Vor 20 Jahren trat Manfred Haimbuchner der FPÖ bei. In dieser Zeit stieg er zum Landesparteiobmann und stv. Bundeparteiobmann auf. Ein Sommergespräch über die Corona-Krise, Türkis-Grün und die Wahl 2021.
Manfred Haimbuchner, wie bewerten Sie die aktuelle Arbeit der Bundes- und Landesregierung in Sachen Coronakrise?
Die Bundesregierung hat sich zu Beginn der Krise mit harten Maßnahmen zu viel Zeit gelassen und hat dann den richtigen Zeitpunkt verschlafen, an dem die Maßnahmen wieder hätten gelockert werden müssen. Die Bundesregierung konnte zwar eine größere Gesundheitskrise abwenden, hat jedoch mit ihren rechtlich sehr unsauber gearbeiteten und strategisch wenig durchdachten Maßnahmen nicht nur die Länder alleingelassen, sondern auch sehr viele Menschen in finanzielle Notlagen gebracht und sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Ein gesundheitspolitischer Pyrrhussieg.
Sind Sie ein Befürworter oder Gegner einer möglichen Impfpflicht?
Ich bin strikt gegen eine Impfpflicht. Das heißt aber ausdrücklich nicht, dass ich Impfungen grundsätzlich nicht für sinnvoll erachte. Jedoch ist eine Impfung ein so weitreichender Eingriff in die körperliche Unversehrheit, dass ich einen staatlich verordneten Zwang hier klar ablehne und stattdessen auf Aufklärung, Freiwilligkeit und Eigenverantwortung setze. So wie es auch bei allen anderen Impfungen in Österreich üblich ist.
Momentan ist die Bautätigkeit in Sachen Wohnbau in OÖ noch sehr rege. Wird diese Entwicklung durch die Corona-Krise bedingt in den nächsten Jahren abflachen?
Im geförderten Bereich erwarte ich keine Abflachung. Unter meiner Verantwortung wurden in den letzten zehn Jahren bundesweit die meisten Wohneinheiten errichtet. Gerade das Wohnbauressort ist ein Konjunkturmotor. Jährlich sichert dieses alleine in Oberösterreich über 27.000 Arbeitsplätze. Gerade hier sind Investitionen daher notwendig.
Angesichts der finanziellen Einbußen in den Bundes- und Landesbudgets wird es wohl überall Einsparungen geben müssen – auch in Ihren Ressorts.
Es gibt sicherlich zahlreiche Bereiche, in denen man einsparen wird müssen. Ich bin bekannt dafür, dass ich mit Steuergeldern äußerst sparsam umgehe. In den vergangenen Jahren bewiesen wir das auch mit unserer Null-Schulden-Politik für Oberösterreich. Wer in guten Zeiten spart, kann in der Krise investieren. Das werden wir – mit Umsicht und Hausverstand – auch machen. Öffentliche Investitionen erzielen Beschäftigungseffekte. Das sollte man vor allem in Krisenzeiten nicht vergessen.
Wie weit kann das Thema günstige Wohnungen weiter verfolgt werden?
Die Mietpreisentwicklung in Oberösterreich ist sehr gut. Gemeinsam mit den Bauträgern habe ich es geschafft, dass wir bundesweit bei leistbarem Wohnraum im Spitzenfeld rangieren. Auf die Mietpreisbildung hat das Wohnbauressort des Landes Oberösterreich zwar nur bedingt Einfluss, im Rahmen des Möglichen versuche ich aber, preisdämpfend auf den Markt einzuwirken.
Angebot und Nachfrage regeln den Markt. Durch die bundesweit höchste Bauleistung, erreichen wir einen leistbaren Mietzins. Darüber hinaus installierte ich auch die Baukostenobergrenze und die Wirtschaftlichkeitskriterien. Wir achten somit bereits bei der Errichtung von Mietwohnungen, dass diese dann leistbar sind.
Generationenübergreifende Wohnprojekte sind für die Zukunft das Gebot der Stunde. Wie gut ist Oberösterreich hier unterwegs?
Auch hier sind wir auf einem guten Weg. Ein hervorragendes Projekt planen wir etwa in Wels. Auf dem Grundstück des ehemaligen Seniorenheims „Leopold Spitzer“ errichtet die Welser Heimstätte in zwei Bauabschnitten 66 Wohnungen. Im ersten Abschnitt entsteht eine Wohnanlage für ältere, selbstständige Menschen. Daneben entstehen im zweiten Abschnitt eine Wohngemeinschaft der Lebenshilfe für Menschen mit mehrfacher Beeinträchtigung sowie mehrere größere familienfreundliche Wohnungen. Dadurch entsteht entsprechend dem Namen eine generationenübergreifende aktive Nachbarschaft mit sozialen Kontakten. Im Eigenheim-Bereich fördern wir ebenso die zusätzliche Schaffung von Wohnraum durch Aus- oder Einbau. Dadurch wird einerseits Bauland gespart und andererseits Familien ermöglicht in einem größeren Haus zusammenzuwohnen.
