Er legt immer wieder den Finger in die Wunde und zeigt auf, wo der Schuh drückt in Linz: JOSEF-Wirt Günter Hager. Kürzlich sorgte sein Lokal für einen Aufreger. Auslöser: ein launiger Wirtshausspruch, den ein syrischer Mitarbeiter auf eine Tafel vor dem JOSEF schrieb. Die Wogen gingen hoch, aber die große Mehrheit der Öffentlichkeit stellte sich hinter Hager.
Günter Hager – Sie sind einer, der sehr oft den Finger in die Wunde legt und Missstände aufzeigt. Speziell die Gastronomie ist Ihnen großes Anliegen: Wie ist es um die Szene aktuell bestellt?
In den letzten Jahren mussten österreichweit tausende Betriebe zusperren oder der Systemgastronomie weichen. An der Linzer Landstraße sieht man diese Entwicklung: Es gibt nur mehr zwei alteingesessene Wirtshäuser – den Klosterhof und das Josef. Das ist eine sehr traurige Entwicklung, weil echte Gasthäuser gesellschaftspolitisch eine wichtige Rolle spielen. Im Gegenzug haben wir in der Innenstadt über 60 Systemgastronomen, wo es oft nicht mal mehr Kellner gibt. Diese Konzerne werden mit Fleisch aus Massentierhaltung und Produkte, die von irgendwo kommen, beliefert. Da ist oft gar keine österreichische Landwirtschaft mehr im Spiel.
In Linz hat sich heuer in Sachen Neueröffnungen einiges getan, in der City sind ein paar hundert neue Gastro-Sessel dazugekommen. Gibt das der Markt noch her?
Viele davon sind keine klassischen Dienstleistungsbetriebe mehr bzw. kostengünstige Pizza-, Pasta-, Burger-, China- oder Systemgastronomie – dort geht man rein, isst, steht auf und geht wieder. Bei uns kann man hierbleiben, Zeitung lesen, Verweilen, Plaudern, Rauchen, seinen Ärger besprechen. Für echte Restaurants oder große Biergärten wäre genügend Platz in Linz, aber solche Betriebe sind leider kaum noch gewinnbringend zu führen.
Warum merken die Gäste diese Entwicklung nicht?
Die jungen Leute kennen ein klassisches Wirtshaus gar nicht mehr, die sitzen lieber online zuhause oder hohen sich schnell was zu essen. Die klassische Wirtshaus- und Stammtischkultur ist immer mehr Menschen unbekannt.
Zurück zum alten Wirtshaus und weg von der schnellen, billigen Systemgastronomie: Ist es nicht ein bisschen blauäugig, wenn man glaubt, diese Entwicklung noch umkehren zu können?
Natürlich ist das blauäugig, aber nichts dagegen tun ist noch blauäugiger. Man muss ja nur in die USA schauen, dort ist diese Entwicklung bereits abgeschlossen. Da gibt es nur mehr extrem hochpreisige Restaurants und Fast-Food-Lokale, dazwischen ist nichts mehr – kein Wirtshaus, kein Café, nix. Was viele vergessen: Gibt’s kein Wirtshaus mehr, stirbt auch der Tourismus. In der Systemgastronomie gibt’s keinen lregionalen Höhepunkte mehr – wie Schweinsbraten, Linzertorte oder Butwurst. Zu uns kommen sehr viele ausländische und Business-Gäste aus genau diesen Gründen – Pizza, Burger und Pasta bekommen sie ohnehin überall.
Hat sich mit dem Regierungswechsel etwas geändert – es wurde ja vieles angekündigt – Stichwort Gesetze, Vorschriften, Abgaben, Hindernisse?
Ich finde, dass die neue Regierung auf einem guten Weg ist und auch gut gearbeitet wird. Klar ist aber auch: Wenn 40 Jahre lang alles einzementiert wurde, kann man in einem haben Jahr nicht alles umreißen und neu bauen. Ich sehe selber in meinem Betrieb, wie schwierig es ist, alteingesessene Arbeitsprozesse neu anzudenken und umzusetzen. Große Erwartungen setze ich in das Versprechen, dass die Steuerlast von 50 auf 42 Prozent sinken soll – hier sehe ich eine große Chance für die Gastronomie. Die Hoffnung stirbt auf jede Fall zuletzt.
Bemerken Sie als Wirt eigentlich etwas vom Tourismus-Boom in Linz?
Es ist schon so, dass vermehrt Touristen hereinkommen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Linz wirklich die große Tourismusstadt ist oder werden kann. Ich glaube, bei uns hat man hier nicht den richtigen Weg eingeschlagen. Ich denke da etwa an die immense Bautätigkeit in jedem Sommer. Das schadet dem Tourismus enorm und wäre so in keiner anderen Stadt möglich. Man stelle sich vor, beim Goldenen Dach in Innsbruck fahren mitten im Juli die Baumaschinen auf oder wird ein riesiger Kran samt Baucontainer hingestellt. Bei uns gelten solche Sachen anscheinend als ‚Sehenswürdigkeit‘, die man jedes Jahr zur Schau stellt. Solange wir nicht kapieren, dass wir im Sommer zumindest in der Innenstadt einen Baustopp verhängen müssen, solange sind wir keine Tourismusstadt.
Vielleicht fehlt bei manchen Stellen im Magistrat einfach das entsprechende Bewusstsein?
Wir Gastronomen und Unternehmen zahlen enorme Tourismusabgaben, es wird aber keine Rücksicht auf uns genommen. Bautätigkeiten in der Innenstadt gehören in die Vor- und Nachsaison. Dafür müssen sich die Tourismusverantwortlichen endlich stark machen.
Und wie Gastro-freundlich ist die Linzer Politik – Stichwort Ermöglichen und Unterstützen?
