Mit Stefan Krausbar bekam die 180 Mann starke Linzer Berufsfeuerwehr im Vorjahr einen neuen Branddirektor. Aber welche Rolle kann und soll die Feuerwehr in Krisenzeiten wie diesen spielen? LINZA-Chefredakteur Wilhelm Holzleitner im Gespräch mit dem ranghöchsten Feuerwehrmann der Stadt.
Herr Branddirektor, eigentlich ist der Begriff „Feuerwehr“ irreführend. Das Aufgabengebiet hat sich über die Jahrzehnte in viele andere Richtungen entwickelt. Wie oft brennt’s denn in Linz tatsächlich noch?
Grundsätzlich ist bei einem Drittel unserer Einsätze sehr wohl Feuer das Thema. Wobei es dabei oft um Früherkennungen oder Fehlalarme geht – etwa wenn bei einer Baustelle Staub aufgewirbelt wird und eine Brandmeldeanlage den Alarm auslöst. Der klassische Zimmer- oder Wohnungsbrand beschäftigt uns in Linz etwa einmal pro Woche, insgesamt brennt es im Schnitt ca. einmal pro Tag in Linz, da sind aber kleine Vorfälle wie ein brennender Mistkübel oder eine angebrannte Speise in einer verrauchten Küche mitgezählt.
Sind die Menschen heute nachlässiger, was das Thema Feuer und Brandverhütung betrifft?
Mehr Nachlässigkeit können wir nicht feststellen, aber genauso wenig mehr Sensibilität mit dem Thema Brandschutz, weil die Gefahr, mit einem Brand konfrontiert zu werden, zum Glück relativ gering ist.
„Eine Herausforderung sind brennende E-Autos schon, aber die Hysterie ist übertrieben.“
Immer wieder ist zu lesen, E-Autos seien ganz besonders schwer oder gefährlich zu löschen. Ist das für die Feuerwehr tatsächlich eine spezielle Herausforderung?
Eine Herausforderung sind brennende E-Autos schon, aber die Hysterie ist übertrieben. Wir können hier sehr wohl löschen, es gibt aber besondere Voraussetzungen und eine andere Herangehensweise. Das Problem bei den Batterien ist etwa, dass diese geschlossen sind und man durch das Löschen von außen nur schwer herankommt. Wir haben aber gut gelernt, mit E-Autos umzugehen.
In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hatte man den Eindruck, dass das Bundesheer finanziell und strukturell immer mehr eingedampft wurde, die Feuerwehr dagegen mehr in den Fokus des Interesses rückte – Stichwort Krisen, Katastrophenschutz, Blackout. Gibt es da eine gewisse Verlagerung hin zu den Feuerwehren?
Der Eindruck täuscht. Dadurch, dass die Einsatz-Szenarien häufiger sind, bei denen man schnell zur Stelle sein muss, rückt die Feuerwehr mehr in den Blickpunkt. Das ist eben unsere Stärke: auf die Sekunde reagieren und einsatzbereit sein – das jedoch nur für eine bestimmte Dauer, etwa für ein paar Stunden oder ein bis zwei Tage. Bei Einsätzen wie Schneedruck auf den Dächern oder Hochwasser kommt in weiterer Folge natürlich massiv das Bundesheer zum Einsatz, weil dort größere Ressourcen vorhanden sind. Das Bundesheer gewinnt derzeit auch wieder an Bedeutung und Möglichkeiten.
Welche Rolle kann die Linzer Feuerwehr in Krisenfällen wie einem Blackout einnehmen, was kann sie abdecken?
Die Feuerwehr muss dann vor allem ihre Einsatzbereitschaft aufrechterhalten. Auch wenn der Strom ausfällt, müssen wir alle unsere Aufgaben erfüllen können. Und das können wir, denn wir sind unabhängig von der Stromversorgung. Wenn es drüber hinaus die Zeit zulässt, kann die Feuerwehr im Krisenfall neben ihren Grundaufgaben auch zusätzliche Aufgaben übernehmen. Unsere Stärke liegt dann auch sehr stark im Bereich Krisenmanagement, der Organisation und der Stabsarbeit.
