Von ähnlichen Erfolgen wie in der Steiermark (Graz: 19,86 Prozent) ist der Linzer Ableger der KPÖ mit seinen 1,7 Prozent zwar weit entfernt, die laut Eigendefinition „superrote Variante“ rund um Landesboss Leo Furtlehner hofft aber, im September speziell in der Landeshauptstadt zu punkten. Wir schlenderten mit der Linzer Spitzenkandidatin Gerlinde Grünn durch die City… und plauderten.
1991 flogen die Linzer Kommunisten aus dem Stadtparlament, 2009 kehrten sie mit Spitzenkandidatin Gerlinde Grünn wieder dorthin zurück. Der 46-jährigen Sozialpädagogin attestieren sogar politische Widersacher eine gute Sachpolitik und ein engagiertes Auftreten. Nicht nur darum erhoffen sich Grünn und die KPÖ ein zweites Mandat. Nicht unmöglich, obwohl mit „DIE LINKE“ eine weitere weitere Linkspartei erstmals in Linz antritt.

Frau Grünn, Ihre erste Amtszeit als KPÖ-Gemeinderätin neigt sich dem Ende zu. Wie war die Zeit?
Es war eine sehr spannende, aber auch lehrreiche Zeit. Ich bin 2009 als Newcomerin eingestiegen und hatte jede Menge Ideen und Vorstellungen, in der Praxis kam vieles dann natürlich anders als erwartet.
Warum waren damals Sie auf den Listenplatz 1 bei der KPÖ gereiht? Es gab doch jede Menge andere längerdienende Genossinnen und Genossen?
Es war eine spontane Sache. Man hat mich damals gefragt und ich habe einfach ja gesagt.
Ist es nicht auch ein bisschen frustrierend, da Sie als Ein-Frau-Fraktion ja nicht mal einen Antrag einbringen können?
Wenn man sich in einer 1:60-Minderheitsposition befindet, ist klar, dass man nicht alles umsetzen kann. Aber man kann sehr wohl kleinere Initiativen anstoßen. Unser Medium waren hauptsächlich Anfragen, mit denen wir die Stadtsenatsmitglieder zu ihren Themen abgeklopft haben. Anträge sind leider nur mit Unterschriften von mindestens zwei Gemeinderäten möglich. Ein paar Anträge sind uns mit Hilfe der Grünen aber dennoch gelungen. Als eine unserer wichtigsten Aufgaben sehen wir aber ohnedies die Information der Öffentlichkeit, Entwicklungen zu beobachten, zu kommentieren und zu kritisieren. Das geht auch als kleine Fraktion ganz gut.
Können Sie uns konkret Dinge und Themen nennen, die Sie im Gemeinderat anstoßen oder durchsetzen konnten?
Die Institution der Stadtwache wurde und wird von uns ständig hinterfragt und beobachtet. Auch bei den Bettlergesetzen, wo viele arme Menschen einfach aus der Stadt ausgeschlossen werden sollen, konnten wir viele Entwicklungen beeinflussen.
In Linz gelang 2009 der Wiedereinzug ins Stadtparlament. Was erwarten Sie sechs Jahre später in Linz für ein Ergebnis?
Ein zweites Mandat wäre wichtig, weil wir dann mehr demokratische Rechte im Gemeinderat hätten – etwa das Einbringen von Anträgen. Wir haben dazu auch einen sehr guten Kandidaten, den Michael Schmida – ein Aktivist der ersten Stunde, ein ausgesprochener Verkehrsexperte und „Kenner“ der Stadtwache. Aber es ist extrem schwer, bei dieser enormen Wahlwerbemaschinerie der großen Parteien in den Medien Aufmerksamkeit zu erringen.

Was auffällt, sind Ihre Wahlplakate. Warum verzichten Sie dort hartknäckig und beständig auf Gesichter und Köpfe?
Die Plakate sind für uns die einzige Möglichkeit, im öffentlichen Raum präsent zu sein, darum investieren wir immer sehr viel Zeit in die Gestaltung. Bei der KPÖ war es immer schon so, dass unsere Plakate auch einen künstlerischen Anspruch haben müssen, da wollen wir unsere Wähler nicht mit 08/15-Plakaten enttäuschen. Es stimmt schon, dass in der Werbung das Herzeigen von Köpfen wichtig wäre. Aber wir arbeiten als Kollektiv zusammen. Ich bin zwar die, die im Gemeinderat sitzt, das wäre aber ohne großes Team nicht möglich. Unser Motto lautet daher „Wir sind Gemeinderat!“
Mit 1,7 Prozent im Jahr 2009 war die KPÖ ein Minderheitenprogramm. Auch am 27. September werden es nicht viel mehr sein. Warum sollte man Sie trotzdem wählen?
Ein Parlament braucht auch eine kritikfähige Opposition. Durch den Proporz haben wir aber auch in Linz keine wirkliche Opposition, selbst wenn manche Parteien so tun, als wären sie nirgends dabei. Gerade darum sind die vermeintlich „Kleinen“ so wichtig. Für uns als Linke ist zudem die soziale Komponente extrem wichtig, die in dieser Form von niemanden so angesprochen wird. Sie sehen: Es braucht uns wirklich im Gemeinderat.
Wen wollen Sie speziell ansprechen?
