Wie umgehen mit kritischen Beiträgen auf Facebook & Co.? Diese Frage beschäftigt nicht nur Medien, sondern besonders auch Politiker. Bürgermeister Klaus Luger wählt einen ganz besonderen Weg: Auf seinem Facebook-Account findet sich kein einziger kritischer Eintrag, sämtlicher Widerspruch wird wohl permanent gelöscht, berichten uns mehrere User.
„So einen Bürgermeister kann man sich nur wünschen“, God bless you Herr Bürgermeister“, „In jeder Situation souverän unser Herr Bürgermeister“, „Bravo!!! Super!!!“ und „Solche Menschen gehören an die Spitze eines Landes“ – die Einträge auf Klaus Lugers Facebook-Account lesen sich wie ein Poesiealbum voller uneingeschränkter Bewunderung. Wir haben weit zurückgeblättert und unter den dutzenden Storys und Facebook-Postings kein einziges negatives Feedback gefunden – mehr als ungewöhnlich für einen Politiker, der in der ersten Reihe und damit auch immer wieder in der Kritik steht.
In der letzten Zeit erreichten uns mehrere Rückmeldungen von Usern, die auf Lugers Account gesperrt oder mittels persönlicher Nachricht bedrohlich „gewarnt“ wurden. Kritsche Postings werden demnach umgehend gelöscht – in einem Fall soll bereits der Satz „Ich sehe das anders, Herr Bürgermeister“, gereicht haben, um sofort gesperrt zu werden: „Das ist eines Bürgermeisters unwürdig“, schreibt uns ein betroffener Linzer User, dessen Postings ebenfalls mehrmals gelöscht wurden: „Dabei ging es meist nur um ganz banale Fragen oder Kritik an den Öffis. Mittlerweile bin ich wohl einer von vielen gesperrten Usern, die es gewagt haben, kein Jubel-Posting unter Lugers Einträge zu schreiben.“

„Das ist die letzte Warnung“
Hinter Lugers Account steckt aber anscheind nicht der Bürgermeister selbst, sondern ein Mitarbeiter aus seinem Büro: Ein gewisser Sam Langanke soll sich nicht nur um die Accounts Lugers kümmern, er ist auch für die SPÖ-Onlinezeitung „ALLES LINZ“ mitverantwortlich, in der sich viele Storys um den Bürgermeister drehen. Auch dort gibt es – anders als bei Medien üblich – kein einziges kritisches Gegenposting. Ein User erhielt von Herrn Langanke sogar eine PN, die mit dem Satz „Das ist die letzte Warnung“ endet. Sam Langanke versendet auf Facebook teilweise sogar im Namen des Bürgermeisters (!) Nachrichten, in denen er Kritikern Folgen androht.

„Falls die Page von externen oder Praktikanten betreut wird, stellen Sie klare Regeln auf, dass bei negativen Äußerungen vor der Beantwortung eine Führungskraft hinzugezogen wird“, empfiehlt Facebook Profi Boris Pfeiffer, der zu diesem Thema ein eigenes Buch geschrieben hat. Er rät auch davon ab, kritische Beiträge vorschnell zu löschen: „Lassen Sie den Kritikern ihren Lauf. Wenn Sie Ihre Seite für Kommentare sperren, werden sich Ihre Kritiker eine neue Seite suchen oder eine solche in Facebook gründen. Behalten Sie die Kritik auf Ihrere Seite, wo Sie immer noch eine gewisse Kontrolle ausüben können.“
Auch davon, Kritiker mit Drohungen oder Schmähungen anzuschreiben, hält Pfeiffer nichts: „Reagieren Sie auf Kritik auf keinen Fall mit eigener Kritik oder Angriffen auf den Kritiker.“ Dadurch würde die Diskussion eher weiter (woanders) angeheizt, als die Lage zu beruhigen, so Pfeiffer.
Und wie sieht es mit dem Ansatz aus, Kritiken sofort zu löschen, um eine reine Wohlfühlatmosphäre zu generieren? „Beiträge löschen oder zensieren sind in der Regel keine geeigneten Lösungen und können eher dazu führen, dass eine vorgebrachte Kritik sich zur handfesten Krise auswächst“, sagt Axel Wüstemann von der Internet Agentur Qbus.
„Lösche unerwünschte Links“
Aber wie halten es andere Politiker mit ihren Facebook- Accounts? „Ich lasse prinzipiell Diskussionen zu. Beleidigende und unsachliche Kommentare werden aber gelöscht“, sagt etwa der Linzer FPÖ-Boss Markus Hein. Auf seinem Facebook-Account finden sich tatsächlich viele Einträge, in denen sich der blaue Vizebürgermeister mit dem einen oder anderen kritischen User genüsslich „matcht“. Gepostete Links löscht Hein aber grundsätzlich, da er den Inhalt nicht jedesmal zeitaufwändig prüfen lassen will.
„Die Zeiten dumpfer Propaganda sind vorbei“
Ähnlich sieht das Gemeinderat Lorenz Potocnik: „Ich bin über jeden kritischen Kommentar dankbar, weil er mich oft weiterbringt und die so wichtige (und in Linz mangelnde) öffentliche Debatte fördert. Die Zeiten dumpfer Propaganda sind längst vorbei. Gesperrt habe ich in den letzten fünf Jahren nur eine Handvoll aggressiver oder bösartiger Typen. Kommentare lösche ich nur dann, wenn sie einfach nur dumm, beleidigend oder gehässig sind.
Kommentar
Keine Frage, auf Facebook und in anderen sozialen Medien geht es mitunter ruppig zu. Dennoch muss man zwischen notwendiger, „xunder“ Kritik und Tiefschlägen unter die Gürtellinie unterscheiden, alles andere wäre zu billig. Lässt man nur Jubel-Postings aus der eigenen Fan- und Parteicommunity zu, hat man die Grundsätze der Kommunkation nicht verstanden.
Wer keinen Widerspruch duldet oder erträgt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihn und seine Arbeit eigentlich überhaupt niemand mehr hinterfragen darf. Da ist es dann nicht mehr weit zum Elfenbeinturm. Was gar nicht geht: Kritischen Usern per PN mit Sätzen wie „Das ist die letzte Warnung“ zu drohen. Sowas klingt fast schon ein bisschen nach Mickey Maus-Comic: Ein Bürgermeister und seine Mitarbeiter sollten über solche unwürdigen Mätzchen erhaben sein. Ordentlich kommunizieren und sich berechtigter Kritik auch mal persönlich stellen, statt ungeschickte, ruppige „Parteigenossen“ die Kommunikation erledigen lassen – das sollte eigentlich Pflicht für einen Bürgermeister sein.