Seit Mai leitet der Wiener Norbert Draskovits den Linzer blue danube airport. Draskovits war zuvor bei der AUA, im Verkehrsbüro, bei Air Berlin und bei FlyNiki aktiv. In den letzten zehn Jahren verlor der Flughafen Linz fast 50 Prozent seiner Passagiere, mit Draskovits soll der Turnaround gelingen. Aktuell verzeichnet Linz ein Plus von fast 17 Prozent. Wir fragten nach: über Ziele, den Lowcost-Boom, das Lufthansa-Monopol, neue Destinationen und den Konkurrenz-Airport Budweis, der ab 2020 an den Start geht.
Sie werden sicher bereits eine Analyse erstellt haben: Wie konnte es so weit kommen, dass der blue danube airport Linz innerhalb von zehn Jahren fast 50 Prozent seiner Passagiere verloren hat?
Natürlich haben wir uns die Entwicklungen der letzten Jahre angesehen. Und wir haben uns auch angesehen, welches Potenzial da ist. Die erste Erkenntnis daraus: Der oberösterreichische Markt hat von allen Bundesländern das größte Geschäftsreiseaufkommen. Am schwächsten ist die Marktstruktur, was das Incoming betrifft, hier liegen wir unter allen Bundesländerflughäfen am schlechtesten.
Was kann ein erster Schritt sein, um aus dem Wellental herauszukommen?
Die Lufthansa kontrolliert und dominiert die Kapazitäten in den jeweiligen Märkten sehr stark. Hier muss man schauen, dass wir die bestehenden Kapazitäten erweitern können – ich spreche von Frankfurt und Düsseldorf. Bei Wien macht es weder volkswirtschaftlich noch betriebswirtschaftlich Sinn, mit der Bahn zu konkurrieren und um die Linie zu kämpfen. Nach Frankfurt wollen wir die notwendigen Kapazitäten bekommen – in erster Linie für die Wirtschaft, aber auch für den Privatreisenden, der über Frankfurt die Langstrecke nutzt. Nach Düsseldorf haben wir eine Frequenzerhöhung bereits teilweise zusammengebracht. Wenn das gut angenommen wird, wird es hier eine Erweiterung geben.
Der oö. Zentralraum ist nach Wien der zweitgrößte Ballungsraum Österreichs. Warum gibt es seitens der Airlines nicht mehr Zuspruch?
Obwohl der oberösterreichische Markt sehr stark ist, wird er von den Airlines komplett unterschätzt. Einer der Gründe ist, dass nicht die notwenigen Zahlen zur Verfügung standen. Hier ist es unser Job, Marktforschung zu betreiben und diese Zahlen plausibel aufzubereiten. Wir müssen in der Bewertung unter den Sekundärmärkten, wie Linz einer ist, einfach wieder weiter nach oben kommen. Wir sind aktuell mit einigen Airlines im Gespräch, um weitere Strecken in Europa anzubieten. Jetzt gilt es, sich wirtschaftlich zu verständigen und die Strecken zu realisieren. Die Vorlaufzeiten im Linienverkehr betragen aber eineinhalb Jahre, weil die entsprechenden Kapazitäten geplant werden müssen.
Vergleichbare Airports wie Salzburg, Innsbruck oder Graz haben keinen 50-Prozent-Einbruch wie Linz gehabt. Was wurde dort besser gemacht?
Linz hatte etwa in die Türkei mit 105.000 Passagieren das größte Aufkommen. Wenn das plötzlich auf null fällt, kann man das nicht wirklich kompensieren. Dann ist auch Ägypten mit etwa 50.000 Passagieren weggebrochen.
Und wie lautet die vorläufige Bilanz dieses Sommers?
Dieser Sommer war Linz im Ferienbereich mit 24 Charterketten ähnlich gut wie Graz mit 28 oder Salzburg mit 25 aufgestellt. Nach Flugsesseln gerechnet haben wir mit 74.000 sogar die Nase vorn. In Summe haben wirrem ersten Halbjahr ein Plus von 16,8 Prozent.
Warum war oder ist es so schwer, sich aus den Fängen der AUA-/Lufthansa-Monopolisten zu befreien und etwa eine Anbindung an einen zweiten Hub nach Linz zu holen – und so für mehr Wettbewerb zu sorgen?