Kritisch denkende Menschen, die für eine solidarische Gesellschaft eintreten, denen wichtig ist, dass der öffentliche Raum nicht weiter kommerzialisiert wird und denen nicht egal ist, wie menschenunwürdig teilweise mit jenen, die zu uns als Flüchtlinge kommen, umgegangen wird. Menschen, denen wichtig ist, dass das öffentliche Eigentum in den Händen der Stadt bleibt, die die Stadt solidarisch und sozial und nicht nach rechts entwickeln wollen.
In Graz haben Ihre Parteikollegen im Jahr 2012 satte 19,9 Prozent geholt und wurden zweitstärkste Kraft. Was kann die KPÖ in Graz besser als Sie in Linz?
Wir in Linz sind 1991 aus dem Gemeinderat geflogen, in Graz ist die KPÖ mit Ernst Kaltenegger durchgehend drin geblieben. Dort haben sie auch lange gebraucht, bis der Durchbruch gelungen ist. Wir sind erst seit sechs Jahren wieder dabei und brauchen noch Zeit. Aber es ist in Linz sicher auch möglich, dorthin zu kommen, wo die KPÖ in Graz heute steht. Damals hat dort auch keiner an 20 Prozent geglaubt.
Alle anderen Parteien stellen einen Kandidaten zur Bürgermeisterwahl, die KPÖ nicht. Warum eigentlich?
Wir haben beschlossen, uns auf den Gemeinderat zu konzentrieren, um dort stärker zu werden.
Welchen Kandidaten werden Sie persönlich unterstützen?
Was natürlich gar nicht geht, ist der Detlef Wimmer und die FPÖ. Alle anderen sind wählbare Kandidaten. Am besten könnte ich mir vorstellen, dass wir mit Eva Schobesberger mal eine Frau als Bürgermeisterin haben.
Neben der KPÖ tritt mit DIE LINKE eine weitere linke Fraktion an. Die werden Ihnen sicher ein paar Zehntelprozente – womöglich die entscheidenden – wegnehmen. Haben Sie eine Freude damit?
In Linz braucht man 40 Stimmen, um zur Wahl antreten zu können. Es ist das demokratische Recht jeder Partei, das zu tun. Berührungspunkte gibt es keine. Ich kenne diese Liste nicht, auch der Spitzenkandidat ist mir völlig unbekannt.
Wenn man das Wort Kommunismus hört, zucken auch heute immer noch viele zusammen. Können Sie das nachvollziehen?
Es ist keine Frage, dass an diesem Begriff ein großer geschichtlicher Rucksack hängt und Dinge passiert sind, die nicht gut waren. Die KPÖ hat sich aber in den letzten Jahrzehnten unzählige Male von dieser Geschichte distanziert. Man sollte uns lieber an unserer aktuellen Arbeit messen.
In einem Satz: Was ist Kommunismus im Jahr 2015 für Sie?
Eine solidarische Gesellschaft und eine Art der Politik, in der es darum geht, sich keine persönlichen Vorteile zu verschaffen.
Wie hat sich Linz Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren entwickelt?
Das Linz meiner Kindheit gibt es nicht mehr, das Bild der rauchenden Schlote und der extrem schlechten Luft ist weg.
Und die Menschen? Gibt es mehr oder weniger Solidarität als früher?
Ich denke, es gibt nach wie vor sehr viele hilfsbereite Menschen in Linz – siehe das jetzt abgebaute Zeltlager. Da hat die Zivilgesellschaft die Aufgaben des Staates übernommen. Andererseits gibt es in der Gesellschaft sehr starke Tendenzen der Entsolidarisierung und einfache Erklärungsmodelle, wo etwa alle Schuld den Zuwanderern umgehängt wird. Es wäre Aufgabe einer guten Sozialpolitik, diesen Neid aufeinander abzustellen.
Wie kann man denn die Flüchtlingsfrage aus Sicht der KPÖ lösen? Es werden immer mehr Hilfesuchende kommen. Man muss kein Mathematik-Genie sein, um zu erkennen, dass sich das irgendwann nicht mehr ausgeht.
Es gibt in Linz nach wie vor sehr vielen Leerstand. In Ebelsberg steht etwa seit Jahren das große Hotel Ebelsbergerhof leer. Oder die wegen des Westrings abgesiedelten Häsuer an der Waldeggstraße, die man schnell und günstig herrichten könnte. Es ist möglich, hier noch viel mehr zu tun. Asyl ist ein Menschenrecht und jeder von uns wäre froh, wenn uns auch im Fall des Falles geholfen wird. Ich will mir gar nicht vorstellen, dass wir in Österreich mal eine Krise oder eine Umweltkatastrophe haben, wo vielleicht eine Stadt wie Linz evakuiert werden müsste. Wie soll das gehen, wenn wir es nicht mal schaffen, ein Flüchtlingslager mit 4.000 Leuten zu managen?
Gibt es auch etwas, das Linz auszeichnet?
Ja, zum Beispiel die freie Kulturszene, die hier seit den 80ern entstanden ist. Hier tut sich irrsinnig viel, es gibt viele Leute mit einem wahnsinnig großen Engagement – trotz zurückgehender Förderungen. Da kann nicht mal Graz mithalten, mit Wien dürfen und können wir uns aber natürlich nicht messen.
Interview: wilson holz