Wegen der „falschen“ Frisur wurde einer Musikerin in Deutschland bei einer Friday for Future Veranstaltung in Deutschland der Auftritt verwehrt. Nach Meinung der Klimaschützer sollten „weiße Menschen keine Dreadlocks tragen“. Zudem sei es „Aneignung einer fremden Kultur“, die Haare würden nicht zum „antirassistischen Narrativ“ von Friday for Future passen, damit würden Stereotype bedient. Eines von vielen Beispielen, in welche absurde Richtung sich die Political Correctness mittlerweile verrannt hat. Ein Kommentar.
„Solltest du dich bis Freitag dazu entscheiden, deine Dreadlocks abzuschneiden, würden wir dich natürlich auf der Demo begrüßen und spielen lassen“, ließ man Musikerin Ronja Maltzahn (28) noch wissen. Dem kam die Künstlerin verständlicherweise nicht nach, ihr Auftritt bei den jungen Klimaschützern in Hannover war damit hinfällig.
„Aneignung einer fremden Kultur“ – so der haarige Hauptanklagepunkt. Statt gegen Rassismus zu kämpfen, unterstützen ihn die FFF-Macher mit solchen „Regeln“ geradezu aktiv. Dabei ist „Kulturaneignung“ das, was Zusammenleben und Toleranz bedeuten. Genau das macht Integration aus – und zwar von beiden Seiten. „Berlin bleibt Deutsch“ haben Wehrmachts-Soldaten in den letzten Kriegstagen des zweiten Weltkriegen an Hauswände der deutschen Hauptstadt gepinselt. Friday for Future Hannover bleibt bis auf weiteres auch „deutsch“, zumindest was die Frisuren betrifft.
Die eigentlich recht engagierten jungen Klimaschützer haben sich damit einmal mehr ein Eigentor geschossen. Zuletzt geisterten auch immer wieder Bilder von FFF-Veranstaltungen in Österreich durch die Medien, bei denen ein Meer an Dreck zurückgelassen wurde – pikanterweise auch Unmengen von McDonalds-Verpackungsresten auf den Straßen (statt im Mülleimer) – und damit von jenem Unternehmen, das just von den Demo-Veranstaltern immer wieder scharf kritisiert wird. Vielleicht liege ich einem Denkfehler auf – und die jungen Leut’ wollen ja auch einfach nur alle Burger aufessen, damit McDonalds danach für immer schließen muss.
Jene Toleranz und Weltoffenheit, so wie sie viele „Bobos“ (und deren Kids) gerne vor sich hertragen, ist gerade dabei, in einer perversen Selbstreflexion unterzugehen. Rückblick: In einer deutschen Kita wurde 2019 mittels Rundschreiben im Fasching darauf hingewiesen, dass sogenannte „Indianer- und Scheichkostüme“ unerwünscht seien. „Wir möchten Sie bitten, gemeinsam mit Ihren Kindern bei der Auswahl des Kostüms darauf zu achten, dass durch selbiges keine Stereotype bedient werden“. Mit diesen Zeilen an die Eltern wollte die Kita Eulenstraße „ein Faschingsfest ohne rassistische Kostüme“ sicherstellen.
Gut so: Bekanntlich laufen heute Millionen von rassistisch-stereotypen Erwachsenen herum, die in ihrer Jugend jahrelang durch ihre unbeschwerten, im Rückblick aber sehr hochbedenklichen Faschingskostüme für die aufgeklärte westliche Gesellschaft verlorengegangen sind. Schlimm, wenn jetzt eine weitere Lost Generation mit lauter Häuptlingen „Wildes Pferd“ oder „Al Ben Nemsi“-Scheichs heranwüchse.
Auch ich bin durch mein Lieblingskostüm bereits als Kind auf die semantische Nazi-Reichsautobahn abgezweigt: Als damals begeisterter Cowboy halte ich heute selbstverständlich alle Amerikaner für Cowboyhuttragende Kuhhirten, die in ihrer Freizeit gerne Indianer – äh, sorry, ich meinte natürlich Native Americans, erschießen.
Einmal zog ich Dummerchen gar als Bergsteiger mit Seil und Pickel in den Fasching – als ob alle Bergsteiger stereotypisch immer einen Krampen mit dabei hätten! Hoffentlich fliege ich nach diesem Outing jetzt nicht beim Alpenverein raus.
Im März 2021 griff die ehemalige Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin in einer Rede ins – äh, Braune: Sie erzählte, dass sie als Kind gerne Indianerhäuptling geworden wäre. Aus war’s! Die innergrüne Empörung kannte nach Benutzung dieses No Go-Begriffs verständlicherweise keine Grenzen.