An dem Thema arbeiten wir ebenfalls. Wir wollen KLM/Air France von der Wertigkeit unseres Marktes überzeugen. Oberösterreich ist bei den Geschäftsreisenden um 15 bis 20 Prozent outgoing stärker als die anderen Bundesländer – das gilt es zu vermitteln. Natürlich ist es in einer Lufthansa-dominierten Welt sehr schwer, andere Kapazitäten hiereinzubekommen. Auch bei den deutschen Regionalflughäfen dominiert die Star Alliance, dort sind alle Flughäfen fest in deren Hand. Genauso wie sich die Lufthansa fünfmal überlegt, ob sie in Frankreich in einen Sekundärmarkt (Regionalflughafen) hineingeht, überlegt sich KLM/Air France, ob sich eine Verbindung nach Linz überhaupt auszahlt. Das ist auch der Grund, dass es keine einzige Bundesländerflughafen-Verbindung nach Paris gibt.
Gibt es möglicherweise eine Art inoffizielles Agreement zwischen Star Alliance, SkyTeam und Oneworld nach dem Motto – „die Märkte sind aufgeteilt, wir tun uns einander nicht weh“?
Nein, das glaube ich nicht. Es ist von den österreichischen Bundesländer-Flughäfen einfach zu wenig Menge da, um etwa eine Paris-Verbindung zu realisieren. Linz ist sehr stark Geschäftsreise-lastig, da braucht es jeden Tag zumindest eine Verbindung ins jeweilige Ziel. Da bedeutet bei einer 70-prozentigen Auslastung 60.000 Passagiere pro Jahr – und da beginnt es erst, profitabel zu werden. Graz ist es zum Beispiel dank einer Top-Präsentation gelungen, eine KLM-Verbindung nach Amsterdam zu bekommen.
Sind andere Linienverbindungen ab Linz derzeit ein realistisches Thema?
Ja. In der Potenzialanalyse stehen London und fünf deutsche Städte wie Hamburg oder Berlin. Aus Linzer Sicht kommt keine deutsche Stadt in Frage, die südlich von Frankfurt liegt, weil das zu nahe wäre.
Und die so oft genannte und schon mal als „fix“ bekanntgegebene Istanbul-Verbindung: Hat sich diese erledigt?
Nein, das geht jetzt erst richtig los. In Istanbul geht im Oktober der größte Airport Europas ans Netz, da gibt es dann auch den notwendigen Druck nach neuen Verbindungen.
Linz ist ja nicht der einzige Regionalairport, der zu kämpfen hat. Wie realistisch ist es, dass Linz wieder eine entsprechende Bedeutung auch in der Passagierluftfahrt bekommt?
Weil wir schon mal 800.000 Passagiere hatten, sollte diese Zahl auch wieder möglich sein, davon gehe ich aus. Wir müssen jetzt erst mal wieder diese ominöse Grenze von 500.000 Passagieren durchstoßen. Heuer werden wir auf 450.000 wachsen, nächstes Jahr dann über die 500.000. Darunter bekommt man nicht nur betriebswirtschaftliche Probleme, sondern auch bei der Servicequalität, weil man qualitätsmäßig abspecken muss – das geht hin bis zu einer regelmäßigen Versorgung mit Taxis.
Seitens der Eigentümer – Stadt Linz und Land OÖ – hatte man in den vergangenen Jahren schon mal den Eindruck, das Unternehmen wurde links liegen gelassen, Hauptsache eine Dividende fließt. Hätte es da mehr Engagement und Einmischung gebraucht?
Ich kann nicht bestätigen, dass es seitens der Stadt Linz oder des Landes Oberösterreich ein fehlendes Engagement gibt. Beide waren im Strategieprozess extrem intensiv dabei. Bei den Kernteamsitzungen waren sowohl Landesrat Michael Strugl als auch Bürgermeister Klaus Luger an Bord – und das nicht nur fünf Minuten, sondern volle vier Stunden. Auch Airlines, Speditionen, Interessenvertretungen und Reiseveranstalter waren in weiterer Folge intensiv mit eingebunden. Heraus kam ein neues Strategiepapier.
Muss ein Unternehmen wie der Flughafen immer Gewinne ausschütten oder sollte das Geld nicht zum Beispiel in neue Verbindungen investiert werden?
