Kaum ein sozialpolitisches Thema wird kontroversieller diskutiert: Das Bedingungslose Grundeinkommen findet auch bei uns immer mehr Fürsprecher. Ein Volksbegehren (18.-25.11.2019) soll der Idee nun Flügel verleihen. 2022 könnte dann eine verbindliche Volksabstimmung Österreich zum Vorreiter einer Idee machen, an der es – Stichwort Digitalisierung der Arbeitswelt – möglicherweise kein Vorbeikommen geben wird. Jeder Österreicher könnte künftig monatlich 1.200 ohne Gegenleistung auf die Hand bekommen.
Der klassisches Sozialstaat hat bis dato noch keine Antwort auf den bevorstehenden Umbruch der Arbeitswelt gefunden. Unzählige Arbeitsplätze, ja ganze Berufszweige werden in den nächsten Jahren verloren gehen. Speziell ältere Arbeitnehmer werden die neuen Herausforderungen schwer meistern können. Ein weiteres Argument: Das aktuelle Modell mit Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Mietbeihilfe usw. ist mit enormen organisatorischem und bürokratischen Aufwand verbunden – und zudem sehr teuer.
Abhilfe könnte ein gleich hohes, bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für alle schaffen. Es wäre an keine Bedingungen gekoppelt und soll eine Art Existenzminimum für jeden Einzelnen sein – egal, ob er/sie dafür arbeitet oder nicht. Die Befürworter dieser Idee nennen mögliche Zuwächse bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, mehr Zeit für die Kindererziehung und pflegebedürftige Angehörige sowie weniger Druck bei der Arbeitssuche als weitere Vorteile.
„Unfinanzierbar“ oder die Rettung des Sozialstaates?
Mögliche negative Auswirkungen sind ein weiteres Sinken der Attraktivität von niedrig bezahlten Jobs oder eine Kündigungswelle von Menschen, die in ihrem Beruf unzufrieden sind. Auch die Finanzierung ist unklar, denn die Ersparnisse bei der Verwaltung und bei den Sozialleistungen wiegen die zusätzlichen Belastungen bei weitem nicht auf. Die WKO hat etwa bei einem BGE von 1.000 Euro pro Einwohner in Österreich jährliche Kosten von 103 Milliarden Euro errechnet: „Selbst das günstigste Modell, das die Schweizer in einer Volksabstimmung abgelehnt haben, würde nach einer Berechnung in Österreich 27 Milliarden Mehrkosten verursachen“, heißt es seitens der WKO, die die Idee „unfinanzierbar“ nennt.
Modellversuch Schweiz kam nicht zustande
Weltweit gab es zwar einige kleinere, regional begrenzte Versuche, aber noch kein echtes Projekt, das die Idee des BGE wirklich in allen Facetten und Auswirkungen testete. Die Schweizer Regisseurin und Filmemacherin Rebecca Panian startete 2018 eine Initiative für ein Pilotprojekt, um das BGE 2019 in einem Örtchen ein Jahr lang zu testen. Die Kosten sollten über Crwofunding oder eine Stiftung finanziert werden. Ausgewählt wurde die Gemeine Rheinau mit ca. 1.300 Einwohnern. Erwachsene über 25 Jahren sollten monatlich 2500 Schweizer Franken erhalten (ca. 2.300 Euro), Jüngere etwa ein Viertel. Das Projekt kam nicht zustande, weil im zwei Monate dauernden Spendenzeitraum statt der benötigten 6,1 Mio. Schweizer Franken lediglich 150.000 Franken zusammenkamen.
Wie auch immer: Zwischen 18. und 25. November wird man in Österreich das Volksbegehren zum BGE unterschreiben können. Wortlaut: „Es wird ein BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN in der Höhe von 1200.- Euro für jeden österreichischen Staatsbürger durch eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung angestrebt.“
Der Text des Einleitungsantrages des Volksbegehrens „Bedingungsloses Grundeinkommen“:
Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde; Österreich gehört zu den reichsten Ländern auf diesem Planeten und kann es sich leisten allen seinen Bürgerinnen ein menschenwürdiges Leben mittels eines bedingungslosen Grundeinkommens zu ermöglichen; Eine Finanzierung über eine Finanztransaktionssteuer in der Höhe von 0,94% aller in Österreich getätigten Finanztransaktionen bietet allen österreichischen Staatsbürgerinnen die Möglichkeit, ein Leben in Freiheit, Würde und Selbstbe- stimmung zu führen. Enorme Einsparungen auf bürokratischer Ebene sind ebenso ein großes Plus wie eine daraus resultierende schlanke Verwaltung. Gesundheitsleistungen werden durch eine neue Form solidarischen Handelns und Einsparungen auf bürokratischer Ebene ermöglicht.
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine passende Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart. Nicht nur aus der Perspektive der Einzelnen, die ohne Existenzangst mutiger ihr individuelles Leben gestalten können, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Denn das BGE ist nicht einfach ein Sozialtransfer vom Staat in die Tasche der Bürgerinnen und Bürger. Es verspricht, ein wirksamer Ansatz für die Stärkung von Teilhabechancen und den sozialen Zusammenhalt zu sein und eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung zu fördern.
In einer Zeit, in der erwerb-bringende Arbeit nicht mehr staatlich zu gewährleisten ist und immer mehr Menschen, statt aus Lohnabhängigkeit befreit, in unwürdige soziale und wirtschaftliche Abhängigkei- ten getrieben werden (Mindestsicherung), hätte so jeder Mensch ein Einkommen, auch wenn er durch die Automatisierung und Rationalisierung in Produktion und Verwaltung aus der Arbeit entlassen wird.
Außerdem hätte jeder Mensch die Möglichkeit, frei von Existenzsorgen diejenigen Arbeiten zu übernehmen, die er angesichts der sich immer mehr verschlechternden Lage im Sozialen, in Wissenschaft und Bildung, auf dem Sektor der Kunst, der Umwelt, der Gesundheit, der Erziehung, der Kultur – selbst für sinnvoll hält.
Aus dem Blickwinkel der Care Ethik ist das BGE eine Möglichkeit, Machiavellische Gesellschaftsstrukturen aufzuweichen und Menschen in solidarischem Handeln wieder näher zu bringen.