Der seit fast 40 Jahren in Österreich lebende Linzer Efgani Dönmez sieht sich immer öfters Anfeindungen von türkischen Gruppen ausgesetzt. Im LINZA-Talk geht der ehemalige grüne Bundesrat auf aktuelle Entwicklungen in unserer Stadt ein und erklärt die Bedeutung seines Familiennamens. Ebenfalls spannend: In Sachen Bundespräsidentenwahl wankt Dönmez zwischen Alexander van der Bellen und Norbert Hofer.
Efgani Dönmez – was ist eigentlich ihr aktueller politischer Status: Sind Sie noch Mitglied bei den Grünen?
Ich bin „Basiswappler“, habe keine politische Funktion mehr inne. Gesellschaft kann man auch ohne politisches Mandat gestalten.
Viele Ihrer Statements treffen bei beachtlichen Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung. Warum machen Sie politisch eigentlich nicht Ihr eigenes Ding? Das Potenzial wäre da.
Die einen haben viel Geld und kein politisches Gespür, siehe Herr Stronach. Die anderen haben politisches Gespür und kein Geld. Für eine politische Bewegung braucht man beides, ohne Geld kann man in diesem System kaum etwas bewegen. In meiner gegenwärtigen Rolle versorge ich die gesamte Medienlandschaft sowie die Politik mit wichtigen Informationen. In einer politischen Funktion könnte ich gar nicht so gut arbeiten, dass all meine Überlegungen, Haltungen und Lösungsvorschläge aufgegriffen werden würden, da zu viele sich immer noch sehr schwer damit tun, über den (parteipolitischen) Tellerrand zu blicken. Ohne politisches Mandat tut man sich da wesentlich leichter.
Wäre es für Sie vorstellbar, bei einer bestehenden Partei – etwa der FPÖ oder den NEOS – anzudocken?
Ich habe Angebote von den unterschiedlichsten Parteien. Bis zur nächsten Wahl ist noch viel Zeit. Ich muss nicht unbedingt in die Politik zurück, da ich Gott sei Dank nicht davon abhängig bin. Ich habe einige ordentliche Berufe erlernt. Wenn ich in die Politik zurückkehre, dann nicht, um einen Sessel zu wärmen, sondern um zu gestalten. Dort wo ich mich am Besten einbringen kann, mit meinen Kompetenzen und Haltungen, dort bin ich gerne bereit, mitzuarbeiten.
Politik auf kommunaler Ebene – zum Beispiel im Linzer Gemeinderat: Wäre das für Sie eine Nummer zu klein?
Meine Themen, für die ich brenne, sind internationale Themen und Bundesthemen. Sollte ich in die Politik zurückkehren, dann sehe ich mich ganz klar auf der Bundesebene.
Was kann Linz Ihrer Meinung nach gut – und was gar nicht?
Linz ist eine gute Mischung zwischen Stadt und Land. Das gefällt mir sehr gut. Was gar nicht funktioniert, sind die Verkehrsplanung und der öffentliche Verkehr. Im Gegensatz zu Wien ist der öffentliche Verkehr in Linz meist ein Programm für eher sozial Benachteiligte, abgesehen von den Schülerfreifahrten. Durch den verdichteten Wohnbau entstehen die sozialen Brennpunkte der nächsten Jahre. Jene, die es sich leisten können, ziehen weg. Die Unterstützung von reaktionär islamistisch-nationalisitischen Migrantenvereinen durch den SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger und Teilen seiner Mannschaft tut unserer Stadt gar nicht gut.
Ständig wird davon geredet, dass wir Parallelgesellschaften verhindern müssen. Mit Verlaub: Gibt es die nicht schon längst?
Wann waren Sie das letzte Mal in der Humboldtstraße oder in anderen Stadtteilen von Linz, wie zum Beispiel beim Larnhauserweg? Gewisse Fehlentwicklungen sind unübersehbar. Wenn man Schuldige sucht, dann sind es nicht die MigrantInnen, sondern die Herrschaften, die für die Wohnungspolitik und Wohnungsvergabe bei den Genossenschaften verantwortlich sind.
