211.616 Einwohner zählte Linz mit Stichtag 1. März 2023 – so viele wie noch nie. Gemeinde- und Bezirksgrenzen im Zentralraum sind aufgrund der regen Bautätigkeit und des enormen Wachstums aber ohnehin längst überholt. Der urbane Linzer Raum reicht heute bereits bis nach Hörsching und hat über 300.000 Einwohner, eine Grenze ist nicht mehr auszumachen. Aber nicht nur in Linz, auch in anderen Bezirken OÖs wären Gemeindezusammenlegungen oder Eingemeindungen höchst an der Zeit. Politisch sind sie zwar grundsätzlich gewünscht, sie scheitern aber meist am Kleingeist und am Kirchturmdenken der handelnden Personen – und natürlich an der Angst, Macht und Wählerstimmen zu verlieren.
In Oberösterreich gibt es derzeit 438 Gemeinden, die größte ist Bad Ischl mit 14.100 Einwohnern, die kleinste Rutzenham (300). 86 Gemeinden in OÖ haben weniger als 1.000 Einwohner, 295 weniger als 2.500 – mit eigenem Bürgermeister, eigenem Gemdeindeamt, Gemeinderat und Angestellten/Beamten mit oft sehr überschaubarem Aufgabengebiet.
Speziell auch die Situation im Großraum Linz: Der Übergang etwa nach Leonding, Pasching, Traun aber auch Steyregg oder Asten ist nahezu fließend. Auch Puchenau – das dortige Gemeindeamt ist vom Neuen Linzer Rathaus gerade mal 3,3km entfernt – gehört nicht nur versorgungstechnisch mehr oder weniger bereits zu Linz, auch der Großteil der dortigen Bewohner hat seinen beruflichen oder schulischen Lebensmittelpunkt in der Landeshauptstadt, trotzdem leistet man sich dort einen eigenen, großen Verwaltungsapparat. Der Gemeindebund nennt die tatsächlichen Beweggründe für die recht lahmen Bestrebungen, gemeinsame Sache zu machen: „Gemeindezusammenlegungen sind ein Garant, Wählerstimmen zu verlieren.“
„Gemeindezusammenlegungen sind ein Garant, Wählerstimmen zu verlieren.“
OÖ Gemeindebund
Den letzten ernsthaften Versuch einer Gebietsreform in OÖ gab‘s 1976. Die Arbeiterkammer schlug damals vor, aus 444 Gemeinden 93 zu machen. Wirklich weitergedacht wurde die visionäre Idee aber nicht. Fakt ist, dass viele Gemeinden schrumpfen. Junge ziehen in urbane gebiete und folgen den Arbeitsplätzen, dem Freizeitangebot, während der ländliche Raum immer weiter überaltert.
Seit der letzten großen Linzer Eingemeindungswelle zur Hitlerzeit sind acht Jahrzehnte vergangen. Und immer noch ist es ein großes Tabu, darüber zu reden – dabei würde genau das Sinn machen, denn die Gemeindegrenzen sind aufgrund des enormen Wachstums und der regen Bautätigkeit seit 1945 längst überholt.
Die Gemeindegrenzen sind aufgrund des enormen Wachstums längst überholt.
Steiermark: Nur noch 287 statt 539 Gemeinden
Dass es unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“ sehr wohl geht, zeigt etwa die Steiermark vor: Seit 2015 gibt es nur noch 287 statt zuvor 539 Gemeinden. Strukturell hat sich dort vieles verbessert, Einsparungen in der Verwaltung gab es jedoch nicht. Das sei aber auch nie das Ziel gewesen: Es ist niemand entlassen worden, Pensionierungen oder der Verkauf von Immobilien würden sich erst in einigen Jahren auswirken, so Wolfgang Wlattnig, Leiter der steirischen Gemeindeabteilung.
Laut einer steirischen Studie haben zusammengelegte und damit größere Gemeinden mehr politisches Gewicht, mehr Synergien (von gemeinsam betriebenen Schulen, Kindergärten bis hin zu Straßenmeistereien und Feuerwehren) und weit bessere Entwicklungschancen. So ist auch die Strahlkraft und die Attraktivität für mögliche Firmenansiedlungen um einiges größer.
Die optimale Größe einer Gemeinde beträgt laut Expertenmeinungen etwa 5.000 Einwohner – nur ein Achtel aller 438 oö. Gemeinden fällt darunter.
Linz hätte 300.000 Einwohner
Ein durchaus sinnvolle (aber wohl illusorische) Eingemeindung des Linzer Umlandes etwa von Leonding, Traun, Hörsching, Pasching, Steyregg, Haid und Puchenau ließe Linz auf bis zu 300.000 Einwohner anwachsen, Linz würde damit Graz als zweitgrößte Stadt Österreichs überholen. Defacto handelt es sich bereits jetzt um einen urbanen Raum, der teilweise mit denselben Verkehrsmitteln und denselben Strom-, Wasser- und Energieversorgern bis hin zur Müllentsorgung betreut wird.
„Miteinander statt gegeneinander“
Die Idee einer „Regionalen Metropole“ (REGIOPOLE) von Linz über Enns bis hin nach Wels, die große Entscheidungen gemeinsam trifft und bewerkstelligt, wäre ein spannender Ansatz. Dabei wird nicht im klassischen Sinn fusioniert, sondern sehr eng zusammengearbeitet. In Deutschland gibt es dazu bereits Vorreiter-Projekte.
„Die Konkurrenten für Linz, Wels oder Enns sind nicht jeweils die anderen – sondern Salzburg, Graz, Wien, Süddeutschland, Böhmen und andere wirtschaftlich starke Regionen in Europa“
Stadtentwickler Lorenz Potocnik
Der oberösterreichische Zentralraum ist in der Tat viel zu kleinstrukturiert, um gegeneinander anzutreten, was speziell auch für Linz zum Problem wird: „Die Konkurrenten für Linz, Wels oder Enns sind nicht jeweils die anderen – sondern Salzburg, Graz, Wien, Süddeutschland, Böhmen und andere wirtschaftlich starke Regionen in Europa“, sagt Stadtentwickler Lorenz Potocnik. Durch diese Kleinstrukturiertheit fehle es an Lösungskompetenz. Potocnik: „Es stockt überall, wo die Zuständigkeiten nicht klipp und klar sind. Egal ob das die zweite Schienenachse ist, die Sicherung des Grünraums, die Schnellbahnlinien, Park&Ride oder Radschnellwege: Diese Projekte stecken zum Teil seit Jahrzehnten fest.“
Titelfoto: Doris/Land OÖ