Ich habe mal gelesen, dass die Feuerwehr im Falle eines Blackouts bis zu 48 Stunden nur damit beschäftigt wäre, eingeschlossene Menschen aus Fahrstühlen zu befreien und sie somit kaum andere Hilfen leisten kann. Wäre die Feuerwehr also auch dann nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Eigentlich kann niemand so genau sagen, was im Falle eines Blackouts passiert, weil es noch nie so einen Fall gab. Das Thema der steckengebliebenen Aufzüge wird dabei sicher ein Teil unserer Aufgabe sein.
„Wir sehen uns nicht als Helden, aber es ist sehr erfüllend, wenn man bei jedem Einsatz helfen kann und die Menschen ihre Dankbarkeit zeigen.“
Die Feuerwehren sind beim Vertrauensindex immer ganz vorne zu finden. Macht Sie das stolz – oder fühlt man sich als Held?
Ja ein bisschen schon (lacht). Natürlich ist es schön, dass jeder von uns mit einem guten Gefühl von den Einsätzen zurückkommt. Das macht wahnsinnig viel aus für die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Wir sehen uns nicht als Helden, aber es ist sehr erfüllend, wenn man bei jedem Einsatz helfen kann und die Menschen ihre Dankbarkeit zeigen.
Wie war das eigentlich bei Ihnen – warum wurden Sie Feuerwehrmann? War das ein klassischer Bubentraum, der sich erfüllte?
Ich hatte eigentlich lange keinen Bezug zur Feuerwehr und bin während meines Studiums in Graz erstmals damit in Kontakt gekommen. Als Bauingenieur beschäftigt man sich aber natürlich auch mit Themen wie dem Brandschutz. Über einen zufälligen Kontakt zur Linzer Berufsfeuerwehr bin ich immer mehr mit der Materie vertraut geworden. Die Vielseitigkeit und das Wissen, dass man Menschen aus Notlagen helfen kann, haben mich dann endgültig zur Feuerwehr gebracht.
„Weil Sie das Katzerl am Baum ansprechen: Klar ist das kein Notfall, aber wir sind auch dann da, wenn sonst niemand mehr helfen kann. Da wird halt die Feuerwehr gerufen – und wir kommen dann auch.“
Die Linzer Feuerwehren absolvieren um die 4.300 Einsätze pro Jahr – das klingt nach enorm viel. Kommen Ihre Kollegen auch tatsächlich, wenn das klassische Katzerl am Baum sitzt und nicht mehr runter kann?
Wir kommen grundsätzlich dann, wenn Gefahr im Verzug ist. Weil Sie das Katzerl am Baum ansprechen: Klar ist das kein Notfall, aber wir sind auch dann da, wenn sonst niemand mehr helfen kann. Da wird halt die Feuerwehr gerufen – und wir kommen dann auch. Wiewohl mal sagen muss: Es gibt auch Einsätze, die wir in Rechnung stellen. Nicht alles bei der Feuerwehr ist kostenlos. Die Voraussetzung ist immer, dass Gefahr im Verzug bestehen muss.
Wie gut sind denn die Linzer Feuerwehren strukturell und finanziell ausgestattet: Ist die Wertschätzung seitens der Politik vorhanden?
Natürlich kann man sich nicht alles wünschen, was man gerne hätte, aber der gesetzliche Auftrag wird mit Unterstützung der Politik vollinhaltlich erfüllt.
Aktuell läuft bei der Linzer Berufsfeuerwehr wieder die Bewerbungsfrist. Wie geht’s Ihnen denn mit dem überall beklagten Mitarbeiter- und Bewerbermangel?
Momentan haben wir kein Problem. Wir nehmen jährlich zwischen fünf und zehn neue Mitarbeiter auf und haben dabei um die 70 Bewerber. Wir tun auch einiges dafür, damit sich die Menschen für uns interessieren und haben den Vorteil, dass wir ein gutes Image haben, auch wenn Dinge wie der 24-Stunden-Dienst eine Herausforderung sind.
Im Dienstvertrag der Berufsfeuerwehr steht eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Das Thema Work-Life-Balance spielt in fast allen Branchen eine immer stärkere Rolle – auch bei der Feuerwehr?