Ich höre zumindest von manchen Kollegen am Hauptplatz, dass mit Bürgermeister Klaus Luger vieles leichter, einfacher und lockerer wurde. Die Ära Dobusch war für viele Gastronomen eine schlimme Zeit und hat auch manchen den Kopf gekostet.
Unbestritten tut sich in Linz einiges. Sie sind ja einerseits Linzer Wirt, andererseits Pendler und Vielreisender. Wie sehen Sie die Verkehrssituation in der Stadt im nationalen und internationalen Vergleich.
Mich persönlich trifft es kaum, weil ich antizyklisch unterwegs bin. Was aber auch hier fehlt, ist eine Art „Oberkoordinator“, der die entsprechenden Dinge abstimmt. Was wir schon merken, dass viele Gäste von auswärts auf einen Besuch in Linz verzichten, weil sie sich den Stau an den Stadteinfahrten nicht antun wollen.
Wie hat sich Linz generell entwickelt?
Ich bin zwar kein gebürtiger oder hier wohnhafter Linzer, kenne die Stadt aber schon sehr sehr lange. Linz hat sich von der dreckigen Voest-City in eine wirklich geile Stadt vreändert. Es ginge aber noch viel, viel mehr, wenn man Linz professionell in Richtung Donau entwickelt.
Ihr Lokal ist ja auch ein allseits bekannter Public Viewing Hotspot in Sachen Fußball. Sind Sie ein Fußball-Freak?
Eher nicht. Beim Fußball in der Schule haben’s mich immer ins Tor gestellt, weil ich nicht kicken konnte. Aber für’s Geschäft ist das Thema ganz wichtig. Letztens hatten wir zwei volle Abende, als die Mannschaft von Lilleström samt Fans zweimal bei uns zu Gast war.
Jetzt soll ein neues Stadion gebaut werden – in Pichling.
Das halte ich für einen Wahnsinn. Wenn das wirklich gemacht wird, kommt keiner mehr in die Stadt rein, die Leute fahren in Asten von der Autobahn ab, konsumieren nur mehr dort im Stadion und fahren wieder heim. Jetzt ist die Stadt voll, wenn ein großes Spiel oder ein Event im Stadion steigt. Wirte, Tankstellen, Geschäft – alle profitieren davon. Was hat die Stadt von einem Stadion in Pichling, wenn am Ende überhaupt keine Umwegrentabilität mehr steht? Das Irrste ist, dass die Stadt dieses Stadion angeblich auch noch mit zehn Millionen Euro mitfinanzieren will, obwohl man schon ein ungenutztes Stadion hat.
Themenwechsel: Ihre beiden „Fucking Gastro“-Bücher haben über die Gastro-Szene hinaus für ordentlichen Wirbel gesorgt. Jetzt ist es wieder ruhiger geworden. Wird’s ein weiteres Buchprojekt geben?
Mein drittes Buch ist bereits so gut wie fertig, dabei gehts aber um etwas ganz anderes: meine vielen Reisen nach Himalaya und Tibet in den letzten 20 Jahren – im Speziellen um auch die Tibetischen Flüchtlinge und den Dalai Lama. Es gibt da durchaus den einen oder anderen provokanten Vergleich mit der Flüchtlingssituation bei uns, soviel darf ich schon verraten.
Apropos provokant: Kürzlich gab es ja einige Wirbel wegen eines Gastro-Spruchs, der vor Ihrem Lokal auf einer Tafel stand. Obwohl sich rasch alles aufklärte, gab es viele Anfeindungen vor allem aus dem „linken“ Eck. Wie gehen Sie persönlich damit um?
Ich weiß ja, von wo diese Meldungen und Vorwürfe kommen. Kein einziger hat sich wirklich informiert, wie die Geschichte wirklich abgelaufen ist. Es war nur hysterisches Geschrei ohne Substanz.
Auf Facebook gab es sogar einige anonyme Hetzer, die Sie als „ärgsten Rassisten von Linz“ und „Nazi“ verunglimpften.
Ich finde den Spruch „Isst du Schwein, kommst du rein…“ auch heute noch nicht schlimm. Es ist Sommer, es ist nix los. Das Positive an der Geschichte war, dass man sieht, wer wirklich zu einem steht – und wer sich ohne nachzufragen in die Reihen der Hetzer einreiht. Das hat mir wieder mal die Augen geöffnet. Vor manchen dieser Menschen muss man wirklich Angst haben, weil sie die wahre Geschichte gar nicht hören, sondern einfach nur Recht haben wollen. Sie wollen einfach jemanden hängen sehen.
Haben die Vorwürfe in Summe geschadet?
Ich war schockiert, als ich sah, dass auf der Seite der OÖ Nachrichten sechs oder sieben Seiten an Kommentaren gelöscht wurden. Da waren Sachen darunter, die glaubt man nicht. Dass sich sogar eine grüne Stadträtin an dieser Hetze beteiligte, war das i-Tüpfelchen. Kein einziger dieser Menschen hat übrigens bei mir oder dem betreffenden Mitarbeiter nachgefragt, wie die Sache wirklich war. Auch viele Medien haben ‚via Facebook‘ berichtet, aber nicht wirklich recherchiert oder nachgefragt.
Wie ging das JOSEF-Team mit der Geschichte um?
Wir haben viele Moslems, sieben Religionen und 16 Nationen unter unseren Mitarbeitern. Die waren über die Vorwürfe verwundert, weil sie mich gut kennen. Vielen wurden aber auch die Augen geöffnet, wieviel Hass gerade bei sogenannten ‚Gutmenschen‘ unterwegs ist. Bei der Religion, aber auch in der Politik ist mein Zugang sowieso ein ganz anderer: Ich suche mir das heraus, was passt. Scheuklappen sind nicht meins.