Mit den Ressorts Pflege, Soziales, Jugend und Integration hat Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer mehr als genug aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Zeit für ein Herbstgespräch.
Wolfgang Hattmannsdorfer: Sommer 2023, die letzten zwei, drei Jahre waren ziemlich verrückt und fordernd. Meist konnte die Politik nur reagieren statt aktiv agieren. Wie schaut Ihr Blick nach vorne aus?
Wir hatten eine Zeit mit vielen Herausforderungen. Die Auswirkungen davon spüren wir in unserer Gesellschaft nach wie vor, wenn ich beispielsweise an unser Vereinsleben denke. Umso wichtiger ist es, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken und das tue ich. Ich bin davon überzeugt, dass wir alles in allem sehr gut durch die letzten Monate gekommen sind. Darauf und auf den Zusammenhalt in Oberösterreich können wir stolz sein. Jetzt geht es darum, die Ärmel hochzukrempeln und zentrale Herausforderungen anzupacken: der Arbeitskräftemangel – speziell im Sozial- und Pflegebereich oder die Zuwanderung. Ich bin entschlossen, in den nächsten Jahren konsequent Lösungen umzusetzen.
„Ich halte aber nichts von übertriebenem Gendern mit Sternchen und anderen Zeichen oder dass man sich aus zehn verschiedenen Geschlechtern eines aussuchen kann.“
Es ist verrückt: Egal, welche Umfrage, immer ist das Ergebnis dasselbe: Die überwiegende Mehrheit lehnt das Gendern ab – übrigens auch die Frauen. Warum wird dieses Thema dennoch ständig auf die öffentliche Hauptagenda gesetzt?
Weil wir mittlerweile in einer Gesellschaft leben, in der uns beispielsweise durch Social-Media Algorithmen vorgemacht wird, was richtig und was falsch ist. Diese Algorithmen halte ich für das größte Gift der Gesellschaft. In der Anonymität des Internets werden jene an den Pranger gestellt, die nicht der vermeintlich richtigen Meinung sind. Persönlich habe ich einen sehr pragmatischen Zugang: Es gibt eine männliche und eine weibliche Form, die soll man auch verwenden. Ich halte aber nichts von übertriebenem Gendern mit Sternchen und anderen Zeichen oder dass man sich aus zehn verschiedenen Geschlechtern eines aussuchen kann.
Apropos Deutschland: Dort verlieren Ihre Parteikollegen massiv an die AfD. Manche Kommentatoren kritisieren den offensichtlichen Linksruck von Merz & Co. – und vor allem das Nichtansprechen offensichtlicher Probleme.
Wir haben gesellschaftlich das Problem, dass wir nur mehr an den Extrempolen diskutieren. Die linke Twitterblase, die alles schönredet, und die rechten Facebook-Hetzer, die nur Angst machen. Ich bin ein Politiker, der Probleme unmissverständlich anspricht und nix schönredet, aber ich halte nichts von Angstmache und Hetze.
„Es ist unser Recht, Integration aktiv einzufordern.“
Auch Gipfelkreuze und das Vaterunser werden von manchen teilweise als diskriminierend und problematisch gesehen. Warum zieht der allgemeine Hausverstand da keinen Schlussstrich drunter?
Wir dürfen unsere Traditionen und Werte nicht der vermeintlichen politischen Korrektheit opfern. Ich stehe klar zu unseren Traditionen wie den Gipfelkreuzen und zum „Vater“ in Vater Unser. Es soll auch das Martinsfest, ein Martinsfest bleiben. Wenn wir unsere Traditionen aufgeben, dann geben wir unsere Identität auf, das darf nicht passieren. Als Integrations-Landesrat bin ich überzeugt, dass es hier einen Weg der Vernunft gibt, der unsere Identität bewahrt, gleichzeitig aber den notwendigen Raum gibt, um andere Kulturen und Traditionen zu ermöglichen.
Stichwort Zuwanderung: In manchen Linzer Volksschulen liegt der Anteil der Pflichtschüler mit nichtdeutscher Muttersprache bei bis zu 97 Prozent. Manche sagen: Bei so einer Flut an Kindern mit kaum Deutschkenntnissen geht sich eine ordentliche Integration kaum noch aus.
