Nach über 15 Jahren wechselt der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner im Februar 2023 in den Ruhestand. Zeit, Bilanz zu ziehen. Dabei kommen einem zuerst die Tourismuszahlen in den Sinn. Trotz des oft bemühten Begriffs “Nächtigungsrekorde” wird bei einem – viel zu oft fehlenden – Blick über den Tellerrand klar: Tatsächlich hinkt Linz beim boomenden Städtetourismus etwas hinterher.
Keine Frage: Tourismus sollte sich nicht ausschließlich an Nächtigungszahlen – Stichwort Overtourism – messen lassen. Wenn man aber wie im Fall von Linz ständig posaunt, wie rasant es seit 2009 nach oben geht, muss man sich diesem Vergleich auch stellen. Fakt ist: Städtetourismus boomt gerade in Europa generell, die Zuwachsraten waren bis zum Beginn der Corona-Krise auch in Österreich enorm.
In der “European City Tourism Study 2018” etwa wurden 52 europäische Städte verglichen. Demnach legten die Nächtigungen in zehn Jahren im Schnitt um 57 Prozent zu. München zum Beispiel verzeichnete ein Plus von 85,9 Prozent. In Wien waren es zwischen 2009 und 2019 um 78,8 Prozent mehr. Im gerne mit Linz verglichenen Graz betrug das Plus 58,6 Prozent – das ist mehr als doppelt so viel wie Linz (26,5 Prozent). Salzburg: plus 60,6 Prozent, Innsbruck plus 51,2 Prozent. Linz hinkt nach, obwohl Linz auf einem weit niedrigeren Niveau losstartete.
„Smart, Digital, Narrativ“
Einer der Lieblingsbegriffe von Tourismusdirektor Georg Steiner: das „Narrativ“. Wie besessenen betonte er, Geschichten von und über Linz erzählen zu wollen, um Menschen anzulocken. Storytelling war das geflügelte Wort. Dabei verstieg er sich in immer komplexere Themenwelten, statt auf das Naheliegende zurückzugreifen. Als ob es irgendein Städtereisender kompliziert haben will. Geschichten über Linz muss man nicht erfinden oder mit trendigen Worten wie “Smart” oder “Digital” künstlich aufblasen. Geschichten über Linz sind da, man muss sie nicht ständig krampfhaft zu erfinden versuchen.
Ausbaufähige Auslastung
Von Steiner wurde immer wieder ins Treffen gebracht, Linz besäße zu wenige Hotelbetten, die Kapazitäten seien quasi knapp, mehr Wachstum sei daher schlichtweg nicht möglich. Ein Blick auf die Jahres-Auslastung widerspricht dem aber klar: Die Belegung der 5.515 Linzer Beherbergungsbetten lag 2019 bei 46,4 Prozent – in Wien (68.200 Betten) betrug diese im selben Zeitraum bei 61,9 Prozent. Ein anderer Vergleich geht ebenfalls ungünstig für Linz aus: Graz hat mit 6.432 zwar um “nur” 16,6 Prozent mehr Betten als Linz, bei den Übernachtungen sind es aber 34 Prozent mehr.
Aufreger Schiffstourismus
Möglicherweise keine gute Idee war es auch, jedes Jahr ein neues Tourismus-Jahresmotto auszurufen, ohne dieses dann mit wirklichen Inhalten oder Events zu füllen. Ein ständig wechselndes Motto geht zulasten einer Kernbotschaft – eigentlich Marketing-Basiswissen.
