30km/h Geschwindigkeit – staufrei und mit Aussicht – sind mit einer City-Seilbahn möglich, während die Bim im Schnitt nur auf 21 km/h kommt. Das österreichische Unternehmen Doppelmayr ist Marktführer und hat bis heute über 14.900 Seilbahnsysteme in 95 Ländern realisiert. Wir plauderten mit Unternehmensvertreter Reinhard Fitz über die Möglichkeiten einer City-Seilbahn, wie sie in Linz und Graz derzeit im Gespräch ist.
Warum ploppt die Idee einer City-Seilbahn gerade – oder besser gesagt erst jetzt – vermehrt auch in europäischen Metropolen auf?
Die Seilbahn als urbanes Transportmittel gibt es schon länger. Sie kommt nun immer stärker in die Diskussion, weil sie vielerorts schon gezeigt hat, was sie kann und rückt damit immer mehr ins Aufmerksamkeitsfeld von Städteplanern, Stadtentwicklern und Visionären. Die Integration verschiedener Verkehrssysteme wird die Zukunft der modernen Mobilität in dichtbesiedelten Städten sein. Auf die einzigartigen Vorteile der Seilbahn wird nicht verzichtet werden können.
Welche Vorzeigeprojekte gibt es in europäischen Städten?
Seilbahnen mit urbanem Charakter gibt es inzwischen bereits in London, Koblenz, Portland, Singapur, Algiers, Oakland oder La Paz – um nur ein paar zu nennen.
Auch in München wird über eine City-Seilbahn diskutiert, in Graz und Linz ebenso.
Momentan werden verschiedene Projekte diskutiert, bzw. geprüft – wie beispielsweise die erwähnten. Viele weitere europäische Städte beschäftigen sich mit Seilbahnen als budgetschonende Alternativen zur Mobilitätsverbesserung. Dies ist aber auch ein intensiver Prozess und braucht seine Zeit.
Warum eine Seilbahn in der Stadt?
Es freut uns und treibt uns an, positive Veränderungen mit Seilbahnen als Transportmittel in Städte zu bringen. Wenn Pendler von verkürzten Reisezeiten zum Arbeitsplatz profitieren, die Seilbahn zur Verringerung der Emissionsbelastung beigeträgt und somit die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden kann. Die positiven Feedbacks aus den Städten sprechen für die Seilbahn und machen unser tägliches Arbeiten umso schöner.
Was sind bei Stadtseilbahnen – im Vergleich zu einem Skigebiet – die ganz besonderen Herausforderungen?
Die Winterseilbahnen liefern uns den Wissensvorsprung und die Basis, um die erweiterten Anforderungen einer urbanen Seilbahn kompromisslos neu zu denken. Als Beispiel ist aufgrund der ausgedehnten Betriebszeiten großes Augenmerk auf einen optimierten Wartungsablauf zur Gewährleistung der Sicherheit und Verfügbarkeit zu legen. Das bedeutet auch einen Kostenoptimierung in der Betriebsführung. Mobilität für ALLE ist die Voraussetzung zur Akzeptanz eines Verkehrsmittels in der Stadt. Seilbahnen befördern äußerst komfortabel Familien, Senioren, Rollstuhlfahrer, Kinderwagen, Passagiere mit Fahrrädern, etc.
Was sind die größten Vorteile einer City-Seilbahn gegenüber den herkömmlichen Öffis?
Eine Seilbahn steht nicht in Konkurrenz zu anderen öffentlichen Verkehrsmitteln. Jedes hat seine Berechtigung, Vorteile und Grenzen. Wodurch sich die Seilbahn abhebt – im wahrsten Sinne des Wortes – ist die Erschließung einer neuen Verkehrsebene: Sie schwebt leise über der bestehenden Infrastruktur, die weiterhin perfekt von anderen Verkehrsteilnehmern genutzt werden kann, hinweg und kann Hindernisse wie Flüsse oder Hügel problemlos zu überwinden. Durch diese Unabhängigkeit ergeben sich kurze und zuverlässige Fahrzeiten. Es entsteht sozusagen ‚the next level of mobility‘. Seilbahnen brauchen nur wenig Platz für Stützen und Stationen und lassen sich in ein bestehendes Verkehrsnetz integrieren. Sie sind energieeffizient, umweltfreundlich und natürlich sehr komfortabel.
Für welche Streckenlängen und Kapazitäten eignen sich Stadtseilbahnen erfahrungsgemäß am besten?
Eine Seilbahn zeichnet sich nicht durch ihre Länge oder Kapazität aus. Sie muss den Zweck erfüllen, für den sie errichtet wird. Durchdachte Verbindungen mit Seilbahnen verkürzen meist konventionelle Strecken – darin liegt auch ein wesentlicher Vorteil.
