Hoppla, was ist denn da passiert? Hinter den Kulissen soll es längst ausgemachte Sache gewesen sein, dass der bisherige JKU-Rektor Meinhard Lukas einen fliegenden Wechsel auf den Chefsessel der neuen Linzer Digital-Universität vollführt. Geworden ist es aber dann die Grazer Informatikprofessorin Stefanie Lindstaedt, eine absolute Expertin in Sachen Digitalisierung und künstliche Intelligenz – und nicht der Jurist Lukas. Der eine oder andere aus obersten Entscheidungsebenen schießt jetzt scharf gegen die wmWahl der unabhängigen Kommission. Manche tun sich halt schwer, zu realisieren, dass Mauschelei im Jahr 2023 selbst in Oberösterreich ihre Grenzen hat. Dabei hätte sich die neue Rektorin durchaus mehr Respekt verdient.
„Es ist eine Entscheidung, die in Oberösterreich nicht überall mit Jubel aufgenommen wird“, lautete die an sich schon ziemlich eingefärbte Anmoderation des betreffenden Berichts in „OÖ Heute“ des ORF. Dann kommt IV-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch – angeblich ein enger Vertrauter und großer Unterstützer von Meinhard Lukas – ins Bild. Er macht die Entscheidung gegen Lukas madig und zieht sogar die Kompetenz der Kommission in Zweifel.
Man kann als oberster Industrieller OÖs die neue Gründungspräsidentin der Digital Uni vorab derart geringschätzen und ihr quasi die Qualifikation absprechen. Klar, kann man machen, auch als IV-Boss. Ob es allerdings eine gute Idee ist, jemanden, den man weder fachlich noch persönlich kennt, auf so eine Art vorauseilend zu diskreditieren, steht auf einem anderen Blatt. Irgendwas wird sich Herr Haindl-Grutsch dabei schon gedacht haben. Hoffentlich.
„Gerade eine völlig neuartige Institution wie eine Digital Uni braucht Innovation, frischen Wind und neues Denken statt alte Seilschaften, immer wieder dieselben Köpfe und ebensolche Handlungsweisen.„
Und warum Meinhard Lukas quer durch die Medien wochenlang als „hoch favorisierter Kandidat“ für den Rektorposten der neuen Universität genannt wurde, ohne die ursprünglich 14 weiteren Kandidaten auch nur ein einziges Mal ernstlich zu präsentieren oder zu erwähnen, zeugt einmal mehr vom oft viel zu folgsamen Scheuklappendenken der lokalen Medien. Gerade eine völlig neuartige Institution wie eine Digital Uni braucht Innovation, frischen Wind und neues Denken statt alte Seilschaften, immer wieder dieselben Köpfe und ebensolche Handlungsweisen. More of the Same ist in diesem Fall sowas von fehl am Platz.
Und: Die IV, aber auch die Landespolitik (die sich ebenfalls kritisch zu dieser Personalwahl äußerte) hätten es auch positiv sehen können: nämlich, dass eine kompetente und hochgeeignete Frau und Spitzenkraft Gründungspräsidentin geworden ist – auch wenn sich die traditionell männerdominierte IV damit ziemlich schwertut.
Aus unzähligen Wortmeldungen innerhalb der JKU – vor allem aus den mittleren und unteren Ebenen und auch von (ehemaligen) Studierenden – ist vielfach zu hören, dass man froh sein, dass die Ära Lukas ihr Ende gefunden hat. Despotisches Auftreten und eine nur sehr begrenzte Diskussionskultur werden dem scheidenden Rektor nachgesagt. Auch zwischenmenschlich soll es immer wieder gröbere Reibereien mit seinen Mitarbeitern gegeben haben. Unbestritten davon sind seine mehr als respektablen Leistungen, etwa bei der Gründung der Medizin-Uni, die die JKU maßgeblich mitbegleitete. Dafür gebührt ihm großes Lob.
„Unbestritten sind Meinhard Lukas‘ mehr als respektablen Leistungen, etwa bei der Gründung der Medizin-Uni, die die JKU maßgeblich mitbegleitete. Dafür gebührt ihm großes Lob.“
Dass es die gebürtige Deutsche Stefanie Lindstaedt fachlich kann, steht völlig außer Zweifel. Ihr Lebenslauf liest sich eindrucksvoll, u.a. wurde sie 2012 von der österreichischen Tageszeitung Die Presse als „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie Forschung nominiert. Lindtstaedt ist derzeit als Professorin für Informatik und Direktorin des Instituts für interaktive Systeme und Datenwissenschaften an der TU Graz tätig. Dort leitet sie seit 2011 das Know Center, ein Forschungszentrum für datengetriebene Wirtschaft und künstliche Intelligenz.
Zudem steht Lindtstaedt für ein neues Denken, kennt Linz und die JKU (idealerweise) nur von außen und bringt somit jede Menge frischen Wind und Innovation in die Strukturen. Schon alleine dafür sollte Haindl-Grutsch, der seit 2006 hauptberuflich am Geschäftsführer-Sessel der Industriellenvereinigung sitzt und dem manche selbst nicht allzuviel Innovationsgeist nachgesagen, dankbar sein. Was wäre das Wirtschaftsbundesland Oberösterreich ohne Offenheit Neuem gegenüber? Einige ältere Herren brauchen da ganz offensichtlich Nachhilfeunterricht.
Titelfoto: JKU, Redaktion