der KPÖ Oberösterreich und Mitglied des Bundesvorstandes der Kommunisten. Im LINZA Talk spricht er über die Chancen der „Kummerln“ bei der nächsten Wahl und über die Linzer Kommunalpolitik.
Michael Schmida, wie ist es euch als Ein-Mandats-Fraktion im Gemeinderat in den letzten fünf Jahren ergangen?
Durchwegs positiv. Wir haben uns in dieser Zeit gezielt verbreitert, nicht nur, was die Themen und die Inhalte betrifft, sondern auch die handelnden Personen. Wir sind eine moderne Linkspartei geworden, die sich um die elementaren sozialen Probleme kümmert. Aber auch die ökologischen Aspekte lassen wir nicht außen vor – im Gegenteil: Wir verbinden die beiden Themen miteinander. Das bedeutet Nachhaltigkeit mit sozialer Verantwortung.
Gerade im linken Spektrum gibt es immer wieder sehr viele Kleinparteien, die auftauchen und auch genauso schnell wieder verschwinden. Warum gibt es da nicht mehr Einheit, wie etwa auf der anderen Seite des politischen Spektrums mit der FPÖ?
Naja, auf der rechten Seite stimmt das ja auch nicht so, da gibt es auch immer wieder verschiedene Gruppierungen…
…aber zu Wahlen tritt mit der FPÖ meist jeweils nur eine Partei aus dem rechten Spektrum an.
Bei den Linken ist es sicher ein Problem, dass es keine österreichweite einheitliche Partei gibt, die entsprechend stark auftreten kann. In Deutschland gelingt diese Einheit ganz gut, in Österreich sind wir da noch nicht so weit. In Linz ist die Situation aber besser, weil wir mittlerweile seit elf Jahren wieder im Gemeinderat sitzen. Die Menschen sehen auch, dass wir sehr gute soziale Politik für einen größeren Personenkreis machen. Wir arbeiten auch daran, dass es nicht so wie 2015 mehrere kleine Linksparteien gibt, die antreten, sondern es eine gemeinsame Liste geben wird.
Die Grünen sind stramm in Richtung bürgerliche Mitte unterwegs, die SPÖ grundelt verlässlich bei ihren historischen Tiefstwerten herum. Ist Links out? Soziale Themen gäbe es mehr als genug und auch der nötige Idealismus wird gerade den Linken wohl am wenigsten von allen Parteien abgesprochen.
Wir haben es weltweit mit der Zunahme von rechten Populisten zu tun. Grund ist eine Mischung aus Unzufriedenheit und Protest und natürlich die Angst und Unsicherheit beim Thema Migration. Die Linken haben es bislang nicht geschafft, dem etwas entgegen zu setzen – nämlich einen positiven Weg für alle. Wenn die Populisten an der Macht sind, wird es für die Menschen nicht besser – im Gegenteil. Oft kommt dann auch noch das Thema Korruption dazu, wie die jüngste Vergangenheit zeigt.
Und die Grünen als ehemalige „linke Speerspitze“?
Die profitieren momentan voll von der Klimaproblematik, die natürlich auch eine der wichtigsten Fragen der Menschheit ist. Die Antworten der Grünen greifen aber fast alle zu kurz. Sie sprechen nur bestimmte Gruppen, die sich so ein ökologisches Leben auch leisten können, an. Darin sehe ich unsere Aufgabe: Zu versuchen, das Soziale und das Ökologische zu verbinden und ein gutes Leben in einer nachhaltigen Welt, wo die Lebensgrundlagen für alle gesichert sind, zu erreichen.
Und wie soll das aussehen?
Statt grüner Lifestyle-Politik stellen wir bestimmte Dinge radikaler in Frage – etwa das Thema Kapitalismus, das immer mehr, mehr, mehr, das alleinige Schielen auf die Gewinne, wo sowohl die Menschen als auch die Natur auf der Strecke bleiben.
Zurück nach Linz: Wie beurteilen Sie die Performance der anderen Linzer Parteien in den letzten fünf Jahren?
Die meisten großen Fragen wurden von Rot und Blau bestimmt. Das beginnt bei der Verkehrspolitik und geht bis hin zu sozialen Themen, wo die SPÖ fast nur mehr auf der neoliberalen Seite zu finden ist. Da wird lieber eingespart, statt auf soziale Aspekte zu achten. Bürgermeister Luger hinterlässt da leider kein positives Bild. Er gehört eher zu den Bremsern und Blockierern einer modernen Stadt. Luger spricht ständig von Innovation, aber die Realität ist eine ganz andere.
Und zwar?