Bei Nahverkehrsprojekten werden naturgemäß immer Anraineranliegen vorgebracht. Wie sind Ihre Erfahrungen in Sachen Akzeptanz durch die Bewohner?
Für die Anrainer und Bewohner ist es wichtig, zeitgerecht in den Diskurs um die Implementierung eines neuen Verkehrsmittels oder -verbindung einsteigen zu können, damit ihre Bedenken und Anliegen gehört und ernstgenommen werden. Wir wissen aus Erfahrung, dass bei genauer und objektiver Betrachtung die anfängliche Skepsis weicht und nach den ersten Betriebserfahrungen eine positive Akzeptanz herrscht. Diese Schwelle zu überschreiten und Mobilität neu zu denken ist die Herausforderung.
Gibt es da ein spezielles Referenzbeispiel?
In Koblenz etwa war die Seilbahn über den Rhein ursprünglich temporär für die Bundesgartenschau 2011 samt dreijährigem Betrieb geplant. Die Koblenzer selbst haben mit einer Unterschriftenaktion erwirkt, dass die Bahn, die sich in UNESCO Weltkulturerbegebiet befindet, bis 2026 bestehen bleibt. In La Paz ist die Seilbahn inzwischen eine Selbstverständlichkeit, weil sie die Wege verkürzt, die Fortbewegung in der Stadt und die Verbindung zwischen den beiden Städten La Paz und El Alto erheblich erleichtert und weil sie sehr zuverlässig ist.
Welches weltweite Potenzial steckt im Segment der City-Seilbahnen?
Unserer Ansicht nach ein enormes.
Ist eine City-Seilbahn eher als Ergänzung oder als vollwertiger Ersatz für eine Bus- oder Tramlinie zu verstehen?
Die Seilbahn in der Stadt ist eine hervorragende Ergänzung. Insbesondere in europäischen Städten ist der Verkehr schon sehr gut ausgebaut. Dort wo er allerdings an seine Grenzen stößt, könnte eine Seilbahn die richtige Lösung sein. Dies gilt es ganz individuell zu prüfen und herauszufinden. In La Paz, wo sich das größte Seilbahnnetz der Welt mit bald zehn Linien und über 30 Kilometern Seilbahnstrecke befindet, funktioniert das System auch parallel zum bestehenden Verkehr. Die Seilbahnlösung wurde deshalb gewählt, weil es keine andere Alternative gab, den Verkehr zu entlasten.
Wie schnell ist eine City-Seilbahn im Vergleich zur herkömmlichen Straßenbahn?
Die Fahrgeschwindigkeit kann bei Umlaufbahnen bis zu 8,5 m/s betragen, das entspricht ca. 30 km/h. Entscheidend ist jedoch weniger die Geschwindigkeit als die Fahrzeit. Hier ist die Seilbahn als Stetigförderer insofern im Vorteil, als sie in ihrer eigenen Verkehrsebene keine Ampeln und konkurrierende Verkehrsteilnehmer kennt.
Gibt es einen ganz groben Kostenvergleich (Investition/Errichtungskosten) zwischen U-Bahn, Straßenbahn und Seilbahn?
Bei einer vergleichbaren Strecke und ähnlicher Förderleistung von ca. 10.000 Personen pro Stunde liegen die Investitionskosten einer Seilbahn gegenüber einer U-Bahn bei einem Zehntel und gegenüber einer Straßenbahn bei einem Drittel der Kosten.
Und im laufenden Betrieb: Wer hat da die Nase vorne?
Die Wartungs- und Betriebskosten sind sehr stark projektabhängig, da vor allem die Betriebszeiten, die geforderte Förderleistung und die systemabhängigen Kosten bei den zu vergleichenden Verkehrsmitteln zu berücksichtigen sind. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Seilbahnen günstiger betrieben werden können wie neue zusätzliche Ausbauten von bestehenden Verkehrssystemen. Am Ende des Tages zählt jedoch welches System nach einer Betriebszeit von sagen wir mal 20 Jahren in puncto Gesamtkosten (Investitionskosten + Betriebs- und Wartungskosten) die Nase vorne hat. Hier ist die Seilbahn klar im Vorteil.
Wie weit kann eine Seilbahn auch eine „City-Landmark“ sein – wie man es von manchen Skigebieten kennt?
Für Stadtseilbahnen ist die Integration in das Stadtbild eine wichtige Basis für die Akzeptanz und somit eine klare Aufgabe an die Architektur. Dabei sind keine Grenzen gesetzt. Die Stationen, Stützen und Fahrzeuge lassen sich individuell gestalten, auch mit Corporate Farben und Designs realisieren.
Weitere Infos: www.doppelmayr.com