Weniger Bodenversiegelung, aber dennoch Wohnbau und Hausbau im notwendigen Ausmaß ermöglichen – wie gelingt dieser Spagat?
Wir haben auch in diesem Bereich mehrere Initiativen gestartet, von denen ich zwei erwähnen möchte. Zum einen bieten wir eine attraktive Abbruch-Neubauförderung an. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Nachverdichtung und im Kampf gegen den Flächenfraß, indem wir die Revitalisierung von bereits bebauten Grundstücken bewusst unterstützen. Weiter implementierte ich die verpflichtende Dreigeschoßigkeit im mehrgeschossigen Wohnbau. Damit sparen wir Bauland und durch die dichter bebauten Grundstücke halten wir den Mietzins im leistbaren Bereich.
Wenn wir schon von Bodenversiegelung sprechen: Sollte der private Hausbau mehr zurückgeschraubt werden? Ein Einfamilienhaus mit 300m2 Wohnfläche und ein paar tausend Quadratmeter Garten bedeutet schließlich einen enormen Landfraß.
Ich bin bekennender Freund des Eigentums. Ein eigenes Heim ist der beste Garant, um etwa Altersarmut zu bekämpfen. Daher unterstützen wir den Eigentumserwerb auch mit attraktiven Förderschienen.
Kommen wir zur FPÖ: Nach turbulenten Zeiten hat sich Ihre Partei nun stabilisiert. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation auf Bundesebene?
Auch wenn die Umfragen derzeit noch keine Höhenflüge machen, so zeigen sie doch, dass selbst in schwierigen Zeiten viele Menschen der Freiheitlichen Partei und auch den nunmehr verantwortlichen Personen vertrauen. Das verdanken wir vor allem unserer soliden ideologischen und freiheitlichen Wertebasis, die in unserer Gesellschaft heute mehr denn je benötigt wird.
Sie waren von 2006 bis 2009 bereits Mitglied des Nationalrates und kennen das Parlament. Wie gefällt Ihnen Wien?
Wien ist eine außerordentlich schöne Stadt, die ich gerne besuche. Genauso gerne fahre ich dann aber auch wieder zurück nach Oberösterreich.
Die FPÖ verfügt nicht über viele starke Landesparteiobmänner wie Sie einer sind. Nur logisch, dass immer wieder das Gerücht auftaucht, Sie würden gerne die Bundespartei in Wien übernehmen, wenn man Sie fragt. Können wir Ihnen eine konkretere Aussage als „Die Frage stellt sich derzeit nicht“ abringen?
Oberösterreich ist freiheitliches Kernland. Das erklärt auch, warum wir immer gute Wahlergebnisse und immer auch starke freiheitliche Persönlichkeiten hervorgebracht haben. Es freut mich, wenn Sie der Meinung sind, dass ich eine davon bin. Ich möchte aber auch festhalten, dass wir in allen Landesgruppen starke Leute in der Führung haben und dass Norbert Hofer so lange Bundesparteiobmann sein wird, wie er das sein will. Ich glaube, dass er die ihm übertragene, schwere Aufgabe sehr gut meistert.
Die aktuelle Doppelspitze Ihrer Partei in Wien – ist das der Weisheit letzter Schluss oder sollte da nicht nachgeschärft werden?
Auch wenn das medial immer gerne kolportiert wird: Es gibt keine Doppelspitze. Norbert Hofer ist unser gewählter Bundesparteiobmann, der unter schwierigsten Bedingungen eine sehr gute Arbeit leistet und aufgrund seiner ausgleichenden, aber stringenten Wesensart in der Lage ist, breite Wählerschichten anzusprechen. Dabei werde ich ihn nach Kräften unterstützen.

Wie ernst nehmen Sie das Projekt Ihres ehemaligen Bundesparteiobmannes HC Strache?
Ich glaube, dass es sich bei diesem Projekt um ein eher kurzlebiges und vorwiegend mediales Phänomen handelt, das die Bühne der österreichischen Parteien- und Politiklandschaft bald wieder verlassen wird. Insofern richte ich meine Kraft und meine Aufmerksamkeit lieber auf meine Aufgaben als Landeshauptmann-Stellvertreter statt über politische Seifenblasen wie HC Strache nachzudenken.
