Mit dem neuen EU-Gesundheitsgesetz soll eine Abmeldung von der elektronischen Gesundheitsakte ELGA künftig nicht mehr möglich sein. Pharmakonzerne, Forscher, Ärzte und möglicherweise auch Behörden in ganz Europa können dann auf diese Daten zugreifen. Die Angst vor einem Missbrauch dieser sensiblen Daten sind berechtigt – und können bis zu Benachteiligungen wie einem Reiseverbot von kranken oder gesundheitlich beeinträchtigten Menschen gehen. Datenschützer haben deshalb in einem offenen Brief an Bundeskanzler Nehammer, Vizekanzler Kogler, Gesundheitsminister Rauch, Staatssekretär für Digitalisierung Tursky, die österreichischen Klubobleute und die Europaabgeordneten auf diese Gefahr hingewiesen. Auch von der MFG und Bundesparteiobmann Joachim Aigner kommt Kritik.
„Wissenschaftlich genutzt“ werden sollen die Gesundheitsdaten der Österreicher. Im Zug der Gesundheitsreform wird derzeit in Österreich eine neue Datenbank geschaffen, in die Bund, Länder, und Sozialversicherung sämtliche vorhandene Gesundheitsdaten eintragen. Versprochen wird seitens der Regierung zwar, dass die Daten Dritten nicht zugänglich gemacht werden. Der eigentliche Hintergrund: ein geplantes EU-Gesetz, demzufolge sämtliche Gesundheitsdaten weitergegeben werden dürfen – an die Forschung, an Ärzte oder an Pharmakonzerne. Verhindern wird man das künftig nicht mehr können, denn die EU will gleichzeitig die Möglichkeit, sich von der elektronischen Gesundheitsakte ELGA, in der alle Gesundheitsdaten gespeichert sind, abzumelden, streichen. In einem Offenen Brief fordert die Datenschutzorganisation epicenter.works daher nun, dass das Recht zum ELGA-Ausstieg erhalten bleiben müsse.
„Wir sind alarmiert über die aktuellen Beschlüsse im LIBE- und ENVI-Ausschuss des Europaparlaments zum europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS). Denn Österreich hat mit der Opt-Out-Möglichkeit aus der ELGA seit 2013 eine große Errungenschaft. Sie gibt den Menschen die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, was mit ihren heikelsten persönlichen Daten passiert. Mit der Einführung des europäischen Gesundheitsdatenraums würde diese gut etablierte Lösung verloren gehen. Das käme einer Zwangsenteignung von Gesundheitsdaten aller 279.337 betroffenen Österreicherinnen und Österreicher gleich! Wir rufen die politisch Verantwortlichen daher auf, dieses Recht auf Selbstbestimmung zu bewahren. Nimmt der EHDS den Bürger:innen dieses Recht, müssen wir eindringlich davor warnen und zur klaren Ablehnung der EHDS-Verordnung aufrufen.“
Aus dem offenen Brief der Datenschützer von epicenter.works – Plattform Grundrechtspolitik
Etwa 280.000 Österreicher sind von ELGA abgemeldet – und das aus durchaus nachvollziehbaren Gründen: In den ELGA-Akten stecken streng vertrauliche, höchstpersönliche Informationen über die Gesundheit – das geht hin bis zu chronischen Erkrankungen, einem Burn-Out-Syndrom, Daten über zurückliegende Operationen, Gewichtsprobleme, eine HIV-Infektion oder eine Krebserkrankung. „Stellt man diese Daten für alle möglichen Zwecke der EU zur Verfügung und sind diese dann sogar von der Politik oder diversen Organisationen abrufbar, gleicht das einer Enteignung“, befürchtet MFG-Bundesparteiobmann Joachim Aigner via Aussendung.
Der Willkür wird Tür und Tor geöffnet
Was alles möglich ist, hat die jüngste Vergangenheit gezeigt: Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Ungeimpfte zuhause eingesperrt, bestraft, mit Reiseverboten belegt und von der Politik geächtet. „Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um zu befürchten, dass es vielleicht anderen ‚Zielgruppen‘ bald auch so geht, aus dem ELGA-Akt ließe sich jede Menge ableiten, um Menschen in ‚Risiko‘-Gruppierungen einzuteilen“, so Aigner: „Durchaus möglich, dass bei einer völligen Transparenz der Gesundheitsdaten manchen gesundheitlich Beeinträchtigten eine Flugreise verboten wird – oder der Besuch eines Landes nur mit Zusatzversicherung möglich wird, wenn man ein ‚Risiko‘ darstellt, weil man zum Beispiel schon mal eine Herz-OP hatte.“ Den Möglichkeiten der persönlichen Einschränkung und Willkür werde mit einer Zugänglichmachung der Gesundheitsdaten Tür und Tor geöffnet, so Joachim Aigner: „Wollen wir das wirklich? Wo liegt Österreichs Nutzen dieser Maßnahme?“
„Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um zu befürchten, dass es vielleicht anderen ‚Zielgruppen‘ bald auch so geht, aus dem ELGA-Akt ließe sich jede Menge ableiten, um Menschen in ‚Risiko‘-Gruppierungen einzuteilen.“
MFG-Bundesparteiobmann Joachim Aigner
ÖVP und Grüne wollen die Abmeldemöglichkeit von ELGA beibehalten – das wird aber schwierig: Denn wird das EU-Gesundheitsgesetz in der vorliegenden Form beschlossen, hat Österreich keinerlei oder Möglichkeit eines Alleingangs. Das Plenum des EU-Parlaments wird am 13. Dezember über das European Health Data Space (EHDS)-Gesetz abstimmen: „Fällt der Erhalt der Freiwilligkeit bei der ELGA-Teilnahme, verliert Österreich ein weiteres Stück an Selbstständigkeit und Freiheit. Wo bleibt der Aufschrei? Es kann und darf nichts anderes geben als eine geschlossene Ablehnung dieses EU-Gesetzes. Die Streichung der Freiwilligkeit der ELGA-Teilnahme ist eine rote Linie“, so Joachim Aigner.