2015 – ein bewegtes Jahr nicht nur für Linz, sondern auch für die Stadtregierung. Die Wahl vom 27. September brachte eine völlig neue Konstellation mit einer de facto rot-blauen Koalition. Wir haben den Jahreswechsel zum Anlass genommen, um ein paar Noten zu verteilen. Blaue Briefe gibt’s keine, Einser aber genauso wenig.
SPÖ LINZ
Bei der Wahl Ende September 2015 stellte sich Klaus Luger erstmals als Spitzenkandidat dem Linzer Wahlvolk. Ergebnis: ein Absturz von 26 auf 20 Mandate. Das lag aber freilich nur bedingt am neuen Spitzenkandidaten. Luger musste nicht nur die ganze SWAP-Geschichte ausbaden, sondern auch den Schlingerkurs der Bundes-SPÖ. Ganz freizusprechen von Schuld ist der neue Bürgermeister aber dennoch nicht: Bei der Entscheidung zur (schlussendlich doch durchgeführten) Volksbefragung über die Eisenbahnbrücke oder dem Mauern und Mauscheln rund um die Penn-Personalakten bewies Luger nicht immer einen schlanken Fuß. Auch die Geschichte rund um seine Hochzeitsgeschenkeliste (Luger bat seine Gäste um Spenden für sein Ferienhaus in Kroatien) hätten man eleganter lösen können – etwa mit einer Spendenliste für soziale Zwecke.
Bei der Präsentation des Jahresbudgets für 2016 wurden die Linzer SPÖ und Luger nicht müde, zu betonen, dass der finanzielle Turnaround gelungen sei und es jetzt ans Schuldenabbauen ginge. Die Realität sieht leider anders aus. Die Verbindlichkeiten wuchsen heuer um weitere 74 Millionen Euro. Das Budget für 2016 weist nicht wirklich grobe Einschnitte auf, es bleibt noch viel zu tun.
Auch den aktuellen Kuschelkurs mit der FPÖ bringt den Linzer Sozis nicht nur Freunde. Wie das die Wähler am Ende goutieren, bleibt abzuwarten.
Gutzuschreiben ist Klaus Luger das unaufgeregte Abarbeiten der Flüchtlingsproblematik und das ehrliche Versuchen, mit allen Parteien gut zusammenzuarbeiten. Das Format und Auftreten eines Bürgermeisters für eine Stadt wie Linz hat er allemal. In Summe steht am Jahresende ein BEFRIEDIGEND.
FPÖ LINZ
Zur zweitstärksten Kraft hat’s die Linzer FPÖ am 27. September hochgespült, auch in Linz war die Flüchtlingsproblematik – und der mehr als patscherte Umgang der Bundespolitik damit – der beste Wahlhelfer. Neben Detlef Wimmer sitzt jetzt sein frisurtechnischer Doppelgänger Markus Hein im Stadtsenat. Während Wimmer sich mit den Nebenschauplätzen Feuerwehr, Stadtwache und einem Teilbereich der Finanzen begnügt, wurde Hein der gesamte, kaum zu stemmende Infrastrukturbereich inklusive Verkehr und Brückenproblematik umgehängt. Dieses Ungleichgewicht an Aufgabenverteilung verwundert: Warum bekommt der Neue solche Brocken vorgesetzt – und der „alte Hase“ Wimmer nur Wohlfühlthemen?
In einigen Fragen – etwa dem überstürzten Abriss der Eisenbahnbrücke – ließ Hein mit Hausverstands-Ideen aufhorchen. Andere Themen wie etwa die „Ampelmännchenproblematik“ bauschte er völlig sinnbefreit auf. Mit etwas mehr Größe und Weitblick hätte er diese abgestandene Suppe nicht nochmal aufgekocht. Auch andere Entscheidungen und Forderungen – etwa die Installierung von fünf neuen Radarstationen an relativ unfallfreien Stellen, das Erhöhen des Stadtwache-Budgets um 200.000 Euro oder die Forderung nach Alkoholverbot in der Öffentlichkeit – zeigt, wohin die Reise mit einer starken FPÖ in Linz gehen dürfte: mehr Überwachung, mehr Gesetz, mehr Kontrolle. Ist das die Freiheit, die man (früher mal) meinte?
Plus: Selbst politische Gegner attestieren den Linzer Blauen eine sehr gute politische Sacharbeit, es gibt auch kaum Ausrutscher an den rechten Rand. Auch hier gibt es ein BEFRIEDIGEND.
ÖVP LINZ
Schwer hatte es der Linzer Spitzenkandidat Bernhard Baier: In die Fußstapfen seines sehr charismatischen Vorgängers Erich Watzl zu steigen, ist eine alles andere als leichte Herausforderung. Noch dazu, wo Familienvater Baier eigentlich nicht als Streithansl oder angriffig gilt, diese Rolle aber permanent geben muss.
