Längs- statt Quersitze – so wie in vielen Citys bereits üblich: Ist das die Lösung für Corona-gerechte Öffis? Der weniger als einen Meter breite Gang und der Sitzreihenabstand von nur 73 cm bei den Linz Linien macht nicht nur das Abstandhalten schwer, sondern auch das Hinsetzen. Eine Sitzanordnung in Querrichtung nach internationalem Vorbild wie in Berlin, Barcelona oder Tokio könnte den geänderten Bedürfnissen Rechnung tragen.
73cm Sitzabstand in den modernen Cityrunnern der Linz Linien – selbst die engen Flieger der Ryanair haben mit mit 76,2cm mehr Platz. Die gängige Sitzanordnung in den Linzer Straßenbahnen gibt es fast identisch seit den 1970er-Jahren und ist heutzutage nur mehr sehr bedingt alltagstauglich: Die Sitzbereiche sind so angeordnet, dass Gänge und Eingangsbereiche teilweise sehr eng ausfallen – zu schmal für die heutigen Anforderungen – und schon gar nicht geeignet für in Zukunft wohl öfters auftretende virale Infektionskrankheiten.
Nur 80cm breite Gänge als Hindernis
Abgesehen von Corona- oder Grippeviren: Die Menschen wurden einerseits größer und schwerer, es gibt aber auch mehr alte Fahrgäste, die beim Hinsetzen und Aufstehen Platz brauchen. Viele haben einen Rucksack oder eine Tasche mit, die bei den Doppelsitzen schier unmöglich unterzubringen sind. Und selbst bei durchschnittlichen Körpergrößen von 178cm stoßen die Knie an den Vordersitz, ein unkompliziertes Aus- und Einsteigen ist fast unmöglich. Die Gangbreite beträgt wegen der Sitzanordnung an vielen Stellen der Cityrunner nur 80 Zentimeter.
Berlin, Barcelona und andere setzen auf Längs-Bestuhlung
Auch Rollstuhlfahrer und Kinderwägen können aktuell nur einen kleinen Bereich der Straßenbahn, der sehr schnell überfüllt ist, nutzen. Eine relativ einfache Lösung liegt auf der Hand: breitere Gänge und damit großzügigere Ein- und Ausstiegsbereiche durch eine Sitz-Anordnung in durchgehender Längsrichtung. Das würde den Corona-Regeln, aber auch dem geänderten Fahrgast-Verhalten mit schnellen, kurzen Wegen und Umstiegszeiten Rechnung tragen.
Diese Lösung ist bei vielen Verkehrsmitteln mit ähnlich schmalen Fahrzeugen wie in Linz bereits erprobt und bewährt – etwa in Berlin. Die dortigen Triebwägen der IK-Baureihe haben breite Gänge, da die Sitze parallel zur Fahrtrichtung angeordnet wurden. In Summe stehen sogar mehr Sitzplätze zur Verfügung als bei einer Quer-Anordnung.
In vielen anderen Städten, egal ob Berlin, Barcelona oder Strassburg, New York, Tokio oder Bangkok ist eine Längsanordnung der Sitze schon lange üblich – bzw. sind die Garnituren offener und flexibler gestaltet. Man vermeidet beim Hinsetzen Körperkontakt und ein mühsames „Hineinwurschteln“ und Vorbeizwängen am Sitznachbarn. Platzwechsel und das unangenehme Gedränge beim Ein- und Aussteigen werden dadurch ebenfalls entschärft. Abstandhalten ist weit einfacher möglich, weil der Platz flexibler genutzt werden kann.
“Im Nahverkehrs-Bereich von heute braucht es nicht nur mehr Möglichkeiten, um Abstand zu halten, sondern auch geräumige Steh- und Abstellflächen für Rollis, Kinderwägen und Gepäckstücke. Das lässt sich nicht nur mit einer Längsanordnung der Bänke lösen, sondern etwa auch mit dem vermehrten Einbau von Klappsitzen”, sagt Gemeinderat und Stadtplaner und Lorenz Potocnik. Ein weiterer Vorteil: Dann ließe sich auch die Mitnahme von Fahrrädern möglich machen – diese Idee scheiterte bislang stets an den schmalen Gängen.
Antrag vom Mai 2018 abgelehnt – wegen Corona ein neuer Anlauf?
Lorenz Potocnik brachte bereits im Mai 2018 einen Antrag ein, eine Cityrunner-Straßenbahn umzurüsten und als „Testwaggon“ für einen Monat auf die Reise zu schicken. SPÖ und FPÖ verweigerten jedoch die Zustimmung. Argumentiert wurde damals u.a von Karin Hörzing (SPÖ), es würden dann weniger Sessel zur Verfügung stehen. Potocnik: „Das ist Nonsens. In den Garnituren der Berliner Öffis stehen jetzt sogar mehr Sitze zur Verfügung als vorher. Die Gesamtkapazität ließe sich durch bauliche Maßnahmen unkompliziert erhalten. Man muss auch mal den Mut haben, etwas Neues zu wagen und nicht immer nur sofort reflexartig „Geht nicht“ schreien, nur weil ein sinnvoller, ja notwendiger Antrag von einer anderen Fraktion kommt.“
Lorenz Potocnik hofft, dass durch die Corona-Pandemie und den neuen Herausforderungen in Sachen Abstandhalten ein Umdenken erfolgt und die Idee wieder aufgegriffen wird.