Der Schlüssel liegt ganz klar in der deutschen Sprache, darum investieren wir in Oberösterreich massiv in den Ausbau der Deutschkurse. Wir haben beispielsweise jetzt eigene Alltagssprachkurse gestartet, um die Einstiegsschwelle zu erleichtern. Unsere Aufgabe im Integrationsressort ist es, hier Angebote zu schaffen, gleichzeitig ist es aber auch unser Recht Integration aktiv einzufordern. Das tun wir zum Beispiel, durch die Einführung der Deutschpflicht in der Sozialhilfe. Wer nicht bereit ist bei fehlenden Deutschkenntnissen einen Kurs zu besuchen, dem wird die Sozialhilfe gestrichen. Hier sind wir übrigens das einzige Bundesland.
Nicht erst seit 2015 hört man gebetsmühlenartig dieselbe Forderung, dass die EU die Zuwanderung beschränken müsse. Passiert ist de facto nix. Auch die eben erst erzielte Einigung über wichtige Asyl- und Migrationsgesetze ist unter dem Strich zahnlos. Eigentlich ist es doch so, dass die EU das Problem niemals wird lösen können, weil es für die nötigen harten Beschlüsse niemals eine Einigung geben wird, oder?
Der Schlüssel liegt ganz klar in der deutschen Sprache, darum investieren in Oberösterreich massiv in den Ausbau der Deutschkurse. Wir haben beispielsweise jetzt eigene Alltagssprachkurse gestartet, um die Einstiegsschwelle zu erleichtern. Unsere Aufgabe im Integrationsressort ist es hier Angebote zu schaffen, gleichzeitig ist es aber auch unser Recht Integration aktiv einzufordern. Das tun wir zum Beispiel, durch die Einführung der Deutschpflicht in der Sozialhilfe.
„Die breite Mehrheit der Gesellschaft will keine Polarisierung, sondern stabile Verhältnisse, in denen ordentlich regiert wird und Ergebnisse erzielt werden.“
Ein Blick in den Bund: 2024 wird gewählt. Wie soll die ÖVP da noch den Turnaround schaffen? Die Umfragewerte sind stabil, aber noch bescheiden.
Ganz klar: Indem wir uns zwischen den Retro-Ansagen von Andreas Babler und den Extrempositionen von Herbert Kickl als Partei der stabilen Mitte positionieren. Die breite Mehrheit der Gesellschaft will keine Polarisierung, sondern stabile Verhältnisse, in denen ordentlich regiert wird und Ergebnisse erzielt werden. Die Bilanz von Kanzler Nehammer kann sich auf jeden Fall sehen lassen: Etwa die konsequente Asyl- und Migrationspolitik, die nachweislich jetzt Früchte trägt. Oder das Mammutprojekt der Abschaffung der kalten Progression – jahrzehntelang diskutiert, diese Bundesregierung hat es umgesetzt. Oder das Klimaticket. Wir haben eine Arbeitsregierung und das trotz der vielen Unkenrufe und Neuwahlspekulationen.
Zur Pflege: Wenn man sich die demografische Entwicklung ansieht, wird sich das trotz aller Bemühungen für mehr Personal bald nicht mehr ausgehen.
Es geht darum, dass wir es unseren Eltern und Großeltern ermöglichen, in Würde und gut umsorgt alt werden zu können. Daher ist es unser klares Ziel, dass wir den Trend leer stehender Betten in Alten- und Pflegeheimen bremsen und vor allem unseren engagierten Mitarbeiter/innen zur Seite stehen. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir 50 ganz konkrete Maßnahmen ausgearbeitet, die wir jetzt umsetzen. Da denke ich beispielsweise an eine neue Berufsgruppe, die Stützkräfte, die unsere Mitarbeiter aktiv unterstützen. Dafür ist keine pflegerische Ausbildung notwendig und gewinnen so neue Mitarbeiter, die sich dann weiter qualifizieren. Es wird auch nicht ganz ohne Personal aus anderen Ländern gehen, wenn ich an die Anwerbung von philippinischen Pflegekräften denke, die wir in Oberösterreich stark vorantreiben. Das Bündel an Maßnahmen ist es, mit dem wir uns den Entwicklungen aktiv entgegenstellen.