Gerade noch ein Ergebnis über 20 Prozent gelang der Linzer ÖVP am 27. September – personelle Konsequenzen hatte dieser Absturz allerdings keine großen – außer der Verabschiedung von Pressemann Harald Gruber (wurde in Richtung Volksblatt „weggelobt“) tat sich nicht viel. Zusätzliche Linzer Hoffnungsträger wie Elisabeth Manhal oder Martin Hajart (der Marketingprofi gäbe einen formidablen Wirtschaftsstadtrat ab) orientieren sich neuerdings eher in Richtung Landtag – schade, mit einer starken, sympathischen Truppe könnte Teamplayer Baier sicher noch besser punkten. Irgendwie hat man bei der Linzer ÖVP das Gefühl, man will zwar, aber keiner weiß genau, was und wohin eigentlich. Es fehlen das Profil, die Ziele und der USP. Man greift zu viel an und bringt zu wenig Sympathie oder auch mal Humor ins Spiel. Linz bräuchte eine freche, junge, urbane ÖVP – dorthin ist der Weg aber noch weit. Der erste Schritt wäre, sich einfach mal was zu trauen. Auch hier ein BEFRIEDIGEND.
GRÜNE LINZ
Zweieinhalb Prozentpunkte plus gab’s für die Linzer Grünen bei der Wahl im September. „Wofür eigentlich?“ möchte man da fast fragen. Eva Schobesberger & Co. blieben fast das gesamte Jahr über farblos. Schade, grüne Themen gäbe es genug in der City, aber da kam nicht allzu viel. Radfahren in Linz bleibt genauso eine große Herausforderung wie sichere Abstellplätze. In dieser grünen Kernkompetenz hat sich in den letzten sechs Jahren so gut wie nix getan. Hätte es eine ähnlich große Anzahl an Wortmeldungen und Presseaussendungen wie zu den Ampelpärchen oder dem Ordnungsdienst auch beim Radthema gegeben: Linz wäre längst Radwelthauptstadt.
Auch sonst verbeißt man sich lieber in ideologische Nicht-mal-Randthemen, als auf wirklich drängende Zukunftsfragen einzugehen – geschweige denn Ideen und Lösungen anzubieten. Ein günstiges LINZ Linien Jahresticket durchzusetzen und das dann sechs Jahre lang abzufeiern ist ein bisschen wenig. Eva Schobesberger ist zudem keine echte Galionsfigur, legendär sind ihre Gemeinderatsreden mit völlig diffusen, nicht nachvollziehbaren Schachtelsätzen. Und hinter Schobesberger herrscht personelle dunkelgrüne Leere. Irgendwie haben die Grünen Angst, (autoritäre) Persönlichkeiten herauszubringen – ein ähnliches Problem wie bei der Landesgruppe. Auch hier gibt’s außer Rudi Anschober kaum „Erste-Reihe“-taugliche Köpfinnen und Köpfe. In Summe gerade noch ein GENÜGEND.
NEOS LINZ
Mit 4,9 Prozent plus waren die Linzer NEOS der eigentliche Wahlgewinner am 27. September. Speziell um den Bereich Stadtplanung will sich Spitzenmann Lorenz Potocnik annehmen. Mit Ideen wie „Wohnen am Wasser“ oder dem Projekt Sintstraße konnte er in der Öffentlichkeit auch bereits punkten. Stehen und fallen wird die pinke Linzer NEOS-Partie aber wohl damit, ob es ihr gelingt, auch Lösungen für echte Kernthemen zu finden – und nicht auf kaum breitenwirksamen Nebenschauplätzen wie Bildung oder eben hippes Wohnen zu verglühen. BEFRIEDIGEND.
KPÖ LINZ
Mindestens eine Scheibe abschneiden sollten sich die Linzer Grünen von der KPÖ-Einfraufraktion in Form von Gerlinde Grünn: Sie nennt sich selbst „das soziale Gewissen im Gemeinderat“ und turnt nicht nur auf ideologischen Spitzfindigkeiten herum, sondern bringt auch sachorientierte Ideen und Lösungsvorschläge ein. Sinnvollen Ideen wie die Stadtwache ersatzlos zu streichen oder (endlich) eine spürbare Senkung der Mieten finden aber leider keine Mitunterstützer. Warum eigentlich? Schade, dass es am 27. September nicht zu einem zweiten „superroten“ Mandat gereicht hat. Ein bisschen mehr KPÖ im Gemeinderat wäre sicher spannend. GUT.