Jedes Unternehmen sollte Gewinne machen. In Österreich verdienen alle Bundesländerflughäfen Geld, was nicht selbstverständlich ist. In Deutschland haben einige regionale Airports extrem auf Wachstum gesetzt und sind in Richtung Lowcost gegangen. Da gab es zwischenzeitlich tolle Passagierzahlen, aber teilweise ein Minus in Höhe von 50 Prozent des Umsatzes. Das kann nicht das Ziel sein. Mit einem vernünftigen Flugprogramm ist der Linzer Flughafen auch weiter wirtschaftlich gut zu führen. Die Politik der Eigentümer war rückblickend betrachtet sehr unternehmensfreundlich, von Geldherausziehen waren wir da weit entfernt. Die Geschäftsführung konnte in Sachen Investitionen immer gut disponieren, da war das Verständnis der Eigentümer sehr wohl immer da.
Apropos Lowcost-Airlines: In Wien steigen sich die Billig-Fluglinien auf die Füße, kleine Airports wie Linz können dagegen kaum vom Boom profitieren. Ist es auch ein Thema, solche Anbieter mit entsprechender finanzieller Unterstützung nach Linz zu holen?
Ich bin der Meinung, dass sich eine Strecke ohne permanente Subventionierung rechnen muss, sonst ist sie nicht von Bestand. Dass Lowcoster derzeit nach Wien und in andere große Städte drängen, hat den Grund, dass sie die raren Slots besetzen wollen. Das setzt aber voraus dass sie zumindest 80 Prozent des Jahres-Flugplans auch bedienen, sonst verlieren sie dieses Slots wieder. In zwei Jahren wird das in Wien wieder ganz anders ausschauen.
Diese Flugstreichungen, Streiks, Extrakosten oder oft stundenlange Verspätungen ohne Infos: Ist das die „schöne“ neue (Lowcost-)Welt des Fliegens?
Der Konsument macht sich den Markt selber. Die Airlines gestalten das aus, was nachgefragt wird. Wenn ich mir ein Ticket um 15 Euro kaufe, muss ich damit rechnen, dass ich am Flughafen nochmal 50 Euro zahlen muss, wenn ich nicht selber online einchecke. Würde der Konsument wieder mehr Qualität nachfragen, wäre das anders. Der Mainstream geht nur nach dem Ticketpreis und deshalb sind die Lowcoster in den letzten Jahren so extrem gewachsen. Das ganze Chaos mit Ausfällen und Verspätungen ist das erste Anzeichen dafür, dass sich der Markt wieder stabilisieren wird.
Wie stark ist das Lowcost-Segment aktuell?
Dieses extreme Ausmaß gibt es nur in Europa, etwas abgeschwächt auch in den USA. 2018 erreicht der Lowcost-Bereich in Europa einen Marktanteil von 51 Prozent, er ist also das führende Geschäftsmodell.
Auf Europas Flughäfen – speziell Fracht-Airports – kaufen sich immer öfters chinesische oder asiatische Investoren ein. Wäre eine Privatisierung ein möglicher Push für Linz?
Ob unsere Eigentümer etwas verkaufen wollen, weiß ich nicht. Ich glaube es aber nicht, weil keine Notwendigkeit besteht.
Sehr gut läuft in Linz der Frachtbereich.
Hier sind wir sehr gut aufgestellt, wir haben eine Jahrestonnage von 55.000 Tonnen, damit sind wir elfstärkster von 44 deutschsprachigen Airports. Was uns ein bisschen fehlt, ist die geflogene Fracht. Oberösterreich ist so stark im Exportbereich, dass ein bis zwei weitere Frachtverbindungen möglich wären.
Eine Bahnanbindung und auch ein Flughafenhotel wurden vor drei Jahren angekündigt. Passiert ist nichts. Was ist hier der Stand der Dinge?
Die Bahnverschwenkung zum Flughafen kommt, die UVP ist weitestgehend abgeschlossen, jetzt geht es um die Einspruchsfristen, die derzeit laufen. 2022 soll mit dem Bauen begonnen werden, 2025 könnte das Projekt abgeschlossen sein. Und zum Hotel: Das ist aus meiner Sicht kein Kerngeschäftsfeld eines Flughafens, das fällt unter ‚Nice to have‘. Dazu braucht es aber einen Betreiber, der im Bereich Linz-Land das entsprechende Potenzial sieht. Nur für den Flughafen benötigen wir kein Hotel. Wir sind kein Transferflughafen und werden auch keiner werden.
2020 geht nun auch Budweis mit einem internationalen Airport an den Start. Beunruhigt Sie das?
Überhaupt nicht. Aber wenn Budweis etwas zusammenbringt, werden wir reagieren, weil es sich auch um unser Einzugsgebiet handelt – sowohl im Fracht- als auch im Passagierbereich.
Interview: Wilhelm Holzleitner