Kurze darauf entschuldigte sich die verbale Ketzerin für ihre „unreflektierten Kindheitserinnerungen“ und meinte, dass auch sie noch „dazulernen“ müsse. Für ihre politische Zukunft sah es nach diesem Sager freilich schwarz – ähem, dunkelgrün aus.
Dank meiner unentschuldbaren Karnelvals-Ausrutscher zur Jugendzeit geriet ich schon damals auf die schiefe Bahn, der ich nicht mehr entrinnen konnte. Trauriger Beweis: Ich hab mir im Urlaub in Marokko vor drei Jahren einen Fes gekauft, den ich dann und wann aus einer spontanen Laune heraus auch trage. Diese „Kulturaneignung“ der übelsten Sorte ist unverzeihlich, das ist mir mittlerweile bewusst. Den Gedanken an ein Entschuldigungsschreiben, das ich an den marokkanischen König Mohammed VI. (Spoiler: keine Stereotype, er heißt wirklich so) richten wollte, habe ich zwar verworfen. Ich werde statt des Fes jedoch künftig auch im Sommer nur mehr meine weit unbedenklichere Skihaube (sofern diese nicht in der Schweiz, in Garmisch oder in Meran gehäkelt wurde, die Recherchen laufen noch) tragen.
Meine drei im letzten USA-Urlaub erworbenen Baseball-Caps kann ich zum Behufe des Kopfbedeckens ebenfalls nicht mehr heranziehen: Die Dinger habe ich gestern entsorgt – allerdings nicht im Altkleidercontainer, sondern beim Sondermüll – sonst eignet sich ein anderer Verblendeter diese fremde US-Kultur verbotenerweise auch noch an.
Hmmm: Vielleicht trage ich künftig auch nur mehr den original Linzer Hut, aber da bediene ich als Linzer möglicherweise auch schon wieder eine Stereotype. Sie sehen: Es ist so schwierig geworden, selbst mit Larifari-Themen wie Hüten und Hauben.
Tattoos ließ ich mir vorsorglich erst gar keine stechen – nicht weil ich diesen Körperschmuck hässlich finde, sondern weil ich noch nie im Knast saß oder zur See gefahren bin – und ich mir diese Kultur daher nicht so mirnix dirnix aneignen darf.
Apropos zur See fahren: Diese weiße Hipster-Vollbärteflut sollte man sich auch mal genauer anschauen. Einfach so auf Käpt’n Iglo machen, aber selbst noch keine einzige Dorade aus dem Atlantik gezogen zu haben: Geht eigentlich gar nicht (mehr).
Und können sich jene Leute, die vom Mexiko-Urlaub einen Sombrero mit heimgebracht und auf die Wohnzimmerwand genagelt haben, eigentlich noch in den Spiegel schauen? Oder unbeschwertes Tequila-Saufen beim Poltern? Finger weg – so sind wir nicht!
Beim Gendern haben wir auch noch an allen Ecken und Enden Aufholbedarf. Der Linzer Tourismusverband etwa benutzt in seiner Kommunikation zwar neuerdings nur mehr die weibliche Anredeform (und meint damit auch die Männer). Bei der Linzer Torte hat man leider geschlampt und den – ähem, Schwanz eingezogen: Es braucht im Jahr 2022 endlich eine Linzerinnen Torte.
Und warum es weder beim LASK noch bei Blau-Weiß Linz keinen einzige Frau im 24-Mann(!)-Profi-Kader gibt, sollte auch nicht weiter hingenommen werden. Da helfen auch die kürzlich ins Leben gerufenen Frauenteams der beiden Klubs nicht: Dort werden nämlich den Männer diskriminiert.
Ebenfalls ein gewaltig problematisches Themenfeld: das Essen. Wenn man zum Italiener dinieren geht und sich dann – eh klar, die Katzlmacher können ja nix anderes – eine Pizza bestellt: Gedankenloser und stereotypischer geht’s ja fast nicht! Ganz nebenbei verletzt man gewiss auch die Gefühle des Pizzaschupfers, der vermutlich auch gerne mal ein Wienerschnitzerl in die Pfanne schmeissen würde.
Und an alle, die beim Türken am Eck mit der Bestellung eines Döner (mit Alles) eine weitere üble Stereotype bedienen: Was soll das, Leute?
Schwieriger wird’s schon bei der Bosna am Straßeneck: Hier empfiehlt es sich, beim Würstlhansi (bzw. der Würstlhansin) hinter der Bude die jeweilige Nationalität zu erfragen. Stammt er oder sie (oder es) aus Bosnien bzw. dem Balkan-Raum, steckt man schon mitten drin in der lukullischen Stereotypen-Falle. Dann sollte man die Bestellung lieber auf Bratwürstl oder ein Packl Mannerschnitten korrigieren. Sicher ist sicher: Hinter Ihnen könnte ein FFF-Kid lauern und Ihre Order gar nicht supi finden!