Joan Ali ist Kurde aus dem nördlichen Teil Syriens und das klassische Beispiel eines echten Asylwerbers. Als um ihn die Bomben fielen und ihn die syrische Armee einziehen wollte, ergriff der 22-Jährige die Flucht: „Ich sollte in den Krieg, wo jeder gegen jeden kämpft, ziehen. Aber das wollte ich nicht, denn ich bin Student und kein Soldat. Und schon gar nicht will ich Menschen töten und Teil dieses Wahnsinns sein – egal auf welcher Seite.“ Jetzt konvertierte Joan Ali, der bereits fließend Deutsch spricht, nach einer verpflichtend vorgeschriebenen einjährigen Vorbereitungszeit aus innerer Überzeugung zum Christentum. Als zusätzlichen Taufnamen wählte er „Leo“.
Die kurdische Minderheit – darunter viele Christen – gilt in Syrien als Menschen zweiter Klasse: „Als Kurde darfst du gar nichts. Obwohl ich in Syrien geboren bin, bekam ich nicht mal einen eigenen Pass. Erst 2011 haben wir wegen bevorstehender Wahlen Dokumente bekommen.“ Für den 15-monatigen Militärdienst werden Kurden aber sogar bevorzugt herangezogen: „Im Kriegsfall gibt es keine zeitliche Begrenzung für die Militärzeit und erst den Tod als Ende“, erzählt Joan.
8.500 Euro für die Flucht vor dem sicheren Tod
Joan hat für seine Flucht vor dem sicheren Tod ein Vermögen an Schlepper bezahlt: 8.500 Euro. „Ich habe dafür alles verkauft, was ich hatte. Auch mein kleines Grundstück, auf dem ich ein Haus für meine zukünftige Familie bauen wollte.“ Mit dabei hatte er lediglich eine kleine Tasche mit dem Allernötigsten – keine Erinnerungen, keine persönlichen Sachen. Die erste Station in Österreich war Mitte Mai 2015 das Flüchtlingslager Traiskirchen, nach einer Woche wurde er nach Linz gebracht, wo er seit zwölf Monaten auf seinen Asylbescheid wartet. Joan lebt derzeit mit drei anderen Flüchtlingen in einem Zimmer in der Pfarre Linz-St. Peter.
Als Zeichen seiner Verbundenheit und Bereitschaft der Integration hat sich Joan Ali bereits während der Flucht entschlossen, den christlichen Glauben anzunehmen: „Der Islam war mir nie wichtig und eher fremd, er ist viel zu komplex und verschlossen. Ich war im Herzen immer schon ein Christ, weil dieser Glaube viel freier, menschlicher und offener ist.“ Einwände von seinem Vater, einem überzeugten Moslem, gab es nicht – im Gegenteil: „Er sagte nur ,Es ist dein Leben, mach‘ das Beste draus.“ Und sozusagen als Beweis hat Joan Ali sogar schon Schweinefleisch gegessen: „Wunderbar“ habe es geschmeckt, lacht er.
Ministrant & Christ
Im Juni 2015 begann Joan Ali mit der zwingend vorgeschriebenen einjährigen Vorbereitung auf die Erwachsenentaufe, dem sogenannten Katechumenat. Am Sonntag, den 5. Juni 2016 war es dann so weit: Im Rahmen einer Festmesse empfing er das Sakrament der Taufe. Ausgehend von dem Versprechen Jesu: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“ (Mt 28, 20b) betonte Pfarrer Franz Zeiger den Mut Joan Leos, unerschrocken zu Jesus Christus zu stehen, obwohl in seiner Heimat die Todesstrafe auf Religionswechsel steht. Nach Überreichung der Taufkerze versah Joan Leo gleich zum ersten mal den Ministrantendienst. Ob er denn die Angst vieler Menschen in Österreich verstehen kann, wenn plötzlich solche Massen an Asylsuchenden zu uns strömen? „Es ist ganz normal. Wenn in mein Land so viele Fremde kommen würden, hätte ich auch Sorgen. Aber der Großteil kommt, um in Frieden zu leben und den Österreichern etwas zurückzugeben.“ Leider gibt es auch einige, die nur wegen des Geldes kommen und Probleme machen, sagt Joan: „Das fällt leider auf die vielen Menschen, die wirklich dringend Hilfe benötigen, zurück.“
„Danke Österreich“
Seine alte Heimat vermisst Joan nicht: „Als Kurden waren wir nahezu rechtlos. Vor dem Krieg wollten uns die arabischen Syrer nicht – und jetzt hätten wir für sie kämpfen sollen.“ Heimweh kennt er daher keines.
Was gefällt ihm an Österreich ganz besonders? Interessanterweise genau das, worüber viele Österreicher gern mal schimpfen: „Der klare Tagesablauf und das streng durchdachte System in allen Bereichen. Etwa die fixen Termine bei Ämtern, Ärzten oder im Beruf: „Wenn man in Syrien einen Termin um zehn Uhr ausmacht, kann es auch sein, dass der andere erst um halb eins daherkommt, das wäre in Österreich undenkbar.“ Auch das freie Leben, wie wir es kennen, ist in Syrien unbekannt: „Für junge Leute ist es praktisch unmöglich, dass sie sich treffen.“ Für Österreich ist Joan voll des Lobes: „Die Leute hier sind freundlich, hilfsbereit, offen – und vor allem ‚menschlich‘. Davon kann die ganze Welt etwas lernen.”