Michael Altrichter ist aus der Puls4-Sendung „Zwei Minuten – zwei Millionen“ mittlerweile österreichweit bekannt. Bevorzugt investiert der Business Angel, der an 35 Unternehmen beteiligt ist, durch seine in der Tabakfabrik Linz angesiedelten Firma startup300 in Neugründungen mit hohem Potenzial. Im LINZA-Talk blicken wir hinter die Kulissen der Show und haben auch nachgefragt, was es mit dem Titel „Start Up-City Linz“ auf sich hat…
Wie mutig sind junge Menschen heute, wenn’s ums Gründen geht?
Die Themen Gründen, Start Ups & Business Angels sind heute viel präsenter als noch vor einigen Jahren, der Zulauf steigt stark. Das hat aber auch den Nebeneffekt, dass einige zu übermütig werden, wenn’s ums Gründen geht. Da heißt es aufpassen, dass keine Blase entsteht – vor allem, was die oft zu hohen Bewertungen angeht.
Bei „Zwei Minuten – zwei Millionen“ entsteht der Eindruck, dass Sie flott mal 100.000 Euro Investment vergeben – ohne Gespräche im Vorfeld.
Nein, es gibt auch keine Vorgespräche oder Vorab-Informationen. Das passiert wirklich alles spontan vor der Kamera, was es sehr schwierig macht. Wir haben normalerweise 20 bis 40 Minuten Zeit für eine Investment-Entscheidung. Ich vergleiche das gerne mit dem Piloten eines Kampfjets: Man sitzt drinnen, bekommt ein paar Informationen und muss sich entscheiden „Fire or not“ – drücke ich ab und mache ich ein Angebot oder nicht. Weitere Details werden dann in Gesprächen nach der Sendung geklärt.
Die Realität schaut bei den meisten Jungunternehmern und Start Ups freilich ganz anders aus – Stichwort Kreditbremse. Sind die Banken zu geizig bzw. zu vorsichtig?
Banken müssen natürlich auch vorsichtig sein, denn die haben auch entsprechende Auflagen. Banken können bei Start Ups per Definition zudem gar nicht richtig investieren, weil Start Ups keine Vermögenswerte oder Ergebnisse vorzuweisen haben und von jeder Bank mit null Euro bewertet werden. Ein Hochrisiko-Investor sieht das anders, der hat den zukünftigen Wert eines Unternehmens im Fokus. Ich selbst investiere nur in Start Ups, die hochskalierbar sind und sich in wenigen Jahren verzehn- oder verhundertfachen können. Viele Ideen und Produkte können das nicht, obwohl die Founder gut sind, das Unternehmen trotzdem positiv wird und das auch Investment nicht verloren wäre.
Wie weit mischen Sie nach Abschluss eines Investments im Tagesgeschäft mit?
Ins klassische Tagesgeschäft mische ich mich überhaupt nicht ein. In allen Fragen, was mit Strategie, Finanzierungen und Netzwerk zu tun hat, bringen wir uns mit unserem Unternehmen startup300 aber sehr wohl ein, um zum Beispiel Türen zu öffnen, die für einen jungen Unternehmer normalerweise zubleiben.
Sie werden sich wahrscheinlich von guten Ideen und Angeboten derzeit wohl kaum noch erwehren können. Ist der Zulauf noch in einem ertragbaren Rahmen oder schwappt da eine Welle über Sie hinweg?
Irgendwo dazwischen. Die unqualifizierten Anfragen machen eigentlich den mühsamen Part aus. Wenn eine Mail mit den Worten beginnt „Ich weiß Sie haben wenig Zeit, aber ich möchte trotzdem meine Idee vorstellen, von der ich noch nicht weiß, wie ich sie umsetzen soll. Vielleicht können Sie mir helfen“, ist es schon vorbei bei mir. Bei Anfragen erwarte ich mir schon konkretere Aussagen und Inhalte.
