Martin Hajart, der Klubobmann der Linzer ÖVP, zieht im LINZA-Talk eine Bilanz zur Halbzeit der aktuellen Legislaturperiode – und geht vor allem mit Bürgermeister Klaus Luger hart ins Gericht: „Gerade in schwierigen Situationen braucht es professionelles Leadership, das fehlt aber leider komplett.“
Martin Hajart, drei Jahre sind vorbei, drei folgen noch bis zur nächsten Wahl: Zufrieden, wie es in Linz derzeit läuft?
Ich bin etwas zwiegespalten. Linz ist eine sehr lebenswerte Stadt, aber es gibt große Herausforderungen zu bewältigen, damit das auch so bleibt. Etwa die Verkehrssituation und die damit verbundene Luftproblematik. Oder die mehr als angespannte Finanzsituation, die der Rolle von Linz als Innovations- und Lebensstadt diametral entgegenwirkt. Man darf nicht vergessen: Wir reden von 1,5 Milliarden Euro Schulden. Da sind allfällige SWAP-Zahlungen und die großen aktuellen Infrastrukturprojekte wie die zweite Schienenachse noch gar nicht mit eingerechnet.
Bürgermeister Klaus Luger betont aber immer den erfolgreich eingeschlagenen Spar- und Konsolidierungskurs. Stimmt diese Richtung?
Das sind eher Nebelgranaten, die da von Luger geworfen werden. De facto hat sich an der dramatischen finanziellen Lage überhaupt nichts geändert. Die große Überraschung wird erst nach der nächsten Wahl kommen, weil die Stadt Linz unter Finanzreferent Luger einige Tricks angewandt hat, um sich bis 2021 drüberzuschummeln.
Welche Tricks meinen Sie da genau?
Einerseits der Verkauf von stadteigenen Wohnungen an die GWG, wo der Verkaufspreis bis 2021 in mehreren Tranchen überwiesen wird. Oder der Trick mit der Gründung einer Holding, wo man die stadteigene LINZ AG quasi an sich selbst verkauft hat. Durch diese Aktion fließen bis 2021 in Summe 348,6 Millionen Euro an die Stadt. Beim Verkauf der Wohnungen an die GWG sind es 120 Millionen Euro, die zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden. Die betreffenden Zahlungsflüsse werden interessanterweise scheibchenweise bis zur nächsten Wahl 2021 getätigt und versiegen dann. Und für die Zeit danach ist vertraglich vereinbart, dass keine Dividendenzahlungen von der LINZ AG an die Stadt Linz fließen werden. Das wird sich in den Folgejahren dramatisch auswirken und ist alles andere als nachhaltig.
Wie hoch ist denn der von Ihnen errechnete Budgetabschluss?
Linz hätte jetzt und in den nächsten Jahren ein strukturelles Defizit von rund 40 Millionen Euro. Das steht auch so schwarz auf weiß ganz offen im Budgetvoranschlag drin. Durch diese Einmal-Maßnahmen dreht man das Ergebnis aber ins Positive.
Rot-Blau arbeitet in Linz relativ eng zusammen, was man auch am Abstimmungsverhalten sieht. Sogar Kritiker sagen, es geht einiges weiter.
Ich glaube, es könnte noch viel mehr weitergehen, wenn man etwa die Herausforderungen im Finanzbereich richtig angeht. Und es gibt auch große Hemmnisse wie den SWAP oder die Aktenaffäre, die für den Wirtschaftsstandort Linz schädlich sind.
Stichwort Aktenaffäre: Der Kontrollausschuss tagte zwar auch im Sommer, wirklich Zählbares ist aber noch nicht herausgekommen. Warum tut man sich so schwer, den Sack zuzumachen?
Wir sind bei der Aufklärungsarbeit über den Sommer ein großes Stück weitergekommen. Es kommt immer mehr zutage, dass es ein Organisationsversagen unter der Verantwortlichkeit des Bürgermeisters gab, das man nicht in die Schuhe einzelner Mitarbeiter schieben kann. So gab es zu Beginn der Missstände einen Vorschlag zur Personalaufstockung, worauf Klaus Luger schriftlich festhielt, dass die Führungskräfte mit den gegebenen personellen Ressourcen das Auslangen zu finden haben. Wir haben aufgrund von Hinweisen in anderen Magistratsbereichen den Auftrag ans Kontrollamt gegeben, alle Bereiche auf Personalengpässe zu durchleuchten, weil es sich bei der Aktenaffäre um keinen Einzelfall handelt, wie Luger-Vertreterin Karin Hörzing fälschlicherweise behauptet.
Gegen den Bürgermeister wird auch strafrechtlich ermittelt. Was sagt Ihr Gefühl: Wird es zu einer Anklage gegen Luger kommen?
