Trotz des EM-Ausscheidens unserer Nationalmannschaft ist der Jubel in Österreich über die gezeigte Leistung groß – auch darüber, dass sich unser Land überhaupt für die Endrunde qualifiziert hat. Doch wischt man sich erst Mal die rot-weiß-roten Wangerl ab sowie den Sabber vom Mund und schärft den Blick in den Rückspiegel, schaut die Realität doch ein bisschen nüchterner aus. Unser Kommentar der Woche.
Vier Spiele durfte Österreich bei der Endrunde in Deutschland mitkicken. Zwei davon wurden gewonnen, zwei verloren. Unerwartet war lediglich der Dreipunkter im (eigentlich unbedeutenden) Spiel gegen die Niederländer. Zudem kann man sich noch über die eine oder andere gute Leistung freuen, mehr aber auch nicht. Am Ende des Tages zählen Siege und Aufstiege, keine schönen Spielzüge und Beinahe-Tore. Über die redet ein paar Tage nach dem Spiel nämlich niemand mehr. Von schön-schön kann man sich nichts kaufen.
Interessante Parallele: Auch bei der EM 2021 holte Österreich in der Vorrunde zwei Siege und eine Niederlage und schied im Achtelfinale nach einer starken Leistung mit 1:2 gegen Italien aus. Auch damals spielte unsere Mannschaft auf Augenhöhe mit den Top-Teams und fuhr mit leeren Händen heim. Genau darum erinnert sich heute auch kaum noch jemand an den Einzug ins Achtelfinale. Schöne Spiele und tolle Leistungen ohne zählbaren Erfolg sind Futter für das Kurzzeitgedächtnis. Höchstens.
Dasselbe Bild präsentiert sich übrigens auch bei der Heim-EM im Jahr 2008, als Österreich bei allen drei Vorrunden-Auftritten passable Leistungen hinlegte und zweimal ganz knapp (gegen Deutschland und Kroatien) verlor und gegen Polen remisierte.
Es ist genau dieses Sich-selbst-auf-die Schulterklopfen und der Jubel über das (zumindest gefühlt glorreiche) Nichterreichen von Titeln oder Pokalen, das Fußball-Österreich auszeichnet. Wir waren ja eh dabei, haben ein paar Mal super gespielt und sogar die Polen geschlagen. Oiso wos woits?
Ebenfalls nicht nachvollziehbar war der Jubel über die „sensationelle“ EM-Qualifikation der Österreicher. Unter dem Strich ist das tatsächlich keine allzu große Überraschung, wenn sich mittlerweile 24 Nationen für die Endrunde des kleinsten aller Kontinente (in dem es gerade mal 30 Länder gibt, die einwohnermäßig größer als Wien sind) qualifizieren.
So dramatisch und spannend das Achtelfinale gegen die Türkei war: Wer gegen mäßig erfolgreiche und ersatzgeschwächte Osmanen nur ein Tor zustande bringt, gleichzeitig aber zwei Stück bekommt, fährt verdient nach Hause. Wie immer halt.
Ebenfalls nichts ändern wird sich das speziell in Österreich beliebte „In-den-Himmel-heben“ der Kicker nach einer oder zwei guten Leistungen: Die verschiedenen Interviews und Runden mit Sportreportern, „Experten“ und ehemaligen Spielern, in denen diskutiert wurde, wer diese österreichische Mannschaft überhaupt schlagen kann, waren unerträglich und abgehoben. Ebenso wie die unzähligen halblustigen ÖFB-Videos der Mannschaft in den sozialen Medien mit Wordraps, Liedern und Streichen, die die Kicker während der Trainingspausen selber machten. Richtiggehend gezwungen versuchte man, Arnautovic und Co. als coole und lustige Typen darzustellen. Das Ganze nahm ein Ausmaß an, das erst auf die Nerven und dann nach hinten losging. Eine wirklich fokussierte Mannschaft würde sich nicht auf so viel Nonsens einlassen. Siehe Deutschland oder Spanien.
Bitte nicht falsch verstehen: Auch ich freue mich über die starke Leistungen unserer Elf. Mehr aber auch nicht. Spitzenmannschaften zeichnet aus, dass sie oft einen Hundskick zeigen, aber dennoch am Ende des Tages abliefern. Davon ist unsere Mannschaft nach wie vor noch ein gutes Stück entfernt – und ich befürchte, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
wh