Was ist bei der Gründung eines Start Ups am wichtigsten: die Idee, der Gründer oder das Geld?
Die Formel für den Erfolg lautet: zehn Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration – das heißt: Die Idee allein macht nicht den Erfolg aus, das ist nur der erste Angelhaken. Es geht hauptsächlich um die Gründer. Sind sie in der Lage, ihre Idee so umzusetzen, wie sie diese vorgeben, und können sie entsprechend reagieren? Die meisten Startups scheitern an den Foundern, weil sie mit geänderten Marktsituationen nicht umgehen können, aber nicht an der falschen Idee. Und weil vom Geld die Rede war: Die Gründer müssen gar keine finanziellen Mittel mitbringen – oder nicht zwingend, das erwarte ich gar nicht. Was ich aber erwarte, sind 120 Prozent Einsatz.
Gibt es ein Startup oder eine Business-Idee, bei der sogar ein Michael Altrichter danebengegriffen hat?
Ja sicher, aber das ist in diesem hochbrisanten Start Up-Umfeld, in dem ich mich bewege, normal. Ich habe aktuell 35 Investments, von denen sich vier in die Insolvenz verabschiedet haben, einige in meinem Portfolio siechen an der Nulllinie dahin, das sind die sogenannten „Zombies“ – zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.
Social Medias wie Facebook scheinen trotz großer Kritik am Umgang mit sensiblen Daten unantastbar. Würden Sie Start Ups dennoch dazu ermutigen, in diesen Markt zu gehen?
Natürlich gibt es ein Leben nach Facebook oder Google, die irgendwann wie viele andere zuvor von ihrem Thron gestoßen und durch neue Disruptionen ersetzt werden. Was Google & Co. von manchen alten Unternehmen gelernt haben: Dass sie neu wachsende innovative Firmen rechtzeitig schlucken, um die nächsten großen Sprünge quasi ‚mitzunehmen‘. Für ein Startup wird es so immer schwerer, ein Unternehmen wie Facebook anzugreifen.
Wie beurteilen Sie die Voraussetzungen für Firmengründungen und Start Ups in Österreich im internationalen Vergleich? Immer wieder ist bei uns von Unternehmerfeindlichkeit die Rede.
Hier sollte seitens der Politik noch viel mehr passieren. Es wurden – auch von uns – dazu schon viele Vorschläge gemacht. Die Gründerkultur gehört noch viel stärker gefördert, es muss viel leichter und schneller gehen, ein Unternehmen zu gründen und dort zu investieren – etwa durch Steuervorteile oder Steuergutschriften. Wir haben bei startup300 bereits 141 Aktionäre bzw. Business Angels und versuchen, das Ökosystem der Start Ups noch weiter anzutreiben.
Auf die Schnelle: Welche Maßnahmen würden helfen, die Rahmenbedingungen sofort zu ändern?
Wir brauchen einen Bereich, in dem sich Start Ups ein, zwei oder drei Jahre austoben können – und ohne große Notariatsregulierung, Kammern oder Bankenaufsicht probieren dürfen. Es muss aufhören, dass sich junge Unternehmen von Anfang an mit Kammern und solchen Sachen herumschlagen müssen. Wir wissen, dass 90 Prozent eh scheitern, warum lässt man diese also nicht am Anfang einfach probieren und arbeiten? Auf die restlichen zehn Prozent, die übrig bleiben und funktionieren, kann man dann ja mit allem drauffahren, was in Österreich so üblich ist. Zusätzlich wäre es wichtig, wenn der Staat mutig vorangeht und aktiv neue Technologien ermöglicht. Zum Beispiel bei den selbstfahrenden Autos: Warum sind wir hier nicht das führende Bundesland dieser Technologie? Oder beim Thema Blockchain: Hier könnte man mit neuen Regularien vorangehen und die gesamte Aufmerksamkeit der Welt auf Österreich oder Oberösterreich lenken.
