Vor einem halben Jahr übernahm Lorenz Potocnik von NEOS Linz den Vorsitz im Linzer Kontrollausschuss. Das dazugehörige Kontrollamt überprüft mit seinen etwa zehn Mitarbeitern die wirtschaftliche Gebarung der Finanzen der Stadt Linz, ihrer Töchter und der städtischen Fördernehmer. 2021 warten einige brisante Schwerpunkte auf das Gremium. U.a. geht es um einen 15,6 Millionen Euro-Rahmenvertrag der nicht den Compliance-Regeln entsprechen könnte.
Lorenz Potocnik, seit sechs Monaten stehen Sie an der Spitze des Kontrollausschusses. Was hat sich seither getan?
Neben zahlreichen Routinekontrollen diverser Stadt-Projekte war die Prüfung des Design Centers mit den bekannten verheerenden Ergebnissen einer der wichtigsten Outputs. Dort mangelt es seit mehreren Jahren systematisch an allen Ecken und Enden – sowohl personell, als auch finanziell und organisatorisch. Mittendrin stecken Bürgermeister Luger und sein Vize Baier, die offensichtlich nach wie vor nicht gewillt sind, endlich für eine zukunftweisende und vor allem parteibefreite Neuaufstellung des Design Centers zu sorgen. Die Herren haben nach wie vor den Vorteil ihrer Parteien und nicht das Wohl der Stadt im Kopf.
Welche Durchgriffsmöglichkeiten hat das Kontrollamt im Fall des Design Centers?
Leider gar keine. Es kann nur prüfen und aufzeigen. Die Berichte sind leider nicht einmal öffentlich für alle Linzer einsehbar. Entscheidend ist daher, worauf das Kontrollamt sein Augenmerk legt.
Wer entscheidet, was und wie geprüft wird?
Das obliegt einzig und allein dem Kontrollamtsdirektor. In den Prüfplan bekomme ich als Ausschussvorsitzender aber keinen Einblick. Im Ausschuss können wir aber mit einem Drittel der Stimmen bestimmte Prüfaufträge erteilen. Aber auch dann können diese Anträge auf die lange Bank geschoben werden – etwa wenn der Kontrollamtsdirektor sagt, der Prüfplan lässt keine schnellere Erledigung zu.
Wie würden Sie das Gremium des Kontrollamts in seiner aktuellen Wirkungsweise grundsätzlich bewerten: Sinnvoll oder zahnlos?
Mit dem Bericht des Design Centers wurde gezeigt, dass man kann, wenn man will. Leider wird diese Kapazität meines Erachtens aber zu wenig oft richtig ausgeschöpft. Meist wird schaumgebremst agiert. Nicht überall, wo etwas offensichtlich nicht passt, wird auch hingeschaut und hingegriffen.
Was wollen Sie sich 2021 im Kontrollausschuss vorknöpfen?
Ich sehe da drei konkrete Fälle auf uns zukommen. Ganz sicher ein Fall für die Prüfer – es wird leider nur im Nachhinein geprüft – wird das leicht vorhersehbare Fiasko mit Lugers Blau-Weiß Stadion. Statt den ursprünglich vereinbarten neun Millionen Baukosten und einer Drittelung zwischen Stadt, Land und Klub stehen wir schon jetzt lange vor dem Baubeginn bei etwa 25 Millionen Euro – also dreimal so viel. Mit den Toleranzen sind sogar jetzt schon 28 Millionen € wahrscheinlich. Der Klub hat sich komplett, das war leicht vorhersehbar, zurückgezogen. Die ganze Verantwortung liegt nun bei der Stadt. Und nach der Fertigstellung geht es erst richtig los, weil die hohen laufenden Betriebskosten da gar nicht mitgerechnet sind. Dazu braucht Blau-Weiss zusätzlich ein Trainingszentrum. Der Klub hat aber kein Geld und wir schlittern coronabedingt gerade in eine der schwierigsten Phase, die Linz je erlebt hat. Ist das wirklich der richtige Moment für zwei große Stadien, noch dazu für einen Klub, der selbst kein Geld hat?
Ganz aktuell ist auch das Projekt des sogenannten „Innovationshauptplatz“, das seit Sommer 2019 über 600.000 Euro verschlang und kaum messbare Wirkung hat. Diese Selbstvermarktungs-Spielerei vom Bürgermeister, wo unter anderem vertraute SPÖ-Mitarbeiter auf Kosten der Stadt untergebracht werden, gehört besser heute als morgen geprüft.
Sie sprachen von drei konkreten Prüfanlässen – was ist der dritte?
Da geht’s um einen riesigen IT-Auftrag im Rahmen von über 15 Millionen Euro – dieser wurde von der IKT Linz an die Firma des Mannes der neuen Linzer Magistratsdirektorin vergeben. Es geht um das „Splitoff“ der Linz AG und des KUK’s, also die Neuaufstellung der städtischen IT nach dem Rückzug aus dem Kepler Universität Klinikum. Natürlich erfolgte eine entsprechende Ausschreibung, bei der Vergabe passierten für mich aber schwer nachvollziehbare „Zufälle“, die es ganz genau zu hinterfragen gilt.
Welche genau?
Obwohl es um einen Riesenauftrag von fast 16 Millionen Euro geht, haben sich nur drei Firmen darum beworben. Meines Erachtens prädestinierte Firmen waren da nicht dabei. Bekommen hat den Auftrag ausgerechnet die Huemer IT Solutions aus Wien, die so ein Auftragsvolumen noch nie abgewickelt hat und seit Monaten intensiv nach Mitarbeitern sucht, um dieses Riesending überhaupt stemmen zu können.
Was ist daran ungewöhnlich? Viele Firmen in diesem Bereich wachsen schnell und suchen Mitarbeiter.
Gegenfrage: Finden Sie es nicht auch seltsam, dass diese Firma ausgerechnet dem Gatten der neuen Linzer Magistratsdirektorin gehört, die noch dazu geholt wurde, um die Digitalisierung in Linz voranzutreiben? Auch fallen ihre Bestellung und die Auftragsvergabe praktisch zeitlich zusammen. Freunde aus Wien haben mir glaubhaft versichert, dass es da auch enge freundschaftliche Verbindungen der entscheidenden Personen gibt. Das beunruhigt mich. Sehr.
Aber es ist ja nicht verboten, dass der Gatte der Linzer Magistratsdirektorin Geschäfte mit der Stadt macht und man sich auch privat versteht.
Nein, aber das geht in dieser Form absolut nicht. Das entspricht zumindest für mich nicht den strengen Compliance-Regeln der Stadt Linz und ihren Töchtern. Bitte lesen Sie selber nach. Und wie schon gesagt, haben sich für diesen lukrativen Auftrag auffällig wenige Unternehmen beworben. In Summe eine doch sehr ungewöhnliche Konstellation.
Gefallen Sie sich eigentlich in der Rolle des Aufdeckers, des „Peter Pilz“ von Linz?
Bei solchen Sachen muss genau hingeschaut werden. Vertrauen ist eh gut, aber bei Bürgermeister Klaus Luger ist Kontrolle ganz sicher besser. Einen möglichen Schaden müssten schließlich wir alle zahlen und nicht nur die Verursacher. Im Unterschied zu vielen Gemeinderäten in dieser Stadt nehme ich meinen Job als Oppositionspolitiker und nun auch als Vorsitzender des Kontrollausschusses sehr ernst.