Der Wechsel an der Spitze der Linzer ÖVP war von vielen erwartet worden – dass er aber zu diesem Zeitpunkt kam, überrascht dennoch. Womit ebenfalls viele nicht gerechnet hatten: dass die neue Nummer 1 Martin Hajart heißt. Für den auf Listenplatz 28 gereihten Hajart, der erst vor zwei Jahren als Büroleiter ins Team von LH-Stellvertreterin Christine Haberlander wechselte, mussten 14 vor ihm liegende Gemeinderäte auf ihr Vorrücken verzichten – u.a. auch die beiden Powerfrauen Elisabeth Manhal (Klubobfrau) und Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer. Charme hat Hajarts Sprung an die Spitze dennoch.
Martin Hajart gilt als begeisterter Freizeitsportler, der Sprung von Listenplatz 28 auf die erste Position ist aber dennoch rekordverdächtig weit. Insgesamt 14 Gemeinderäte, darunter sechs Frauen, mussten auf ihr Vorrückrecht verzichten, um Hajart den Vortritt zu lassen. Nicht wenige rechneten eigentlich damit, dass die bisherige Nummer 2, Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer oder die hungrige Klubobfrau Elisabeth Manhal (Listenplatz 3) die ab 1. März vakante Führungsposition (Baier wechselt als Geschäftsführer zur OÖ Wohnbau) einnimmt.
Szenekenner werten die Entscheidung, dass der seit vielen Jahren beim Land OÖ angestellte Hajart die Spitze übernimmt, als Zeichen dafür, dass die Landes-ÖVP wieder stärker in Linz mitmischen will – und das mit nachvollziehbarem Grund: Nachdem der bisherige Spitzenmann Bernhard Baier bei der Wahl 2015 mit 20,1% das bis dahin schlechteste ÖVP-Ergebnis seit 1945 einfuhr – bei einem gleichzeitigen Top-Ergebnis der FPÖ (die damit auch den zweiten Platz übernahm), wurde Baier in Folge den Verlierer-Nimbus nicht mehr los.
Bei der GR-Wahl 2021 kam es noch dicker: Spitzenkandidat Baier unterbot das unterirdische 2015-er Ergebnis nochmals – und kam auf nur mehr 18,1%. Auch bei der Bürgermeister-Direktwahl floppte Baier im Vorjahr – lediglich 16,43% wollten ihn im Bürgermeistersessel sehen.
Dennoch blieb Baier. Dass es erst jetzt zum Wechsel kam, lag wohl daran, dass man eine unmittelbare zeitliche Nähe zwischen Wahlniederlage und Baier-Absetzung vermeiden wollte.
Wie es jetzt mit der Linzer ÖVP weitergeht? Schwierig. Manche trauen Hajart zu, für mehr Kontur in der Stadtpartei zu sorgen (Hajart zeigte zu seiner Zeit als Klubobmann im Gemeinderat sehr wohl immer wieder harte, mutige Kante – vor allem, wenn es ums Linzer Budget ging). Andere wiederum sehen den 38-jährigen Urfahraner als zu leichtgewichtig, um der erstarkten Linzer SPÖ Paroli bieten zu können. Auch, dass die beiden starken, erfahrenen ÖVP-Frauen auf Listenplatz 2 und 3 der Vizebürgermeistersessel offensichtlich nicht zugemutet wird, hat Potenzial für internen Unmut.
Unterschätzen sollte man Hajart aber nicht – sofern er seine bislang von der Landes-ÖVP dominierte berufliche Laufbahn „korrigiert“ und sich ohne Wenn und Aber voll auf Linz konzentriert – auf zwei Hochzeiten zu tanzen geht spätestens jetzt nicht mehr.
Und auch die obligatorischen Zurufe der Landespartei (die die Stadt-ÖVP oft nur zum willfährigen Beiwagerl der Landespolitik machte) müssen ausbleiben. Das Um-Erlaubnis-Fragen im Gleissnerhaus führte oft zur Handlungsunfähigkeit der Linzer ÖVP. Zu verlieren haben Hajart & Co. am prozentuellen Tiefpunkt jedenfalls nichts mehr. Mehr Neustart-Potenzial als jetzt geht fast nicht.