Diese erwähnte Scheiter-Quote von 90 Prozent bei Start Ups: Liegen wir in Österreich da im internationalen Schnitt?
Ja, das ist die internationale Quote, wenn man alle Branchen zusammenrechnet. Für einen Business Angel ist aber genau das so etwas wie der heilige Gral – dass man diese Quote von 1:10 auf zum Beispiel 1:3 verkürzt.
In welcher Höhe bewegen sich Ihre Investments bzw. jene von startup300 im Rahmen der Sendung „Zwei Minuten, zwei Millionen“?
Das kann ich bei der aktuellen Staffel noch nicht sagen, aber es sind wesentlich mehr als jene zwei Millionen, die im Sendungstitel vorkommen. Diesen Betrag haben wir übrigens bei jeder der fünf Staffeln der Sendung getoppt.
Linz will sich gerne als Start Up-Hauptstadt positionieren. Was unterscheidet die Stadt diesbezüglich von anderen Standorten?
Ich würde es so formulieren: Das Unternehmen startup300 hat mit Linz und der Tabakfabrik genau zur richtigen Zeit ins richtige Loch getroffen. Wir haben hier gemeinsam mit der Stadt Linz die gesamte Region auf ein anderes Level gehoben. Hier tut sich wirklich sehr viel, die namhaften Corporates Oberösterreich ziehen mit, die Universitäten sind auch dabei. Wir haben es tatsächlich geschafft, einen Innovationscampus zu bauen, der weit über die Linzer Stadtgrenzen hinausreicht. In Wien hätte wir damit nicht so einen Erfolg gehabt.
Und die Idee, sich hier in der Tabakfabrik anzusiedeln?
Das hat perfekt gepasst, hier gibt’s 80.000 Quadratmeter, die von einer ehemaligen Zigarettenwuzelfabrik in eine Innovationsstadt umgebaut wurden und werden. Von hier geht eine enorme Innovationskraft aus. Das Herz dieser ganzen Innovation wird hier in der Tabakfabrik abgebildet. Es war für alle Seiten sinnvoll, die Tabakfabrik in diese Richtung zu entwickeln.
Bis vor kurzem waren Sie ein unbekanntes Gesicht. Wie geht’s Ihnen damit, immer öfters erkannt und natürlich auch angesprochen zu werden?
Bei der Puls 4-Sendung „Zwei Minuten, zwei Millionen“ mitzumachen, war damals eine ganz bewusste Entscheidung, die ich auch sehr gut abgewogen habe. Ich sehe diese Entscheidung selbst nach der fünften Staffel immer noch sehr positiv. Die Bekanntheit ist zwar gestiegen, allerdings in einem erträglichen Maß. Es ist bei weitem nicht so, dass man da jetzt täglich gestalkt wird. Wobei man aber sehr vorsichtig sein muss, was man von seinem Privatleben preisgibt, denn dieser Schuss kann bekanntlich sehr schnell nach hinten losgehen.
Start Ups sind aufgrund der meist prekären Arbeitsverhältnisse der Gründer und der dortigen Mitarbeiter in der Kritik. Zurecht?
Das ist natürlich ein schwieriges Thema. Von Gründern erwarte ich mir aber, dass sie 120 Prozent für ihr Unternehmen geben. Die Erwartungshaltung ist bei Start Ups logischerweise sehr hoch. Auf der anderen Seite bietet sich ein moderner Work-/Life-Mix. Für mich ist es kein Problem, auch vom Strand oder Garten aus zu arbeiten. Mir ist es egal, wo die Gründer sitzen, da braucht es keine Stempelkarte oder einen Urlaubsschein. Klar kann das auch bedeuten, dass man mal mitten in der Nacht eine Telefonkonferenz abhalten muss. Im Gegenzug hat man aber auch viele Freiheiten. Wichtig sind Herz und Einsatz und nicht, ob man alle Regularien punktgenau einhält, auch wenn das ein heikles Thema ist.
-> Link zur Sendung „02 Minuten 02 Millionen“