Seit 2015 ist der Trauner Herwig Mahr Klubobmann des FPÖ Landtagsklub. Beim 59-Jährigen laufen alle Fäden des Junior-Regierungspartners zusammen. Im LINZA-Talk zieht Mahr Bilanz zur Halbzeit der aktuellen Legislaturperiode und nimmt auch zu kritischen Stimmen im Landtag Stellung.
Herwig Mahr – Sie sind seit 2009 Landtagsabgeordneter und wurden 2015 Klubobmann der FPÖ Oberösterreich. Wie lautet Ihre Bilanz zur Halbzeit der aktuellen Legislaturperiode?
Die Zusammenarbeit mit der ÖVP funktioniert sehr sehr gut. Wir haben bereits viele wichtige Maßnahmen umgesetzt, uns stehen aber noch drei arbeitsintensive Jahre bevor. Als Meilenstein für Oberösterreich sehe ich insbesondere das Jahr 2018, weil wir erstmals ausgeglichen bilanzieren.
Sie sitzen als Klubobmann im Epizentrum der Landespartei, aber auch der Bezirksstellen. Wie schwierig ist es da, alle Befindlichkeiten immer unter einen Hut zu bekommen? Ich stelle mir vor, dass Sie ein sehr konsensbedürftiger Typ sein müssen.
Unseren Erfolg im Landtagsklub macht aus, dass wir uns zweimal in der Woche treffen. Wobei ich unter dem Klub nicht nur die 18 Abgeordneten verstehe, sondern auch die drei Bundesräte, die drei Regierungsmitglieder und die Büroleiter. Bei uns wird konsequent und straight gearbeitet, dennoch haben wir immer Zeit, dass wir uns zusammensetzen und miteinander reden. Man muss die Leute motivieren können und für eine neue Sache faszinieren. Und das funktioniert nur, wenn die Menschen untereinander gut umgehen können. Ich glaube, so mancher andere Klub beneidet uns um unsere gute, freundschaftliche Basis.
Hat sich in der Zusammenarbeit mit der ÖVP seit dem Landeshauptmann-Wechsel etwas zum Positiven oder Negativen verändert?
Als alter Trauner, der gerade mal 300 Meter von Altlandeshauptmann Josef Pühringer entfernt wohnt und ihn seit Kindesbeinen kennt, habe ich zu ihm natürlich eine ganz besondere Beziehung. Thomas Stelzer kenne ich seit 2009, er ist ein pragmatischer Arbeiter. Beide stellen immer das Positive in den Vordergrund, und natürlich arbeiten beide generationsbedingt ganz anders. Die Zusammenarbeit funktioniert auch mit Thomas Stelzer sehr gut.
Schwarz-blau in Oberösterreich war ja auch ein bisschen ein Vorbild für den Bund. Wie beurteilen Sie Performance der Regierung Kurz/Strache?
Sehr gut, wenn man daran denkt, dass die Regierung erst ein gute halbes Jahr arbeitet – das sieht man ja auch an den aktuellen Umfragewerten. Dass es da und dort am Beginn einer Zusammenarbeit ein paar kleine Kinderkrankheiten gibt, ist klar. In Summe dürfen alle Beteiligten schon sehr zufrieden sein.
Besonders von der SPÖ kommt sowohl im Land als auch im Bund ein nicht endenwollendes Dauerfeuer. Reines Oppositionsgeplärr oder können Sie manche Kritik nachvollziehen?
Das ist, wie Sie es nennen reines ‚Oppositionsgeplärr‘. Ich kann die Kritik in vielen Bereichen überhaupt nicht nachvollziehen. Opposition ist das eine, sie hat das Recht, zu kritisieren. Ich kann aber nicht alles unter dem Begriff Opposition kritisieren und niedermachen. Etwa bei der Kritik zum ausgeglichenen Budget – bei sowas habe ich überhaupt kein Verständnis.
Bei aller Kritik und böser Worte: Welches Angebot würden Sie eher annehmen: Ein Glas Rotwein mit Birgit Gerstorfer oder ein Achterl Grüner Veltliner mit Rudi Anschober?