Linz ist bei den Themen, die die Menschen betreffen, so uninnovativ wie kaum eine andere Stadt. Zu Innovationen gehören nicht nur wirtschaftliche Dinge und Unternehmen, sondern etwa auch der Verkehr. Wir haben gerade die Posse mit der Nibelungenbrücke erlebt, das war einfach nur traurig und sowas von gestrig. Mit mehr Straßen und Brücken erhöhe ich nicht die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in der Stadt. Andere Städte haben längst die Zeichen der Zeit erkannt und machen keine Politik für Autos. Moderne Mobilität schaut anders aus – sie gibt den Menschen die Räume zurück.
Was wäre denn Ihre erste Maßnahme im Linzer Verkehr, die Sie als Bürgermeister umsetzen würden?
Natürlich den Radweg auf der Nibelungenbrücke. Die einfachste Maßnahme ist dabei, einen Fahrstreifen für die sanfte Mobilität abzusperren.
Ist es nicht furchtbar zermürbend – seit elf Jahren sitzt die KPÖ im Gemeinderat, allerdings mit nur einem Mandat. Damit ist es nicht mal möglich, eigene Anträge einzubringen, weil Sie dazu ja die Unterschrift von mindestens zwei Mandataren benötigen. War oder ist Aufgeben keine Option – so unter dem Motto „Okay wir haben’s versucht, aber mehr geht einfach nicht“?
In der DNA der Linken steckt immer sehr viel Hoffnung und Optimismus, auch wenn es abgedroschen klingt: Aufgeben tut man nur Briefe. Solange man sieht, wieviele Dinge in der Stadt nicht positiv laufen, muss man sich ganz einfach einmischen und versuchen, die Situation zu verbessern. Und was unsere Anträge betrifft: Hier gibt es immer wieder Kooperationen mit den NEOS oder den Grünen, die uns dabei unterstützen. Gerade, was das Soziale betrifft, braucht es die KPÖ, weil das die anderen nicht so auf dem Radar haben. Ein gutes Beispiel ist unsere Idee des Kautionsfonds, der im Gemeinderat mehrheitlich beschlossen wurde.
Und wie läuft die Zusammenarbeit mit der SPÖ? Schließlich war Bürgermeister Klaus Luger sogar mal Mitglied in eurer Partei.
Es gibt natürlich schon so etwas wie eine gemeinsame Geschichte – jener der Arbeiterbewegung. Von SPÖ-Fraktionschef Giegler wurde auch mal die Bereitschaft geäußert, dass manche unserer Vorschläge aufgegriffen und unterstützt werden. Leider ist das dann aber nie passiert.
In Graz stellen die Kommunisten mit zehn Mandataren die zweitstärkste Fraktion. Was machen die steirischen Genossen so viel besser als die Linzer?
Wenn wir die Antwort wüssten, hätten wir das schon auf Linz übertragen. Es sind ganz gewisse Besonderheiten – einerseits Personen wie Ernst Kaltenegger, der die Partei damals als Ein-Mann-Partei übernommen und aufgebaut hat. Und wie man andererseits mit bestimmten Themen voll punkten konnte. Gewisse Dinge kann man sicher abschauen, aber einfach alles kopieren funktioniert nicht. Man muss auch sehen, dass die SPÖ in Graz weit nicht die Stärke hat wie in Linz, die sind dort nur Vierter und haben keinerlei Machtpositionen.
Eure Spitzenkandidatin Gerlinde Grünn hat die letzten beiden Gemeinderatswahlen recht wacker geschlagen und jemals ein Mandat geholt. Wäre es dennoch nicht an der Zeit, es im dritten Anlauf mit einem neuen Spitzenkandidaten wie zum Beispiel Ihnen zu versuchen?
Eine Entscheidung dazu gibt es noch nicht. Was die Spitzenkandidatur betrifft, ist relativ klar, dass Gerlinde wieder antreten wird. Wir haben auch keine Liste, auf der nur Parteimitglieder stehen, sondern auch viele Unabhängige. Das wollen wir noch weiter verbreitern. Wir sind eine sehr junge, weibliche Partei, auf unserer Liste finden sich abwechselnd Männer und Frauen.
Wenn man eure Inhalte durchgeht, finden sich durchaus mehrheitsfähige Themen darunter. Womit aber Otto Normalwähler ein Problem hat, ist euer Name: die KOMMUNISTISCHE Partei Österreichs. Wäre es nicht gescheiter, diese Altlast loszuwerden und etwa so wie die Linken in Deutschland auf einen neuen Namen zu setzen – oder fiele das für Sie unter Selbstverleugnung?
Selbstverleugnung würde ich nicht sagen, denn viele Dinge sind schon weit über die Grenzen der KPÖ hinausgewachsen. Wir sind da eher vergleichbar mit der angesprochenen Linkspartei in Deutschland. Es gibt in unserer Partei tatsächlich Intentionen, den Namen zu ändern. Identitätsfragen sind natürlich immer schwierig. Aber es gibt auch die andere Seite wie in Graz, die zeigt, dass man auch mit dem K in unserem Parteikürzel erfolgreich sein kann.
