SO geht Regionalflughafen: Der freie Fall des blue danube airport Linz geht ungebremst weiter, während der durchaus vergleichbare Flughafen Graz boomt. Das Grazer Passagieraufkommen betrug 2016 eine knappe Million (+1,9%), in Linz waren es fast 60 Prozent weniger. Dabei lagen Linz und Graz im Jahr 2000 mit ca. 750.000 Fluggästen noch Kopf an Kopf. Grund genug für ein Gespräch mit dem Macher des Flughafens Graz, Geschäftsführer Gerhard Widmann.
Linz verzeichnete im Geschäftsjahr 2016 ein Mega-Minus von 18 Prozent auf nur mehr 435.000 Fluggäste (2008 waren es noch über 800.000), während Graz trotz des schwierigen Umfeldes das dritte Jahr in Folge ein Plus von 1,9% und fast eine Million Passagiere verbucht. In der steirischen Landeshauptstadt – wo der Incoming Tourismus ebenfalls eine untergeordnete Rolle spielt – freut man sich aktuell über eine weitere Linienverbindung nach Amsterdam, die im Mai 2017 startet, München wurde im Oktober 2016 aufgestockt. Zusätzlich gibt es Linien nach Istanbul, Berlin, Düsseldorf, Genf, Zürich, Stuttgart, Teneriffa und Wien. Gerhard Widmann, Geschäftsführer des Flughafens, spricht im LINZA-Talk u.a. von „jahrelangen Verhandlungen mit Airlines“, die zu neuen Linienverbindungen führen, aber auch davon, dass alle – Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit – an einem Strang ziehen.
Der Flughafen Graz konnte sich in einem schwierigen Umfeld sehr gut behaupten. Wie gelingt es, immer wieder neue Verbindungen wie aktuell Amsterdam an Land zu ziehen?
Der Flughafen Graz ist eine wichtige Verkehrsdrehscheibe für einen der am stärksten wachsenden Wirtschaftsräume Österreichs. Nebenbei spielt auch der Tourismus eine immer wichtigere Rolle. Durch unsere geografische Lage werden wir auch von vielen Fluggästen aus dem benachbarten Kärnten, Slowenien, Burgenland und sogar Ungarn genützt. Das sind die wichtigsten Gründe, warum wir die oft jahrelangen Verhandlungen mit Airlines doch immer wieder zu einem positiven Abschluss führen können. Trotzdem muss festgehalten werden, dass die Jahre seit dem Einsetzen der Wirtschaftskrise für Regionalflughäfen sehr schwierig geworden sind.
Spielt das Thema Terrorangst in der Entwicklung der Fluggastzahlen in Graz eine messbare Rolle?
Natürlich spielt die Terrorangst eine messbare Rolle. Wir führen darauf den großen Rückgang im Charterverkehr von rund 30% zurück. Neben dem großen Einbruch bei den Flügen in die Türkei und nach Ägypten – zwei unserer wichtigsten Urlaubsdestinationen – wurden alle Flüge nach Tunesien storniert. Außerdem konnte beobachtet werden, dass in vielen Fällen völlig auf Flugreisen zu Gunsten von Autoreisen nach Kroatien und Italien verzichtet wurde.
Welche Unterstützung gibt es seitens des Tourismus, der Wirtschaft und der Politik für den Flughafen Graz?
Wir arbeiten schon seit vielen Jahren sehr eng mit der Wirtschaft, Steiermark- und Graz-Tourismus und natürlich auch der Politik zusammen. Allen leben die Meinung, dass wir nur gemeinsam etwas bewegen können.
Welche Rolle spielt der Incoming Tourismus für Graz?
Ein großer Teil unserer Fluggäste sind dem Businessbereich zuzuordnen. Der Incoming-Tourismus spielt dagegen eine kleinere, aber immer wichtigere Rolle, vor allem was die Schweiz und Deutschland betrifft, wo der Steiermark-Tourismus sehr aktiv ist.
Welche konkurrierende Rolle spielen für Graz die Flughäfen in Laibach (195km) und (205km) Wien?
Der Flughafen Wien ist unser größter Konkurrent, doch ein Regionalflughafen kann sich natürlich nicht mit einem internationalen Drehkreuz vergleichen. Laibach als Konkurrenz betrifft vor allem unser westliches Einzugsgebiet (Kärnten), ist aber mit Wien nicht zu vergleichen.
Wo hat der Flughafen Graz in Zukunft mehr Potenzial: Linie oder Charter?
In den letzten Jahren ist die Linie kontinuierlich stärker geworden, während der Charter immer mehr an Bedeutung verliert. Das ist einerseits auf die starke steirische Wirtschaft zurück zu führen, andererseits auf die Tatsache, dass auch immer mehr Menschen mit der Linie in den Urlaub fliegen. Klassische Urlaubsflüge – wie z. B. nach Palma de Mallorca – werden auch als Linienflüge geführt. Wir hoffen zwar, dass es 2017 zu einer Erholung des Charterverkehrs kommen wird, der wichtigere Bereich wird allerdings die Linie bleiben.
Wohin geht die Reise für den Flughafen Graz in den nächsten 10, 15 Jahren: Ist im derzeitigen Umfeld ein weiteres Wachstum möglich?
Internationale Prognosen gehen davon aus, dass sich der weltweite Flugverkehr in den nächsten 20 Jahren ca. verdoppeln wird, wobei das Wachstum in Europa am geringsten ausfallen wird. Trotzdem ist von einem jährlichen Wachstum von rund 3 Prozent auszugehen. Natürlich werden wir alles daran setzen, dass der Flughafen Graz von diesem Wachstum profitieren kann.