Was dem mit der Donauschifffahrt eigentlich sehr verbundenen Passauer auch nicht gelang: aus dem bis 2019 fast endlos wachsenden Schiffstourismus einen erkennbaren Mehrwert für Linz zu generieren. Linz mutierte zum Schiffs- und Busbahnhof, von wo aus die Touristen nach Krumau oder ins Salzkammergut transportiert wurden. In Linz wird nur geschlafen und gegessen – all inclusive am Schiff. Das hat sich trotz mehrmaliger Ansagen Steiners nie geändert. Vor einigen Jahren tauchten in Steiners Umfeld gar Pläne für den Bau einer Straße durch den Donaupark auf, damit die Busse noch besser zu den Schiffen zufahren können. Auf einen Dialog mit den besorgten Bürgern wollte sich Steiner gemäß Bayerns 11. Gebot („Mia san mia“) nie einlassen, Kritik am Tourismus empfand er stets als provinziell und rückständig.
Weiterentwicklung, aber…
Der nicht nur optisch eher hausbackene Bayer Georg Steiner bezeichnete sich selbst gerne als ‚Visionär‘, ließ wenige entsprechende Taten folgen. Dass er als eine seiner letzten Maßnahmen in Zeiten von knappen Rohstoffen und CO2-Problematik auf ein 3mal im Jahr gedrucktes Printmagazin mit einer Auflage von je 400.000 Stück setzt, hat mit visionär‘aber wenig zu tun. Einer „Stadt der Innovation“ oder „Klimahauptstadt“ stünde eine komplett papierlose Werbung, wie sie andere Städte bereits leben, besser zu Gesicht. Das 2021 produzierte und von Steiner (zu Recht) abgefeierte Linz ist Linz-Werbevideo wurde zum Renner, der Erfolg ist aber eher ‚passiert‘ als geplant. Das aufwändige, zehn Minuten lange, viel zu bemühte Folgevideo im Vorjahr floppte. Unterm Strich hat sich der Tourismus in Linz zwar weiterentwickelt, im (inter)nationalen Vergleich war der Aufwärtstrend der letzten 15 Jahre aber eher ein ‚Trendchen‘. Linz verändert – man darf gespannt sein, wie Steiners Nachfolgerin den Tourismus anlegt.
Kommentar
(K)Ein Quantensprung?
Nach 15 Jahren dankt der Linzer Tourismusdirektor Steiner ab: Es war eine wechselvolle Zeit mit dem Passauer, der mit Kritik nur sehr begrenzt umgehen konnte. Der LINZA musste das mehrmals miterleben. Als wir etwa über den ausufernden Schiffstourismus, der den gesamten Donaupark in Mitleidenschaft zog, berichteten. Steiner wollte es nicht verstehen, dass eben nicht alles eitel Wonne ist, was Stadttourismus betrifft. Wer nicht mitjubelte, wurde sofort zum Gegner abgestempelt. Dabei geht gerade Tourismus nur MIT der Bevölkerung. Das hat Steiner nie verstanden, obwohl gerade er es als Politiker besser wissen müsste: Steiner hatte neben Linz ein zweites, relativ zeitintensives Standbein als Passauer CSU-Stadtrat, er war bei der Wahl 2020 sogar offizieller Bürgermeisterkandidat (!) – inkkusive jeder Menge Wahlkampfauftritte. Das warfen ihm seine Kritiker immer wieder (zu Recht) vor: Als Tourismusdirektor sollte man seine Zeit mit diesem gut dotierten Managerjob verbringen – und nicht gleichzeitig oft mehrere Wochentage in Passau Politik machen. Eigentlich verrückt, dass ihm die Stadt Linz als Arbeitgeber so einen fordernden Nebenjob gestattete.
Was bleibt von der Ära Steiner? Linz hat seit seinem Amtsantritt 2007 eine Metamorphose von der Industrie- zur Wohlfühlstadt vollzogen. Seine touristische Marke hat Linz aber nicht gefunden. Auch das Verständnis der Linzer zum Tourismus hat Steiner wenig gefördert, die Bevölkerung sah er eher als Störfaktor. Unter dem Strich war Steiners Zeit sehr wechselhaft, aber für den Linzer Tourismus und die Nächtigungszahlen kein Quantensprung. Man könnte auch sagen: Steiners Nachfolgerin hat Luft nach oben.