Das will ich nicht beurteilen. Unsere Rolle ist die Aufklärung der politischen Verantwortung. Dieses Organisationsversagen kann man aber sicher nicht in die Schuhe einzelner Mitarbeiter schieben. Einige Lücken sind geblieben, weil von SPÖ und FPÖ verhindert wurde, dass bestimmte Auskunftspersonen geladen und Unterlagen von Frau Hörzing einfach nicht zur Verfügung gestellt werden.
Wann wird es den Endbericht des Kontrollausschusses geben?
Der Bundesrechnungshof prüft ja auch parallel, da wird der Endbericht hoffentlich gegen Ende des Jahres vorliegen, den muss man auch in unsere Arbeit einbeziehen. Und nicht zu vergessen die möglichen Aspekte im Rahmen des laufenden strafrechtlichen Verfahrens gegen Bürgermeister Luger.
Schwarz-Blau funktioniert im Bund und auch im Land sehr gut, in der Stadt Linz ist man sich trotz oft ähnlicher Positionen teilweise spinnefeind. Auch mit der SPÖ wird andernorts besser zusammengearbeitet. Woran liegt’s?
Ich würde mir durchaus mehr Zusammenarbeit mit der FPÖ und der SPÖ wünschen. Ich glaube es liegt in erster Linie daran, wie die jeweilige Nummer 1 einer Regierung arbeitet und ob diese auf Kooperation oder Konfrontation aus ist. Auf Landesebene wird sehr intensiv unter allen Fraktionen kooperiert, in der Stadt vermisse ich dieses Ansinnen vor allem vom Herrn Bürgermeister großteils.
Liegt das nur an Bürgermeister Luger oder nicht auch an der Linzer ÖVP, die teilweise sehr angriffig wirkt?
Politik lebt auch von einer pointierten Formulierung, das macht jeder. Es müssen alle aufeinander zugehen.
Vom Landhaus zum Linzer Rathaus sind es 200 Meter Luftlinie, trotzdem trennen die Linzer ÖVP und das Landes-Team rund um Thomas Stelzer Welten, was den Wählerzuspruch betrifft. Warum schwächelt die ÖVP in der Stadt so?
Linz ist eine klassische Arbeiterstadt, in der die SPÖ in der Vergangenheit wesentlich besser unterwegs war. Das hat sich schon deutlich geändert. Als ich 2007 im Büro des damaligen Vizebürgermeisters Erich Watzl arbeitete, hatte die SPÖ noch eine absolute Mehrheit, 2015 waren’s nur mehr 32 Prozent. In den Städten bewegt sich einiges und es ist durchaus auch in Linz für die ÖVP noch einiges möglich, weil das Wahlverhalten gerade in urbanen Bereichen immer mobiler wird. Mit Bernhard Baier haben wir eine starke Persönlichkeit an der Spitze, Landeshauptmann Thomas Stelzer ist ebenfalls Linzer und mit Bundeskanzler Sebastian Kurz haben wir ein zusätzliches starkes Zugpferd für 2021.
Bernhard Baier wird also auch 2021 fix der Spitzenkandidat der Linzer ÖVP sein?
Natürlich.
Ihrer ’neuen‘ Stadträtin Doris Lang-Mayrhofer wird von vielen Seiten eine sehr gute Performance attestiert. Eine Frau an der Spitze der Linzer ÖVP – hätte das nicht Charme?
Natürlich ist bei der Linzer ÖVP auch eine Frau als Spitzenkandidatin denkbar, auch wenn es derzeit nicht aktuell ist.
Ist es für Sie realistisch, dass Klaus Luger 2021 abgewählt wird?
Ganz klar ja!
Der Linzer Efgani Dönmez ist nach einem umstrittenen Tweed bei der Bundes-ÖVP in Ungnade gefallen. Wäre ein Comeback bei der Linzer ÖVP denkbar?
Das steht aus meiner Sicht nicht zur Debatte.
Und wo geht Ihre Reise hin: Stadt oder Land? Sie arbeiten einerseits hauptberuflich für die ÖVP-Landespartei, fungieren aber auch als Klubobmann der Linzer ÖVP.
Mir gefällt die Kommunalpolitik sehr gut, wir haben ein super Team und spannende städtische Themen. Wo es mich in der Politik in ein paar Jahren vielleicht mal hinverschlägt, kann man jetzt nicht wirklich sagen.
Eine Frage an den ÖVP-Sportreferenten: Der LASK will in Pichling ein Stadion bauen, das die Stadt mit zehn Millionen Euro fördern will. Wie ist die Position der ÖVP dazu?