Nachdem ich ein Weinfreak bin, würde ich beide Angebote annehmen. Zuerst würde ich mit Rudi Anschober den Grünen Veltliner trinken und dann den Roten. Ich habe da überhaupt keine Berührungsängste, im Gegenteil. Ich bin ein Politiker, der sagt: Wenn eine Idee gut ist, dann ist sie gut – egal von wem. Und wenn sie schlecht ist ist sie schlecht – so sollte es sein. Und es ist klar, dass auch Politiker Fehler machen. Dann sollte man aber auch den Mumm haben, dazu zu stehen. Das würden Medien und die Öffentlichkeit auch verstehen.
Der zweite Platz in Oberösterreich ist für die FPÖ fest abgesichert. Der Abstand zu Platz 1 ist geringer als zu Platz 3. Was geht da noch nach oben?
Sicher noch einiges, auch wenn wir 2015 unter Manfred Haimbuchner mit 30,4% das historisch beste Ergebnis erzielt haben. Ich glaube, dass wir durch unsere konstant positive Politik in der Bevölkerung mittlerweile ein Standing haben, dass wir von noch mehr Menschen als wählbare Alternative gesehen werden.
Durch zu viel Nähe zur ÖVP – kann da nicht auch die Unterscheidbarkeit verloren gehen?
Das glaube ich nicht. Unser Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP ist richtig und sinnvoll, es ermöglicht aber auch den Spielraum, den eine Partei braucht.
Der neue Kriminalitätsbericht schaut auf den ersten Blick gut aus. Der Teufel steckt aber im Detail, oder?
Ich sehe das genauso – wenn man eine enorme Steigerung bei den Haus- und Wohnungseinbrüchen und 26% mehr Vergewaltigungen hat. Gottseidank haben wir eine hervorragend arbeitende Exekutive. Ein Thema ist hier natürlich, dass wir mehr Beamte brauchen. Wels bekommt jetzt zwar eine Polizeischule, das dauert aber auch zwei Jahre, bis hier die ersten ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Da wurde in vergangenen Jahren einiges verschlafen, aber wir arbeiten daran.
Speziell das Drogenproblem scheint auszuufern.
Hier wäre ein härteres Durchgreifen sinnvoll. Die Exekutive hat oftmals gar keine richtige Handhabe, hier müssen Gesetzesänderungen her. Dass es Lösungen gibt, zeigt der Hessenplatz, der uns jahrelang beschäftigt hat. Dieser Park wurde für Familien, alte Menschen und Erholungssuchende geschaffen. Jetzt herrscht dort dank der FPÖ Ruhe. Wie kommt die redliche Bevölkerung dazu, dass sie von 30 oder 40 ‚Narrischen‘ rund um die Uhr über Jahre tyrannisiert wird. Das kann doch nicht ernstlich der richtige Zugang sein.
Ein Riesenthema ist nach wie vor die Asylproblematik – speziell bei den Lehrlingen. Da und dort werden manche Rufe immer lauter, eine Lehre als Asylgrund quasi anzuerkennen.
Gottseidank haben wir mit dem Innenministerium jetzt das entsprechende Ressort. Wir versuchen gemeinsam, mit Hochdruck die Asylverfahren zu beschleunigen. Vorbild ist die Schweiz mit 155 Tagen. Ich verstehe jeden einzelnen Lehrherrn, der keine Auszubildenden bekommt und dann, wenn er einen guten hat, wird er ihm weggenommen. Was dennoch nicht sein kann: dass ein Unternehmer sagt ‚Ich erteile dir jetzt politisches Asyl.‘ Diese Entscheidung kann und darf nur vom Staat erfolgen.
Die Lösung dieser Frage liegt also in schnelleren und kürzeren Asylverfahren?