Haben Sie kein Problem damit, was der Kommunismus in der Menschheitsgeschichte, aber auch in der jüngsten Zeit in China, Russland oder Nordkorea schon alles angestellt hat?
Es gab und gibt eine klare Distanzierung was Terror, Stalinismus, Diktatur oder die Verleugnung von Menschenrechtsfragen betrifft. Mit Putin oder sowas haben wir überhaupt nichts am Hut.
Was bedeutet Kommunismus für Sie persönlich?
Der Wille, für die Unterdrückten und alle, die es nicht so richten schaffen in der Gesellschaft, da zu sein. Der immensen Ungleichheit und der enormen Umweltzerstörung etwas entgegenzusetzen. Da gibt es viele kommunistische Grundwerte, die heute aktueller denn je sind.
Werdet ihr bei euren Veranstaltungen und Standl-Aktionen auf die teilweise dunkle kommunistische Geschichte und Menschenrechtsverletzungen in den erwähnten Ländern angesprochen?
Dass es überhaupt kein Thema mehr ist, kann man nicht sagen. Aber es spielt eine immer kleinere Rolle, vor allem bei den jungen Leuten.
Womit viele auch nicht können: Die KPÖ-Forderung nach komplett offenen Grenzen und ungehemmtem Zuzug in der Migrationsfrage.
Um ehrlich zu sein: Ja, wir sind für offene Grenzen. Deswegen braucht aber niemand Angst zu haben. Durch die betriebene Abschottung wird das Leben der Menschen hier nicht besser. Es wird deswegen kein Arbeitslosengeld erhöht, es gibt auch keine höheren Löhne. Vielmehr werden nur Personengruppen gegeneinander ausgespielt. Das Sterben an den Grenzen muss aufhören, wir leben ja angeblich mitten in einem Friedensprojekt Europa.
Themenwechsel: Bei den diversen „Corona-Demos“ laufen sowohl einige rechte als auch linke Gruppierungen mit. Wie lautet denn eigentlich eure Position in der Corona-Frage?
Unser Haltung ist klar: Wir kritisieren nicht die Maßnahmen an sich, sondern die Folgen – und wie die Politik damit umgeht. Wie so oft können es sich auch hier die Reichen und die Konzerne richten oder profitieren sogar noch von der Krise. Treffen tut es den Großteil der Bevölkerung, wo es sogar bis an die Existenz geht. Hier muss man sehr wohl die Regierung und die Corona-Maßnahmen samt deren Folgen kritisieren.
Was fix in der DNA der Kommunisten steckt, ist der Begriff Solidarität. Wie solidarisch ist Linz und seine Bevölkerung?
Die Solidarität ist sicher nicht besser geworden, es gibt eher die Tendenz zu einfachen Lösungen – also Problemverdrängung in Form von Verboten – Grillverbot, Bettelverbot, Alkoholverbot. Das sind aber alles keine echten Lösungen, sondern Scheinlösungen.
Was wäre denn bei diesen Fragen eine geeignete Lösung?
Wenn man gemeinsam mit Rand- und Problemgruppen und der Bevölkerung einen sozialen Ausgleich herstellt und Lösungen sucht und findet. Es gibt leider einen Trend zur Entsolidarisierung der Gesellschaft.
In einem Jahr wird gewählt. Was wird es denn für eine Hauptstoßrichtung geben bei den KPÖ-Themen?
Das ist noch nicht festgelegt. Es werden aber authentische Themen sein – soziale Fragen, Fragen des Arbeitsplatzes, Wohnen, soziale Absicherung und natürlich die Verkehrspolitik. Kurz: Ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Verantwortung.
2015 stellte die KPÖ als einzige Gemeinderartspartei keinen Kandidaten zur Bürgermeisterwahl. Damit nahm man sich auch ein Stück Öffentlichkeit weg.
Stimmt. Ich lüfte jetzt das Geheimnis, dass unsere Spitzenkandidatin Gerlinde Grünn 2021 auch für das Amt der Bürgermeisterin kandidieren wird.
Wie geht’s der KPÖ finanziell? Nach wie vor geistern Gerüchte herum, eure Partei wäre finanziell sehr gut ausgestattet.
In Linz sind wir ein bisschen abgesichert, weil wir im Gemeinderat vertreten sind und es da etwas Parteienförderung gibt. Und wir haben in der Melicharstraße ein eigenes Haus, das großteils an diverse Initiativen und Institutionen vermietet ist, das erhält sich quasi von selbst. Das ist aber alles nicht vergleichbar mit den Mitteln, die die Grünen und andere zur Verfügung haben. Reich ist die Partei weder auf Stadt-, noch auf Landes- oder Bundesebene. Wir leben von der Ehrenamtlichkeit.
Letzte Frage: Von null bis 100% – wie weit würden Sie sich links von der Mitte verorten?
Ich würde sagen mindestens bei 95%.