2021 wird in Oberösterreich wieder gewählt. 2015 gab es – auch bedingt durch die Flüchtlingskrise – ein „Jahrhundertergebnis“ für die FPÖ Oberösterreich. Auch wenn ich Ihnen jetzt wohl keine Prozentzahl herauslocken kann: Welche konkreten Wahlziele streben Sie für den Herbst 2021 an?
Natürlich war 2015 eine Ausnahmesituation und auch wenn uns dieses Ergebnis sehr gefreut hat, so sind wir als Landespartei doch eher an einem organischen Wachstum interessiert als an explosionsartigen Zustimmungswerten, die genauso schnell wieder implodieren können. 2015 war es unser Ziel, die 20 Prozent-Marke zu überschreiten. Eine Stabilisierung in diesem 20er-Prozentbereich ist auch diesmal unser Ziel.
Auch in Oberösterreich liebäugeln so manche mit einem Zusammenrücken von Türkis und Grün. Was würde das für Oberösterreich aus Ihrer Sicht bedeuten?
Ich glaube, dass eine Zusammenarbeit von Türkis und Grün durchaus den Wünschen von Sebastian Kurz entspräche. Fraglich, ob es ein Landesparteiobmann der ÖVP wagt, sich dem zu verwehren. Als Freiheitliche haben wir in Oberösterreich gezeigt, wie man den Ausbau des öffentlichen Verkehrs mit Hausverstand angeht, ohne dabei Schikanen für Autofahrer zu produzieren. Ich bezweifle, dass den Grünen das ebenfalls gelänge. Zudem hatten wir dieses Experiment in Oberösterreich bis zur Wahl 2015 und dieses Modell ist ganz klar abgewählt worden.
Vor genau 20 Jahren sind Sie der FPÖ beigetreten und Ihre politische Karriere nahm so richtig Fahrt auf. In diesen 20 Jahren gaben es mit der Ära Haider und seinem Nachfolger Strache eine wahre Berg- und Talfahrt. Sind diese stürmischen Zeiten für die FPÖ nun endgültig vorbei?
Leider wollten sowohl Haider als auch Strache irgendwann Teil jenes Systems sein, gegen das zu kämpfen immer freiheitlicher Anspruch und Auftrag war. Es darf keine Ausreden und Relativierungen für ein Verhalten geben, das die jahrzehntelange, harte Arbeit unserer bodenständigen und ehrlichen Funktionäre untergräbt und sabotiert. Wir arbeiten deshalb derzeit in Reformgruppen unter anderem daran, ethische und moralische Parameter festzulegen, die strenger sind, als es das Gesetz vorschreibt.
Also eine komplette Neuaufstellung?
Es geht jetzt nicht darum – das möchte ich betonen – die FPÖ völlig neu zu erfinden oder sie gar stärker in die politische Mitte zu rücken: Es geht darum, sich wieder auf die Tugenden zu besinnen, mit denen die Freiheitliche Partei Österreichs einst das Vertrauen der Bürger gewonnen hat und es geht darum, diese Tugenden nicht nur in Sonntagsreden zu heucheln, sondern sie im politischen Alltag wieder stärker zu leben. Wir sind die Partei für erwachsene Wähler.
Politik ist ein beinhartes Geschäft. Da bleibt sehr viel an persönlichem Freiraum auf der Strecke, man wird überall angesprochen und steht stets im Blickpunkt. Wie gehen Sie damit um?
Ich bin mittlerweile lange genug dabei, dass sich bei mir ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt hat, was den Zeitaufwand und den Mangel an Freiraum betrifft. Und ich habe in der Zeit auch gelernt, dass es umso wichtiger ist, sich bewusst Zeit für die Familie und Freunde zu reservieren. Anders würde es gar nicht gehen. Angesprochen zu werden und Kontakt mit den Menschen zu haben, empfinde ich aber nicht als Belastung, sondern das gehört im Gegenteil zu den Aspekten, die ich als Vorteil und Privileg an meinem Beruf schätze. Wer die Menschen nicht mag, oder wer nicht erkannt, oder angesprochen werden möchte, der ist in der Politik sicher falsch. Vielleicht überrascht das den einen oder anderen, aber die Menschen begegnen Dir als Politiker zum allergrößten Teil sehr freundlich und positiv. Daher sind das eher Erlebnisse, aus denen ich Energie schöpfen kann.
Trotz Ihrer 20 Jahre in der Politik sind Sie in den politischen Führungskreisen ein jüngerer Jahrgang. Haben Sie, was Ihre politische Karriere betrifft, eine Art zeitliche Lebensplanung?
Solange die Bürgerinnen und Bürger mir ihr Vertrauen schenken, werde ich für sie arbeiten. Ich habe sehr viel Energie und klare inhaltliche Vorstellungen, die ich noch viele Jahre in die Dienste unseres Volkes stellen möchte.
Interview: Wilhelm Holzleitner