Ja. Es kann doch nicht so schwer sein, dass ich alle Beweggründe und Fakten in einem Verfahren zusammenfasse und dann entscheide JA oder NEIN. Ein NEIN bedeutet dann aber auch eine konsequente und schnelle Rückführung oder Ausreise. Andererseits verstehe ich auch nicht, dass man eine Familie, die sechs oder sieben Jahre da ist, das Kind schon so lange bei uns in die Schule geht, perfekt integriert ist und dann erst die Entscheidung zur Abschiebung fällt. Das ist aber ein gesellschaftspolitisches Problem, das nicht nur den Asylbereich betrifft. Schauen Sie sich den Westring an, das geht ewig dahin, da fehlt auch in der Bevölkerung mittlerweile jedes Verständnis. Solche Verfahren gehören zügig und zeitlich begrenzt über die Bühne gebracht.
Das Thema Zusammenlegungen von Bezirkshauptmannschaften wurde anfangs intensiv diskutiert, jetzt ist das Thema merklich abgeflaut. Wie geht’s da weiter?
Das Thema ist weiter aktuell. Ich habe die Problematik 2015 persönlich angestoßen, in Eferding und Grieskirchen haben wir die Zusammenlegung der Bezirkshauptmannschaften ja bereits umgesetzt. In Summe wurden so 1,5 Millionen Euro eingespart. Natürlich wäre da noch mehr gegangen, leider haben das nicht alle so gesehen. Aktuell wird dieses Thema mit den Statutarstädten verhandelt. Ich lasse da nicht locker, weil es mit ein persönliches Anliegen ist.
Wenn man von Linz Richtung Wels fährt, ist zwischen Leonding, Pasching und Traun keine Grenze mehr zu bemerken. Sollte man nicht auch die Zuammenlegung von Städten und Gemeinden offener und mutiger diskutieren?
Sie haben zu 100 Prozent recht. Wir werden uns über kurz oder lang diesem Thema nicht mehr verschließen können. Aber natürlich stehen da viele menschliche Schicksale dahinter. Da ist der eine oder andere dann kein Gemeinderat mehr oder verliert seine Position – und das sind die, die am lautesten schreien und die Bevölkerung beeinflussen. Aber wir werden umdenken müssen – wenn wir das Thema ordentlich aufbereiten, bin ich zu 100% sicher, dass die überwältigende Mehrheit sagt: Wenn die Leistungen gleich bleiben, dann schauen wir uns das an. Laut Statistik muss ein Mensch 1,8mal im Leben auf die BH. Wenn man die 1,8mal im Leben um fünf oder zehn Kilometer weiter fahren muss, ist das völlig egal – wenn man gleichzeitig jedes Wochenende 70 Kilometer freiwillig ins große Einkaufszentrum pendelt.
Bis zum Wahljahr 2021 gibt es nur noch zwei volle Jahre, in denen was weitergebracht werden kann. Was gilt es unbedingt noch abzuarbeiten?
Für heuer liegt mir ganz stark am Herzen, dass wir unsere Heimat in die Verfassung hineinbringen. Heimat – das sind wir, das ist unsere Natur, unser Brauchtum, unsere Gepflogenheiten. Bei aller Schnelllebigkeit unserer Zeit dürfen wir unsere Wurzeln nicht vergessen. Zudem werden wir uns ganz stark mit unserem Sozialsystem beschäftigen – hier ist aus demografischen Gründen sehr vieles im Wandel. Wir werden auch die gesamte Spitalslandschaft überdenken müssen, wie wir das System ohne Leistungseinschränkung in den nächsten 20 Jahren finanzieren können. Ganz wichtig ist mir auch, dass die Jungend ab einem gewissen Alter politisch denkt, denn das ist in einer Demokratie enorm wichtig.
Und wie hat Herwig Mahr den Hitzesommer verbracht?
In der Natur bei mir auf meinem Grundstück. Der politische Alltag dauert bei mir normalerweise von 7:30 bis 22:30 Uhr, Daher tut es schon mal gut, wenn man wesentlich weniger Termine hat und den Akku eine längere Zeit aufladen kann. Ich bin sehr gut erholt und voller Tatendrang für den Herbst.