Über zu wenige Autos hat sich auch noch keine Stadt beklagt – ausgenommen Linz: Weil laut SPÖ zu wenige PKWs die Neue Eisenbahnbrücke nützen, sollen Maßnahmen eingeleitet werden, damit der dortige Autoverkehr steigt. Dabei wurde die Brücke damals mit dem Versprechen gebaut, das Bauwerk wäre vor allem „für die Linzer, für die Radfahrer und die Fußgänger“, die damit „mehr Bewegungsraum“ erhalten sollten. Jetzt die neue Brücke den Pendlern wieder schmackhaft zu machen (und damit den Ost-West-Verkehr quer durch die Wohngebiete drastisch zu erhöhen), ist das völlig falsche Signal – nicht nur die Anrainer fühlen sich zurecht gefrotzelt.
Fast gleichzeitig mit der Eisenbahnbrücke wurden 2021 gleich nebenan zwei zusätzliche Bypass-Brücken bei der VOEST-Brücke eröffnet. Diese schnelle, kreuzungs- und ampellose Donauquerung Richtung Haselgraben, Gallneukirchen, Industriegebiet und Linzer Süden erfreut sich großer Beliebtheit und schluckt eine enorme Frequenz – auch einiges von jenem Verkehr, der früher über die alte Eisenbahnbrücke floss. Kein Wunder, dass aktuell „nur“ 7.000 statt wie früher bis zu 15.000 PKWs über die Eisenbahnbrücke fahren. Bürgermeister Luger sieht deshalb Handlungsbedarf und will laut Medienberichten die Brücke daher „für Autofahrer attraktiver“ machen, gleichzeitig verspricht er den Anrainern links und rechts der Brücke weniger Verkehr. Wie passt das zusammen?
„Die Brücke für Pendler attraktiver machen und den Anrainern gleichzeitig weniger Verkehr versprechen: Wie passt das zusammen?“
Zweifellos: Die Neue Eisenbahnbrücke ist eine Erfolgsgeschichte, auch wenn noch einige Jahre keine Züge über die Donau rollen. Von Läufern, Fußgängern und Radlern wird die Brücke intensiv genutzt und wegen ihrer 4,5 Meter breiten Wege geliebt – bis zu 4.000 Fahrräder werden hier pro Tag (!) gezählt. Die SPÖ will dort aber auch mehr Autos sehen: Bürgermeister Luger schlägt vor, auf Linzer Seite zusätzliche Abbiegespuren zu markieren und die Ampel auf der Urfahraner Seite zu deaktivieren – genau jenen geregelten Übergang, der speziell von den vielen Läufern und Radlern, die Richtung Donaulände und Radweg kreuzen wollen, genutzt wird.
SP-Verkehrssprecher Florian Koppler legt nach und fordert zusätzlich via OÖN, „die vorhandene Kapazität der Eisenbahnbrücke zu nutzen“ – er sagt aber nicht dazu, dass damit tausende Bewohner von Ferihumerstraße, Wildbergstraße, Linke Brückenstraße und Freistädterstraße von zusätzlichen Ein- und Durchpendlern massiv belastet werden. „Dank der VOEST-Brücke hat der Durchzugsverkehr merklich nachgelassen – und jetzt sollen die Autos wieder hierher umgeleitet und zurückgelockt werden, was soll das?“, schickt uns eine Anrainerin aus der Linken Brückenstraße eine von vielen Leser-Mails.
„Dank der VOEST-Brücke hat der Durchzugsverkehr merklich nachgelassen – und jetzt sollen die Autos wieder hierher zurückgelockt werden: Was soll das?“
Und die gute Frau hat recht: Wozu das Ganze? Der Verkehr Richtung Donaubrücken läuft seit der Eröffnung von Bypass- und Eisenbahnbrücke hervorragend, Stau gibt es nur ganz selten. Lediglich bei den Auffahrten zur A7 bildet sich manchmal ein Rückstau. Aber all diesen „Stauern“, die vom Norden in den Süden oder Richtung Freistadt wollen, hilft die Eisenbahnbrücke absolut nichts, weil sie ganz woanders hin wollen. Angelockt werden lediglich Pendler, die Richtung Westen aus Rohrbach/Puchenau kommen und ins Industriegebiet wollen. Diese Motoristen holt man in die ohnehin belasteten und dicht bewohnten Urfahraner Straßen zurück, weil sie die kürzeste Verbindung zur Eisenbahnbrücke darstellen.
„Einmal mehr ein (roter) Irrweg in Richtung Autohauptstadt“
Es ist leider bezeichnend für Linz: Statt sich Gedanken über eine weitere Verbesserung und Optimierung der Radwege zu machen, sorgen sich Luger & Co. um einpendelnde Autos (nur um die geht’s hier nämlich), die Attraktivierung des Autofahrens und die kürzestmöglichen Schleichwege durch die Stadt. Einmal mehr ein (roter) Irrweg in Richtung Klimahauptstadt.
Foto: Stadt Linz