Sie sagen, es wird nicht ohne Personal aus dem Ausland gehen, um den Fachkräftemangel zu lindern. Manche halten das für gefährlich, wenn man aus Entwicklungsländern die wenigen gut ausgebildeten Menschen abwirbt, wird dort die Armut noch größer.
Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist ein harter, viele Nationen sind uns hier meilenweit voraus und die müssen wir jetzt aufholen. Unser Ziel ist es selbstverständlich nicht, dass wir alle qualifizierten Personen aus ihren Heimatländern abziehen. Wir wollen für Schlüsselbranchen, in denen wir einen Mangel an Arbeitskräften haben, gute Leute gewinnen und da signalisieren uns auch andere Länder, beispielsweise die Philippinen, dass sie hier bereit sind zusammen zu arbeiten. Für mich ist klar, jene, die bereit sind zu arbeiten und einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten wollen sind willkommen, wer nur auf unsere gute soziale Absicherung aus ist, der ist falsch.
Politiker sind bei den Beliebtheitswerten ziemlich weit unten angesiedelt. Wie viel Wertschätzung erfahren Sie bei Kontakten mit der „normalen“ Bevölkerung?
Ein Sprichwort sagt, wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück und das ist auch meine Erfahrung im persönlichen Gespräch. Ich führe sehr viele wertschätzende Gespräche, höre mir Standpunkte an und respektiere diese und so wird mir das auch zurückgegeben. Was mich besorgt, ist der Umgangston, der in sozialen Netzwerken oft eingeschlagen wird. Hier wäre mehr Respekt angebracht.
Was müsste denn passieren, um das Vertrauenslevel in die Politik auf die Höhe der Feuerwehr oder des Bundesheeres zu heben?
Ich habe da einen ganz persönlichen Zugang und bin der Überzeugung, dass wenn man pragmatisch umsetzt was man verspricht und die Probleme der Oberösterreicher/innen versteht und ernst nimmt, dass dann auch Vertrauen vorhanden ist. Leider ist es in der heutigen politischen Auseinandersetzung oft so, dass jeder Vorschlag und jede Maßnahme vom politischen Gegner gleich schlecht gemacht wird. Weniger Aufgeregtheit würde uns hier guttun.
Linz hat ja seit heuer wieder zwei Bundesligisten, wobei die ÖVP ja traditionell eher in Richtung LASK tendiert. Wie schauts da bei Ihnen aus?
Sie werden mich bei einem Spiel dann jubeln sehen, wenn der LASK ein Tor schießt.
Sie sind gebürtiger Urfahraner und Linzer. Wieviel Linz steht auf Ihrer Agenda?
Linz ist meine Heimatstadt, da habe ich natürlich eine besondere Verbundenheit und Linz liegt mir besonders am Herzen. Ich bin auch nach wie vor in meinem Stadtteil politisch engagiert, gehe regelmäßig zu Treffen und helfen bei Veranstaltungen mit. Und klarerweise stehe ich in einem sehr guten Austausch mit Martin Hajart, der als Vizebürgermeister und Verkehrsreferent eine extrem gute Arbeit macht, da braucht es aber keine Einmischung. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann bringen wir auch Projekte gemeinsam voran, für die Linzerinnen und Linzer und in Summe für Oberösterreich.
Sie sind jetzt 43. Wo muss ich anrufen, wenn ich Ihnen beruflich zum 50er gratulieren will – im Landhaus, in Wien oder bei einem Unternehmen in der Privatwirtschaft?
An meinen 50er denk ich jetzt wirklich noch nicht, aber ich kann Ihnen ja meine private Nummer geben, dann können Sie mir unabhängig meines beruflichen Lebenswegs gratulieren, weil wo mich der hinbringt, weiß ich selbst noch nicht. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass mich auch irgendwann mal eine Managementaufgabe außerhalb der Politik reizt.