In manchen Gemeinden etwa in Traun – kommen türkische Mitbürger ohne ein Wort Deutsch problemlos durchs Leben. Die Community dort ist so groß und lückenlos, dass selbst Menschen, die schon 20 Jahre oder mehr hier sind, kein Deutsch sprechen, weil sie es gar nicht benötigen. Ist nicht DAS das Problem der fehlenden Integration?
Dort haben sich einige Großfamilien niedergelassen, die ein sehr traditionelles, teilweise reaktionär nationalistisch-islamistisches Weltbild vertreten. Nicht alle, aber viele Familien leben in diesen Welten. Sie sind zwar physisch in Österreich, aber im Kopf woanders. Wir müssen uns auch von der Illusion verabschieden, dass man alle integrieren kann. Nichtsdestotrotz darf man nicht verallgemeinern und alle Menschen in einen Topf schmeißen. Es gibt überall anständige und unanständige Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit.
Wie sehen Sie die Situation etwaiger extremistischer Strömungen in Linz: Gibt es hier eine abweichende oder besorgniserregende Entwicklung im Vergleich zu Rest-Österreich?
Es gibt extremistische Strömungen auf Seite der türkischen Nationalisten, wie den Grauen Wölfen und auf Seite der Kurden, die der Terrororganisation PKK sehr nahe stehen.
Stichwort Integration: Warum hat gerade die türkische Community in Österreich so großes „Heimweh“ und Nationalstolz – auch noch nach vielen Jahren bei uns?
Hier spielen neben den sozialen Netzwerken, dem türkischen Fernsehen, das über Sat-TV empfangen werden kann, auch die sogenannten türkischen „Kulturvereine“ eine wesentliche Rolle. Manche dieser Vereine sind verlängerte Arme der türkischen Politik und holen diese über ihre Vereinsaktivitäten nach Österreich herein. Hier wird ganz klar unser Vereinsrecht missbraucht. Es gibt auch zahlreiche Ausgrenzungserfahrungen, die die Menschen in die Hände von diesen Vereinen treibt. Zudem wird hier wird ganz gezielt die Opferrolle zelebriert.
Oft hat man den Eindruck, die Menschen wollen gar nicht heraus aus ihrer Blase – und das Leben in Österreich gar nicht annehmen.
Das hat unterschiedliche Gründe. Faktum ist, dass viele Österreich als ihre Heimat sehen, in Österreich ihre Existenz aufgebaut haben, ihre Zukunft in Österreich verbringen und Teil unserer Gesellschaft sind. In den Medien oder im alltäglichen Leben nehmen wir primär die Störenfriede wahr. Die Mehrheit der friedlichen angepassten Mitbürger geht unter, da der Fokus auf diese kleine, aber laute Minderheit gerichtet ist. Deshalb ist es so wichtig, dass – wenn der soziale Frieden nicht gefährden werden soll – wir endlich die „Spreu vom Weizen“ trennen müssen.
Es gibt wenige, die gewissen politische und gesellschaftliche Entwicklungen dermaßen auf den Punkt treffen – und auch aussprechen wie Sie. Wurden oder werden Sie angefeindet?
Ich habe alle notwendigen Vorkehrungen in Abstimmung mit der Exekutive getroffen. Ich lasse mich von Drohgebärden nicht einschüchtern, im Gegenteil. Mich kann man mit vernünftigen Argumenten zum Einlenken bringen, aber nicht mit Drohungen. Dazu müsste man die Bedeutung meines Familiennamens kennen: „Einer, der nicht abkehrt von seinem Weg.“
Haben Sie Angst?
Vor mir braucht sich niemand fürchten und ich fürchte mich auch vor niemandem.
An der letzten Frage kommen Sie nicht vorbei: Van der Bellen oder Hofer?
Ich schätze beide Kandidaten. Ohne Bauchweh wird diese Entscheidung, wenn überhaupt, nicht getroffen werden. Die Vernunft sagt Van der Bellen, die Strategie sagt Hofer.