Bei uns geht jeder gerne in die Arbeit, es hat noch niemand einen Homeoffice-Antrag abgegeben (lacht). Wenn man die Freizeit richtig nutzt, ist auch die nötige Balance gegeben. Und wenn man weiß, warum man seinen Job macht und so viel an Dankbarkeit zurückkommt, geht man sehr gerne in die Arbeit.
Wer darf, kann oder soll sich bei der Berufsfeuerwehr bewerben?
Unsere Hauptgrundlage ist, dass etwas instand gesetzt werden muss. Darum ist es kein Fehler, wenn man Handwerker ist oder eine technische Lehre hinter sich gebracht hat. Wir müssen ständig Dinge reparieren. Dieses Wissen aus einzelnen Gewerken im Haus zu haben, ist für uns essenziell. Wir nehmen auch Bewerber mit anderen Ausbildungen, wenn diese ‚feuerwehraffin‘ sind und die Personen die entsprechende Mentalität haben.
Gibt es Altersberschränkungen?
Das untere Limit von 25 Jahren wurde vor einiger Zeit aufgehoben, damit haben wir auch bereits gute Erfahrungen gemacht. Ältere können sich ebenfalls bewerben, weil Lebenserfahrung bei uns sicher von Vorteil ist. Und natürlich sollte man eine gewisse Sportlichkeit mitbringen – oder besser gesagt: Sportlichkeit ist eigentlich verpflichtend.
„Bei der körperlichen Belastung kann man bei weiblichen Bewerbern keine Abstriche machen, darum sind die Aufnahmekriterien dieselben.“
Frauen haben es bislang nicht geschafft in die Linzer Berufsfeuerwehr.
Der Aufnahmetest ist für alle gleich. Es wird jeder verstehen, dass das, was man als Feuerwehrmann/frau leisten muss, für alle am selben Level sein muss. Bei der körperlichen Belastung kann man bei weiblichen Bewerbern keine Abstriche machen, darum sind die Aufnahmekriterien dieselben.
Sie sind 2022 als Branddirektor der ranghöchste Feuerwehrmann der Stadt Linz. Wie oft stehen Sie selbst noch an der Spritze und sind mitten drin im Geschehen?
Also Brände lösche ich selber keine mehr (lacht), bei größeren Einsätzen bin ich aber sehr wohl dabei, weil es dann alle Kräfte und zusätzliche organisatorische Fähigkeiten in der Führung braucht.
Linz baut Hochhäuser, viele Hochhäuser. Nicht nur in Hollywood-Filmen sind Wolkenkratzer Schauplätze von Bränden. Fahrstuhlunfällen oder anderen Katastrophen. Sind die Linzer Hochhäuser für die Feuerwehr eine besondere Herausforderung oder ist deren überschaubare Höhe bis (bald) 109m bewältigbar?
Hochhäuser sind zwar eine Herausforderung, aber heutzutage baulich so ausgelegt, dass wir im Einsatzfall sehr gut arbeiten können. Bis zu einer Höhe von 30 Metern können wir mit der Drehleiter Brände bekämpfen und Personen retten. Darüber hinaus gibt es dank der baulichen Richtlinien sehr gute Voraussetzungen bis hin zu Steigleitungen, dank derer man etwa Wasser direkt aus den oberen Stockwerken entnehmen kann. Besondere Vorgehensweisen sind unser täglicher Job, insofern gibt es hier keine Probleme.
Wieviele Feuerwehrleute gibt es in Linz – und wieviele davon stehen immer zur Verfügung?
In Linz sind es 180 hauptberufliche Feuerwehrleute, von denen mindestens 47 immer im Dienst stehen. Für größere Einsätze stehen uns zusätzlich die vier freiwilligen Linzer Feuerwehren mit bis zu 36 mal vier Kollegen (in Summe bis zu 144 Einsatzkräfte, Anm.) zur Verfügung.
Danke für das Gespräch. Was wünscht man einem Feuerwehrmann eigentlich beim Abschied? „Gut Lösch?“ Oder „Gut Spritz“?
Das „Glück auf“ aus dem Bergbau ist durchaus gängig. „Gut Wehr!“ geht auch. Aber eigentlich haben wir keinen wirklich klassischen Glückwunsch.