Die Linzer ÖVP hatte hier immer dieselbe Position: Linz braucht ein echtes, reines Fußballstadion für den LASK. Wir waren auch die einzige Fraktion, die damals gegen die über 30 Millionen Euro teure Sanierung des Guglovals gestimmt hat. Mittlerweile sieht man, dass diese Sanierung eine komplette politische Fehlentscheidung war. Seitens des LASK wurde an verschiedenen Szenarien gearbeitet – und das ist auch gut so. Jetzt hat sich der Standort Pichling herauskristallisiert, wo die Behörden entscheiden müssen, ob es dort möglich ist oder nicht. Auch die Verkehrssituation und Infrastruktur muss entsprechend geregelt werden.
Und die im Jahr 2007 vom Gemeinderat zugesagte 10 Millionen-Euro-Förderung seitens der Stadt: Stehen Sie dazu immer noch?
Wenn Linz wirklich daran denkt, sich noch Sportstadt nennen zu wollen, dann muss sie auch bereit sein, entsprechende finanzielle Mittel für dieses Stadionprojekt freizumachen.
Und was soll mit dem Linzer Stadion passieren? Es entbehrt ja nicht einer gewissen Skurillitität, dass die Stadt bei einem privaten Konkurrenzstadion zur Gugl mitzahlt.
Wie ist denn die derzeitige Situation? Aktuell gibt es ein auf der Gugl Fußballspiele mit ein paar hundert Zuschauern. Die Überlegungen, ob man dort nicht in Richtung Wohnbau gehen sollte, wären sicher überlegenswert, auch wenn viele Aspekte zu beachten wären. Jetzt muss man mal schauen, ob und wo der LASK ein neues Stadion baut, dann folgt der nächste Schritt.
Womit wir wieder bei den angeschlagenen Stadtfinanzen sind. Zehn Millionen für ein neues Stadion sind das eine, 200 oder mehr Millionen für die zweite Schienenachse das andere… wo bitte soll Linz dieses Geld hernehmen?
Das ist eine Frage, die der Finanzreferent Klaus Luger beantworten muss und die wir ihm schon mehrmals gestellt haben. Wir warten immer noch auf eine Antwort. Seitdem sein Vorgänger Christian Forsterleitner zurückgetreten ist, hört man von Luger diesbezüglich nichts. Er schiebt sogar bei der Budgetvorstellung stets den beamteten Finanzdirektor vor, statt selber zu sprechen. Gerade in schwierigen Situationen braucht es professionelles Leadership, das fehlt aber leider komplett.
Eine große Rolle spielt bei der ÖVP das Thema Donau. Wie ist denn Ihre Position zum Projekt Donauinsel als Neugestaltung des Jahrmarktgeländes?
Wir setzen uns seit vielen Jahren für die Attraktivierung der Donaulände auf beiden Uferseiten ein. Wir stehen daher auch dem Projekt einer Donauinsel sehr offen gegenüber.
Und was sind denn für die verbleibenden drei Jahre bis zur nächsten Wahl die Haupt-ToDo’s der Linzer ÖVP?
Einerseits die bereits erwähnte besorgniserregende Finanzsituation der Stadt Linz, andererseits das Thema Sicherheit. Hier haben wir mit dem Bettelverbot und der Videoüberwachung in Bussen und Straßenbahnen schon einiges erreicht. Wir arbeiten auch ständig an einer Aufwertung des Ordnungsdienstes – wie etwa zuletzt durch meinen Vorstoß, eine Fahrradstaffel einzuführen. Auch in den Linzer Parks haben wir noch große Herausforderungen zu bewältigen.
Und die Integrationsthematik?
Die natürlich auch. Hier tut mir vor allem das Verhalten der SPÖ weh.
Was meinen Sie genau?
Dass die Linzer SPÖ die Erdogan-nahen Gruppen hofiert, obwohl diese kaum integrationswillig sind, anstatt auf die gemäßigten, liberalen Muslime zu setzen und diese zu stärken.
Sie haben sich kürzlich – mit jungen 35 Jahren – eine Harley zugelegt. Ist das nicht um zehn Jahre zu früh – oder gar ein erster Anflug von Midlife Crisis?
(Lacht) Ich hoffe nicht! Anfänglich habe ich mich für eine Vespa interessiert, um flotter durch den Linzer Verkehr zu kommen. Dann ist es eine kleine Harley geworden – mit der ‚Street 750‘ allerdings eine junge, leichte und urbane Harley-Version.
Der rauschende Harley-Bart fehlt Ihnen noch.
Ja stimmt – aber das wird eher nichts, denn da redet auch meine Frau ein gewichtiges Wörtchen mit.
Interview: Wilhelm Holzleitner